Unwiderstehlich, B

von Fabrice Roger-Lacan
deutsch von Wolfgang Kirchner
Renaissance Theater Berlin, 2015
Regie: Antoine Uitdehaag, Bühne: Momme Röhrbein, Kostüme: Erika Landertinger, Musik: Het Paleis van Boem
mit: Anika Mauer und Boris Aljinovic

Mit der Liebe spielt man nicht

Wir kennen das Spiel aus amerikanischen Gerichtsthrillern, wo ein gewiefter Anwalt (oder auch ein Staatsanwalt, je nachdem) den Angeklagten mit rhetorischer Diabolik, mit perfider Haarspalterei so auszutricksen pflegt, dass dem Angeklagten die Knie zittern, er (sie) sich so verhaspelt, dass schließlich seine (ihre) Schuld restlos bewiesen ist. Boris Aljinovic war lange genug TV-Tatortkommissar, um diese feinen Techniken zu beherrschen. Wie er sie jetzt in dem Zweipersonenspiel ausreizt, könnte grandios sein, wenn er sich nicht so stark in den Wahn des Betrogenen hineinsteigern würde, dass er eher einem Paranoiker als einem “nur” eifersüchtigen Ehemann gleicht. Das ist letztlich ebenso unheimlich wie erschütternd, und schon zur Pause, als sich der Vorhang schließt, stellt sich die berühmte Frage: was kommt hernach? Wird sich das eigentlich liebende Paar trennen, wird der Mann sich das Leben oder das seiner Frau nehmen, ist hier überhaupt eine Lösung denkbar?

Denn die Eifersucht des jungen Anwalts ist eigentlich, na, sagen wir mal, zu 99 Prozent unbegründet. Anika Mauer spielt seine reizende unbeschwerte Gattin, die einen langen erfreulichen Nachmittag mit einem irischen Autor verbracht hat, dessen neues Buch sie in ihrem Verlag herausbringen will. Und sie berichtet begeistert von dieser Begegnung, nichtsahnend was sie mit ihrerm Frohsinn bei dem sich nur mühsam beherrschenden Gatten anrichtet. Denn der glaubt nichts und niemandem, ist sich bereits in seinem nun folgenden dramatisch zugespitzen wortsezierenden Fragen absolut sicher, dass seine Frau -zumindest gedanklich – bereits die Untreue vollzogen hat. Ist der Ire doch so attraktiv und in der Damenwelt als “unwiderstehlicher Charmeur” bekannt, dass es für den Anwalt geradezu unglaubhaft und unwahrscheinlich ist, dass seine geliebte Frau nicht von diesem Exemplar männlicher Anziehungskraft ebenso beeindruckt sein muss wie ihre Vorgängerinnen. Denn das kann er nicht begreifen: warum hat sie denn die Einladung des Schriftstellers zu einem gemeinsamen Abendessen   abgelehnt, wenn sie nicht befürchtete, seinem Charme zu erliegen?

Und so dreht und wendet der sich bereits im Vorfeld alles Gedachten als betrogen betrachtende Mann   ein harmloses Gespräch in eine Foltersituation, der sich Anika Mauer als seine Frau zunächst eloquent und intelligent gewachsen zeigt, dann aber, als sie spürt, dass es kein rhetorisches Scharmützel mehr ist, sondern zu einem ein bösen, gefährlichen Spiel eskaliert, die Fassung verliert. Soüberzeugend, so schnell kann Liebe zerstört, ja geradezu zerschmettert werden.

Ein glänzendes Schauspielerpaar, eine unheimlich intensiv ausgeführte infame Gedankenattacke, ein Paradebeispiel dafür, wie man einen völlig unschuldigen Menschen dazu bringt, sich in eine gedachte Situation zu begeben und darin zu verirren bis zum Bekenntnis einer nicht realen Verstrickung.

Ja, und dann, nach der Pause? Da wandelt und wendet sich das Drama beinahe zur Groteske, der Plauderton wechselt wieder ins Leichte, Scherzende, Flirtende. Und die hanebüchene Story, die im Hintergrund schwebt – nämlich ein von dem Anwalt zunächst verteidigter mexikanischer Gattenmörder  bricht aus der Psychiatrie aus und könnte sich jederzeit als ungebetener Gast bemerkbar machen – läuft beinahe lapidar als nebensächlicher Hintergrund. Wie denn, möchte man fragen. was soll denn das alles? Ist da wirklich eine Parallele zu sehen, in der der Anwalt den Mörder aus einer völlig falschen Perspektive beurteilt und deshalb seine Verteidigung niedergelegt hat?

Und da ist noch ein Knäuel zu entwirren, mit dem der Autor wohl eine überdenkbare Geschichte abwickeln wollte: Wohin führt eine so schreckliche, zerstörerische Eifersucht, die genau das nicht erreicht, was sie bezweckt: sich der Liebe des Anderen stets und immerwährend zu versichern? Das ist ein ziemlich schwieriges Thema, und es gibt m.E. bisher kein einschlägiges Eifersuchtsdrama, das sich letztlich in Wohlgefallen auflöst – außer natürlich in Shakespeare’schen Komödien. Aber, wenn es wie hier, zunächst als höchst eindruckvolles Psychodrama angesetzt ist, müßte es auf eine logische Konsequenz am Ende zusteuern. Und da kann man nur fragen, wer hat diese geteilte, unschlüssige Interpretation so gewollt – der Autor oder der Regisseur oder die Darsteller? A.C.

 

 

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