Monthly Archives: Juni 2012

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Der kaukasische Kreidekreis/ Der gute Mensch von Sezuan

Bis auf einige Ausdehnungen durch die zahlreichen, von Paul Dessau vertonten Liedeinsätze, spielt sich hier ein wunderbares, nicht ganz “Episches”, d. h. distanziertes, sondern eher realistisch gespieltes Theater ab, in dem nicht mehr in erster Linie die Brecht-typische Verfremdung im Mittelpunkt steht, sondern letztlich doch eher anrührende Emotionalität und poetische Vielfalt. Gleichermaßen spiegelt sich Brechts politisches Credo in grundsätzlichen Eigenschaften, die er seinen Charakteren auferlegt. Für uns ähneln sie heute psychologischen Analysen menschlicher Verhaltensweisen, die historisch und gegenwärtig als Reaktion auf die verschiedenen Strukturen der Macht zu sehen sind.

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Der Geizige

Peter Kurth präsentiert seinen Harpagnon im goldbetressten Louis-Quattorze-Kostüm als eine gewichtige, ernstzunehmende Persönlichkeit. Denn sein Geiz ist nicht irgendwie gewöhnlich oder lächerlich verkniffen, sondern eher selbstverständlich, existenziell und fundamental. Er rät seinem gleichwohl bequemen als auch um sein Erbe mit einiger Chuzpe kämpfenden Clèante, sich selbst zu erarbeiten, was er zu benötigen glaubt. Dieser monologisierende Harpagnan ist eine Wucht, nicht einmal unsympathisch, auch kein Sympathieträger, aber irgendwie haben der Autor Peter Licht und der Regisseur Jan Bosse diesen Charakter aus der Ferne ins Heute gezerrt und ihn als Inkarnation eines Kapitalisten gezeichnet, den sie zwar abgrundtief verabscheuen, aber dem sie nicht beikommen können!

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Der Fall Rigoletto

Ein junger Italiener führt durch das spannend aufgebaute Geschehen, das sich musikalisch abwechslungsreich zwischen Verdis Oper und moderner Komposition bewegt. Und daraus ist eine so faszinierende aktuelle Rigoletto-Version entstanden, dass das Publikum bei der Aufführung, die ich sah, so gebannt war, dass es nicht einen Finger rührte, um den einzelnen musikalisch hochwertigen Gesangspartien den üblichen Beifall zu zollen. Und die Regie führte dankbarer Weise auch zügig und pausenlos durch das Spiel.

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Der blaue Spiegel

von Albert Ostermeier Berliner Ensemble  Regie: Andrea Breth  mit: Corinna Kirchoff (Sybel), Wolfgang Michael (Jack); Elisabeth Orth als Mutter und Großmutter, Laura Tratnik und Larissa Fuchs   Vom Märchenprinzen zum Monster Zu Beginn hocken Mann und Frau in einem Angst erregend engen und hellen Raum vor  geschlossenem Fenster vor einem weißen Heizkörper und langweilen sich und das Publikum beinahe zu Tode. Da offensichtlich jedermann im Publikum auf irgendetwas wartet, bequemen sich die Beiden, die Schweigefolter zu beenden: Er – mit

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Das wohltemperierte Klavier

Verständlich wird die inszenatorische Absicht erst im Hinblick auf die Herkunft des Regisseurs und des Textgebers. Beide sind Ungarn, der eine Jahrgang 1954, der weiß, von welcher Diktatur er spricht, und auch der andre (Marton), Jahrgang 1975, kennt die “alte Zeit” der grausamen Unterdrückungsmethoden und politischen Zwänge aus eigenem Erleben und dem seiner Eltern. Und er hat Zersetzungsregiekunst bei Marthaler in Zürich gelernt. Für beide also ist dieses Theaterspiel außerordentlich politisch. Aber weder der ausgezeichnete Pianist (Jan Czajkowski) noch der Trompeter Paul Brody können hierzu einen überzeugenden Beitrag liefern, noch die abscheulich gekleidete Violinistin, die ihr Instrument in wahrhaft furioser Steigerung in eine Musik hinüberführt, die ähnlich schmerzt wie das abschließende Inferno eines schmerzhaft über das Bühnengeschehen hinweg dröhnende Kampfgeschwader vom Tonband, das mit der neuen Diktatorin die “alte!” Ordnung wieder herstellen wird.

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