Lord Savils Verbrechen

Kriminalkomödie in drei Akten nach Oscar Wilde
von Hans Jaray
Theater im Palais

Regie: Herbert Olschok, Komposition und am Klavier: Ute Falkenau; Bühnenbild: Alexander Martynow, Kostümbild: Ute Rathmann, Maske: Claudia Rönsch

 

Ein Zuckerstückchen nach Art des Hauses

Was tut ein Gentleman angesichts der für ihn unumstößlichen Gewissheit, dass er – laut Prophezeiung eines obskuren Wahrsagers vor 25 Jahren – in diesen Tagen einen Mord begehen wird? Oscar Wilde, Englands eloquentester Spötter und Dichter, der sich keinen Tag scheute, der noblen Gesellschaft mit großer Sprachkunst den psychologischen Spiegel provozierend vorzuhalten, wusste es: Er lässt Lord Savil die Vorhersage beim Schopf packen, und seine ergebene Gattin hilft ihm dabei mit gebührendem Einfühlungsvermögen. Und so werden in diesem heiter vergnüglichen Spiel mehrere Leute recht realistisch mit einer starken Tablette ins Jenseits befördert, die für das Hinscheiden eines ausgewachsenen Bernhardiners gereicht hätte. Doch irgendwie passiert stets etwas Seltsames, das dem ebenso naiv gutgläubigen wie skrupellos agierenden Lord Savil erneut die Schweißperlen auf die Stirn, Lady Sybil in die Nähe der Ohnmacht und den beflissenen Diener in die Gewissheit treibt, dass hier etwas faul ist im Hause der Herrschaft…

Herbert Olschok, ein erfahrener und vielgefragter Regisseur weiß, wie man Wilde gerecht wird und, wenn er seine Darsteller auch bisweilen – nach gutdeutscher Art – den Witz der Dialoge etwas überstrapazieren lässt, so gelingt ihm hier ein Bravourstückchen, das nach “Der ideale Gatte” in Potsdam wieder einen Abend voller Bonmots und sprühender Spottfunken beschert. Das Stück beginnt mit einem Schattenspiel hinter dem weißen Vorhang; das ist bereits ein hübscher Einfall des Regisseurs, der damit dem Spiel, in dem es immerhin um handfeste Verbrechen geht, von vornherein jene Leichtigkeit zugesteht, hinter der sich die sarkastischen Erkenntnisse des englischen Genies über den menschlichen Charakter an sich und die Gesellschaft seiner Zeit im Besonderen offenbaren.

 Natürlich weiß Gabriele Streichhahn als vielseitige Komödiantin alle Register der blasierten  Lady Clarissa Windermere (ob das die ist mit dem Fächer?) zu servieren, lässt die kühle Arroganz der upperclass aufblitzen und zugleich die treffsichere Boshaftigkeit Wilde’scher Aphorismen als Karikatur sichtbar werden. In einer weiteren Rolle wechselt sie zur windigen Miss Pitibone, einer zweifelhaften Wahrsagerin, die sich bislang auf dem Feld der abergläubischen High Society ihr gutes Einkommen sicherte. Die Zwielichtigkeit dieser Dame ist bei Frau Streichhahn beinahe noch aparter als die Blasiertheit der coolen Lady. Auch für Carl Martin Spengler, der mit der Distinguiertheit des Butlers genauestens registriert, was um ihn herum vorgeht, jedoch mit beredter Mimik zu schweigen versteht, gibt es mehrere Rollen: als Detektiv-Imitation mit Melone, Trenchcoat und Zigarrenstummel ausgerüstet sowie als spät auftauchender dubioser Chiromant, der den ganzen Wirbel um ein nun geeignetes Mordopfer mit seiner Handleserei einst verursachte.

Dass Peter Rauch als Lord Arthur Savil zuweilen der Kragen zu eng wird und das ganze unangenehme Mordvorhaben ans reine Herz geht, kann man sehr gut nachvollziehen – und wie ihm Ursula Gottert als schöne treue Lady Sybil in ihrer Hilflosigkeit mit weit aufgerissenen, kindlich ungläubigen Augen buchstäblich wie ein gut dressiertes Hündchen folgt, ist reizend anzuschauen und verdient unser ganzes Mitgefühl. Ganz besonders aber besticht in dieser kleinen Kammerkomödie der geschickt mit asymmetrischen Wänden versetzte Bühnenraum und die sogar passend auf die Farben der Dekoration abgestimmte hochelegante Garderobe der feinen Gesellschaft. Adel verpflichtet eben – Arroganz, Eleganz, Containance und der feste Glaube an Horoskope, Wahrsagerei und Sternendeutung hat Wilde unter anderem zu der prickelnden Ermahnung inspiriert: “Man soll nicht abergläubisch sein, das bringt Unglück.” Ute Falkenau weiß diese und andere tiefe Einsichten mit entsprechend dumpfen Klaviertönen dramatisch zu untermalen. A.C.nach
Oscar Wilde

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