Aterballetto,OL
1.Rhapsody in Blue, 2. Solo Echo 3. Glory Hall
Choreografie; Crystal Pite, Iratxe Ansa und Igor Bachovich Diego Tortelli
Musik: George Gershwin, Bessie Jones/Johannes Brahms/ Godspeed You; Oneohtrix Point Never
16. Internationale Tanztage im Oldenburger Staatstheater vom 9.-18. Mai 2025
Tanztheater -so phantastisch wie Oper, Konzert und Schauspiel
Mit 13 Compagnien aus neun Ländern mit 17 unterschiedlichen Programmen an zehn Tagen in Oldenburg : Eine Herausforderung nicht nur für die Tanzenden, sondern auch für das Publikum, dass ein traditionelles Bühnenhighlight mit faszinierenden Variationen erleben wird, sowie es in vielen anderen Städten wie Bremen, Hamburg, Berlin beispielsweise auch zum Ende der Saison gefeiert wird und die Creme aller Choreografen und mit internationalen Talenten gekürte Compagnien sich in bester Form präsentieren. Das erfordert von den Organisatoren Schwerstarbeit, aber so gut gelaunt, wie sich der Oldenburgische Intendant Georg Heckel am Premierenabend gab, steht wohl doch die Freude und Vielfalt an dieser vielseitigen Tanzkunst, die die berühmten Gäste bieten, im Vordergrund.
Den Auftakt gestaltete die anspruchsvolle italienische Compagnie aus Bologna und Parma, die mit drei faszinierenden, völlig unterschiedlichen Choreografien überraschte und dem begeisterten Publikum ein Standing Ovation entlockte. Musikalisch variierend zwischen Gershwins berühmter “Rhapsodie in Blue” mit vermischten Stilrichtungen und eigenen kapriziösen tänzerisch-akrobatischen Variationen bleibt der Spannungsbogen gestrafft. Langsam lösen sich im ersten Bild aus der Gruppe , die dicht gedrängt vor einem riesigen weißen Mond verharrt, nach und nach in wirbelnde Körper und Konstellationen, vereinen sich paarweise oder in variierenden Bindungen zu unglaublich schnellen Interaktionen oder einem quirligen Paartanz, in dem die zierliche Partnerin wie eine Puppe durch die Luft gewirbelt wird, dann wieder wie eine übermütige Qualle ihre Tentakel um den elegant-parierenden Partner windet, und, neu befreit, erneut mit Lufttänzen spielt. Das ist schon beinahe so artistisch sowie weitere Konfigurationen, die sich vereinen, wieder isolieren, einander von neuem suchen, aber auch nur einem stummen Schrei das Entsetzens demonstrieren, dass neben Liebe und Akzeptanz der Menschen zu- und für einander eben auch der Schmerz zum Leben gehört. Am Ende steht die Gruppe wieder geschlossen vor dem großen runden Mond. Nun ist er rot – nach einer durchtanzten Nacht?
Mit großer Energie entfalten sich die unzähligen Bildvariationen im musikalischen Stil der 20er Jahre, in dem sich Jazz und Blues und konzertante Sinfonik verbinden, die George Gershwin mit seiner melodisch-rhythmisch swingenden“ Rhapsody in Blue“ , die er in nur vier Monaten komponierte, zum Weltruhm verhalf. Die Choreografin fügte hier jetzt noch die fazinierend gebrochene rauchige Stimme von Bessie Jones hinzu.
Aber auch mit melancholischer und nachdenklicher Dramatik in berührenden fremdartigen Bildern unter fallenden wie flimmernden Flocken gibt sich die Choreografie in „Solo Echo“ seltsam berührenden Einfällen nach Brahms Sonanten für Cello und Piano in E-und F-Major, Op-38 mit dem Allegro non troppo und Op.99 II mit dem Adagio Affettuoso hin. Die Menschen bleiben vielfach im Halbdunkel der Nacht ( nach dem Gedicht: Zeilen für den Winter von Mark Strand), laufen schnell über die Bühne, in fliehenden Posen, sich schamhaft versteckend, Einsamkeit, Suchen, Finden sind immer wieder die Themen neuer Künstler, die den Einzelnen im Über-Lebens-Machtkampf, aber auch in sehr männlich harten Duellen neben einem wundersam zärtlichen, umeinander besorgten männlichen Paar zeigen, wie auch Gefallene aufgehoben, andere aber auch gestürzt werden. Am Ende ist die ganze Wand mit rieselnden Flocken bedeckt, leise, zärtlich, unaufhörlich. Ein friedliches, stilles, erlösendes Symbol?
Überraschend mit Donnerschlag und Regeninferno folgt am Ende die ganz junge Einstudierung von Diego Tortelli: „Glory Hall“, eine sehr an die minmalistische Musik von Philip Glass zu „Echnaton“ erinnernde Variation der rituellen Gottes- und Götter- und Götzendienste im archaischen Ritus, im hartem Beat serviert unnachgiebig, beinahe brutal wie im Disput vieler Glaubensrichtungen und alter Stammesrituale gehalten. Oder sind es KI-Menschen, die so exakt und paradekonform in Reih und Glied mit identischen geschulten Gesten und Formationen wie bei militärischen Machtdemonstrationen reagieren? Nur ein Mensch tanzt sich heraus aus der diszipliniert gedrillten Gesellschaft, der dem Welt- und Wetterinferno trotzt und sich ein einsames Eigenleben sucht. Die perfekt gedrillten Mitläufer tanzen sich im wechselnden Licht im Bann dieser rasanten Rhythmen in ein unheimliches wie groteskes Ambiente hinein. A.C.
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