Die Nadeln der Kleopatra
Schlosspark Theater
von Philipp Moog und Frank Röthas
Inszenierung: Cordula Trantow, Musik: Thom Bürkholz, Bühne: Matthias Schaller, Kostüm: Susanne Füller
mit: Cosma Shiva Hagen, Ingrid van Bergen, Marco Hofschneider, Philipp Ungeheuer
Hommage an Ingrid van Bergen
Wenn zwei Autoren und Schauspieler, eigentlich beheimatet im Fernsehgeschäft, ein etwas tiefgründigeres Boulevardstück schreiben, dann bedürfte es schon bühnengerechter, geschliffener Dialoge, um die notwendige dramatische Steigerung zu erreichen. Denn diese kleine Geschichte um drei gesellschaftliche Außenseiter und eine blinde alte Lady mit einer tragischen Lebensgeschichte könnte als Liebesstory auf zwei Ebenen durchaus eine kleine Perle sein; Die Schauspieler zumindest geben sich alle Mühe, zwischen den verschiedenen Milieus herumzuturnen. Und man möchte fast Mitleid mit der quicklebendigen Sophie (Cosima Hagen) haben, die sich mit dem arbeitlosen, charmanten Nichtsnutz Marc (Philipp Ungeheuer) und seinem dubiosen Dealerkumpel Jeff (Marco Hofschneider) herumärgert, die nichts als Unordnung in ihre armselige Wohnung und ihr kleines Leben bringen. Eigentlich will Sophie ja Schauspielerin werden und hofft inständig auf ein positives Ergebnis ihres letzen Vorsprechens. Aber weil die beiden Männer in Geldnot sind und bei Sophie auch nichts mehr zu holen ist, überreden sie das gutmütige Mädchen, eine Stelle als Gesellschafterin bei einer gut situierten blinden alten Dame anzunehmen. Warum Sophie diesen Job nur widerwillig übernimmt, bleibt allerdings unklar.
Als Sophie den Jungen von einem berühmten Gemälde in der Wohnung der Frau Bergmann erzählt, glauben diese sich nun am Ende aller Geldnot und können Sophie offensichtlich auch als Helferin für diesen Kunstraub gewinnen, denn sie läßt die Beiden in die Wohnung der Dame ein, wo sie höchst albern, doch geschickt den Monet von der Wand abklauben, um ihn zu verscherbeln. Dass Madame Bergmann in ihrer ruhigen, freundlichen Art nichts von alledem zu bemerken scheint und weiterhin ihren Träumen aus der Vergangenheit nachsinnt, das ergibt ja immerhin einige gute Szenen. Dass aber diese Inszenierung nicht recht in Schwung kommen will, liegt zum einen, s.o., an den mageren Dialogen, zum anderen an der viel zu zaghaften Regie von Frau Trantow, die offensichtlich hier niemanden überfordern will. Aber was der Text eben nicht hergibt, nämlich einen spannenden Verlauf, das versucht Cosima Hagen mit nervender Hektik – mit ständigem Aus- und Einräumen ihrer mit Klamotten zugestopften Kartoffelkisten, sinnlosem Hin-und Herlaufen und nervösem Fläzen zwischen den Bettkissen zu kompensieren.
Dass sie, immerhin Schauspielerin in spe, der alten Dame nur ein aufmüpfiges, unhöfliches Verhalten entgegenbringt, vereinfacht das Verständnis zwischen Alt und Jung auch nicht gerade. Die Jungs haben ohnehin nicht viel Grips und daher auch nicht viel zu sagen, ihre Beiträge sind belanglos und inhaltsleer, und ihr Verhalten weckt weder Sympathie noch Mitleid. Dass die kleine Sophie dagegen aber viel Seele und Gemüt und ein viel zu großes Herz hat, könnte die eigentliche Geschichte neben der blinden Liebe der Madame Bergmann sein, die bei einer Explosion in jungen Jahren nicht nur ihr Augenlicht, sondern auch den Geliebten verlor. Sein Tagebuch ist nun der einzige Inhalt ihres Lebens, das Sophie jeden Nachmittag vorlesen soll. Und Sophie, die fassungslos und traurig die wahre Geschichte der Tragödie daraus entnimmt, schenkt Madame Bermann die Erinnerung an glücklichere Zeiten, indem sie eine neue, liebenswerte Version erfindet. Das könnte anrührend und beglückend für jedermann sein. Aber leider flattert diese schöne Blüte neben dem Klamauk des Kunstraubs zu Boden, wo sie niemand beachtet. Denn die große Liebe der Lady gleicht den zwei “Nadeln” der Kleopatra, den ägyptischen Obelisken, die getrennt – die eine an der Themse, die andere im Central Park New Yorks stehen – Sinnbild für zwei Liebende, die grausam getrennt wurden. Und noch ein Symbol: das aus dem Rahmen getrennte Bild hängt am Ende wieder an der Wand, allerdings schief versetzt…
Die Begeisterung für diese Inszenierung ist nur aus einem anderen Grunde heraus verständlich: Man möchte der großen alten Dame des Films und der Bühne, der 79jährigen Ingrid van Bergen, die selbst ein schreckliches Schicksal durchlitt, liebevoll huldigen. Und das ist hiermit geglückt. A.C.