The Magic Flute

von Peeter Jalaks
Neuköllner Oper
Eine “Alchemic Tragedy” des Theaters von Krahl (Estland) Konzept: Peeter Jalaks, Text: Sigismund von Krahl, Sound und Video Designer: Ville Hyonen, Kostüm: Reet Aus; Choreographie: Sasha Repelyayev

 

All you need is love – oder: was kommt nach der Apokalypse?

Diese recht eigenwillige Auseinandersetzung mit der Apokalypse, die sich einer alchemistischen Interpretation der “Zauberflöte” verschreibt, weicht wohl von allen Variationen einer Mozart- Operninszenierung ab, die man bisher auf den Berliner Bühnen sehen konnte. Der Autor, Peeter Jalaks, hat sich von dem holländischen Kollegen van den Berki inspirieren lassen, der die “Zauberflöte” nicht mehr als freimaurerisch deutet, sondern unter dem Aspekt der Alchemie interpretiert.

Dazu hat der umtriebige und vielseitige Jalaks seine ziemlich präsente Auffassung als Gründer der Estischen Partei der Grünen in den Vordergrund und in unser aller Bewusstsein mit recht drastischen Mitteln gerückt: Die Auseinandersetzung um die Qualen der Befreiung, der Suche nach dem reinen Selbst, der Erlösung von allem Üblen inclusive einer Wiedergeburt oder Neubeginn nach der alles Leben vernichtenden Katastrophe, die vom atomaren Rundumschlag ausgelöst wird, findet vornehmlich auf  drei Videowänden statt. Hier leiden, wie Christus am Kreuz, ein Hauptmann in Großaufnahme, dessen Brust von einem Dolch durchbohrt und dessen Arme an einem oberen Holzbalken gefesselt sind sowie sein ihm gegenüber wie ein Adonis liegender Sergeant, dessen blutender Beinstumpf nebst einer verletzten Lunge auf sein nahes Ende verweist. Doch beide haben noch die Kraft, sich zu wundern und zu fragen: warum sie noch immer am Leben sind und warum und woher dieses allerletzte Ende eigentlich gekommen ist – wer drückte auf den Weltuntergangsknopf, wer löste die Endkatastrophe aus – und was ist vom Leben eigentlich geblieben – und kommt vielleicht doch noch etwas danach? Es sind kurze Fragen, kurze Antworten, auf estnisch gesprochen, mit englischen Untertiteln versehen und vom Peeter Jalaks, der am Pult darunter sitzt, kommentiert. In der Mitte zeigt das beinahe wie ein Triptychon angelegte Bild eine pastellfarbene undefinierbare Landschaft, die utopisch, phantastisch, weltfern scheint. Ein kegelförmiges Gebilde wird sich im letzten Teil des Gesprächs auftürmen, vielleicht als Neubeginn, als Schutz, als Hoffnungsträger?

Die großformatig gezeigten leidenden Gesichter wären verstörend, würden aus den Mündern nur Blut, und nicht auch einige humorvolle Erkenntnisse über das Leben an sich, die persönliche Hoffnungen und Träume tröpfeln. Das ist eine seltsame Mischung – eben nach der stets unheimlichen, ja niemals wirklich gezeigten Zeremonie der Mozart’schen Oper, in der Tamino und Pamina durch das Fegefeuer schreiten müssen, nur begleitet von dem silberhellen Klang der Flöte bis sie am Ende – gereinigt von allen inneren Qualen und Zweifeln – wirklich ihre Liebe leben dürfen – ein Geschenk, ein Vermächtnis, ein Auftrag. Sowie auch die der Beatlesong am Ende von Apokalypse und erhoffter Auferstehung vielleicht die Antwort auf alle schrecklichen Fragen  gibt: “All you need is love, love is all you need.”

Während die beiden Musikerinnen auf dem weichen Akkordeon und der zart perlenden Kantele am Rande der Bühne die Leitthemen der “Zauberflöte” spielen – und die “Techniker” die entsprechenden Arien als nette Lieder aus dem Volke singen, streift sich der Erzähler und Kommentator am Ende die Rolle des Zarastro über, des Zarathustra, des philosophischen Suchers, der das Böse (die schwarze Sonne: Monastatos) mit Hilfe der Mutter Erde (Königin der Nacht als achtarmiger indischer Gott Vishnu, des Erneuerers und Zerstörers) besiegt. Denn das kann – auch nach christlichem Verständnis – nur durch Aufopferung ,,nicht durch Selbstmord” geschehen.

Viele, viele Gedanken, die mit  Begriffen aus der alchemistischen Küche zu einem schwer verdaulichen Brei verkocht werden. Sterben und Werden, Ende und Neubeginn, Geburt und Tod sind die Leitmotive dieser ungewöhnlichen Bühnenfassung.  Solange die dunklen Schicksalsmächte, die destruktiven Kräfte der Elemente nicht beseitigt sind – also das permanente Streben der Menschheit nach Fortschritt, nach Konsum, nach einem Paradies auf Erden – werden sie alles, was der Mensch geschaffen hat, vernichten – bis sich die Elemente erneut verbinden, um wiederum Symbiosen einzugehen, die unseren Planeten zu neuem Leben erwecken. A.C.

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