Das schlaue Füchslein, OL
Oper von Leos Janacek, Libretto nach der literarischen Vorlage “Abenteuer des Füchsleins Schlaukopf” und dem Comicstrip von Lidové Noviny
Urauführung 1924, Brünn
Oldenburgisches Staatstheater, 2025Opernchor, Kinder- und Jugendchor, Staatsorchester, Statisterie des Oldenburgischen Staatstheaters
Musikalische Leitung: Vito Christofaro, Regie: Mélanie Huber ,Dramaturgie: Antje Müller; Ausstattung: Lena Hiebel, Choreograifsche Mitarbeit: Joanne Willmott, Chorleitung: Thomas Bönisch, Einstudierung: Kinder- und Jugendchor: Marija Jokovic, Studienleitung: Paul Plummer, Licht: Steff Flächsenhaar,
mit: Arthur Bruce: Förster (Aksel Aveyan), Schulmeister/Dackel: Seumas Begg; Pfarrer/ Dachs: Seungweon Lee; Haraschta (Geflügelhändler und Jäger): KS Paul Brady; Pasek, Gastwirt: Seung Jin Park; Füchsin: Stephanie Hershaw; Fuchs: Emily Dorn; Specht/Förstersfrau: Dorothee Bienert; Grille: Selma Brok, Heuschreck: Victor Christofaro, Frosch: Danylo Salo, Schopfhenne: Friederike Hansmeier, Hahn: Danyl Salo, Eule: Sharon Starkmann, Mücke; Sandro Monti, Frau Pásek: Ester Vis, Försters Enkel: Lea Bublitz, dessen Freund: Julia Wagner, Eichelhäher: Gabriela Heesch, junges Füchslein: Charlotte Rabbels.
Eine rundum entzückende Aufführung mit ganz reizenden behänden Füchsen, mit gleißenden Sopranen (aber wie singen denn eigentlich Füchse ?) präsentiert eine phantasiereiche und kunstvolle Inszenierung, voller tänzerischer Anmut choreografiert und bühnentechnisch geschickt austariert und ausgeleuchtet, mit einem spielerisch hingebungsvollen Ensemble, das dem minimierten Sprechgesang inhaltliche Transparent gibt und einem Sängerpotential, das der hohen Anforderung der märchenhaft-romantischen Erzählung humorvoll und spritzig eine gültige Realität verleiht. Ein beglückendes Erlebnis mit einem Orchester, das ein farbiges und nuanciertes Spiel – zwischen einer ihren natürlichen Gesetzen folgenden Tierwelt und menschlicher Melancholie und Orientierungslosigkeit – voller Lebensklugheit und Sinngebung kraftvoll begleitet.
Momentaufnahmen von Natur und Mensch
Mensch und Natur sind symbiotisch miteinander verbunden. So stellt die vom unzufriedenen Förster gefangene Füchsin zugleich sein geliebtes, wildes Zigeunermädchen dar, das auch von seinen Dorffreunden gleichermaßen begehrt wird, vom frustrierten Lehrer, dem mitleidlosen Jäger und vielleicht auch dem heimwehkranken Pfarrer. Für die verbitterten Ehefrauen stellt das Fuchsmädchen aber nur eine flohbefallene Lästigkeit da, die den tollpatschigen Hofhund ärgert und den aufgeblasenen Hühnern nachstellt.
Das Leben der Menschen scheint aus dem Gleichgewicht. Der Natur entfremdet, betrachten sie diese nur mehr als Objekt jeglicher Begierde, wie den Pelz des Fuchses als Geschenk für die begehrte Zigeunerin. Auf und vor der Bühne gestalten sich andeutungsweise Wald und Försterhaus, wo sich die Auseinandersetzungen zwischen den Menschen abspielen, während sich allerlei buntes Getier, Insekten, Vögel, Dachs und Füchse einen beinahe menschenähnlichen Disput liefern, wobei der Humor sich gleichermaßen verteilt – auf die Schwatzhaftigkeit der Elster, nicht ohne Grund als Doppelbesetzung für des Lehrers Frau, die Listigkeit der Füchsin, die den dicken selbstsüchtigen Dachs aus seiner Behausung jagt, um sich dann selbst ihr Nest dort einzurichten, die hämischen Chöre des Vogelnachwuchses und der quakenden Fröschlein, die sich in ihrer Rolle behaupten müssen. Denn die Natur, das wissen alle, ist letztlich unbarmherzig, so wie es Hunger und Durst und Sturm und Regen, Eis und Schnee und das menschliche Eingreifen mit sich bringen. Da ist der Jäger, der mit dem Fuchsmädchen ringt, dass sich endlich aus dem Käfig des Försters hat befreien können und nun umschmeichelt wird von dem Fuchsfreund, mit dem es sich ein gar tänzerisches, verführerisches Spiel liefert. Großartig, wie sich diese beiden Menschentiere umeinander winden und schlängeln, eine Balz, die natürlich in der Höhle und zu guter Letzt mit einem großen Kinderchor endet, von dem lästerlichen Schnabel der Klatschweiber-Stare kommentiert.
Alles aber hätte alles nur die halbe Wirkung ohne die wundervollen Tiermasken, die für das Atmen der Sänger transparent gestaltet sind und dennoch so eine starke Ausdruckskraft haben, dass jedes Wort, das gesungen und gesprochen wird, doppeltes Gewicht erhält. Außer natürlich bei den Männern, die mit soliden Baritonen und kräftigem Bass ihre bürgerliche, beschwerliche Rolle spielen. Aber sie sind auch ebenso bemitleidenswert, denn sie sind weder zufrieden noch bereit, ihr Leben neu zu gestalten. Bis auf den Förster, der dann doch begreift, das Leben und Tod miteinander so eng verbunden sind wie der Mensch mit der Natur. Und er widmet sich am Ende, den Verlust der Geleibten verschmerzend, dem Gesang der Vögel, der Sonne, dem Wald und aller Natur zu, die ihm Frieden versprechen.
Ein Spiel zwischen Märchen und Menschenwelt, zwischen Sprache und Musik. Mit viel Musik und eigentlich nur wenigen, aber bedeutungsvollen Sätzen, die eine klare Botschaft in der Philosophie slawisch-russischer Mentalität beinhalten. Für den Komponisten zeichnen sich Sprachmelodien wie ein „Fenster zur menschlichen Seele“ aus und bilden die Eigenartigkeit und Einzigartigkeit menschlicher Charaktere. Man muss die Sprache nicht verstehen, wenn man einen Sinn für Tonfall und Gestik, für Mimik und Verhalten bewusst beobachtet und erkennt, was er andere fühlt und mitteilen möchte. Für Janacek war das der Weg zu seiner Musik: was uns als schrill vorkommt, ist Eifer oder Wut oder Verzweiflung oder der Schrei nach Freiheit wie bei den Füchsen so bei den Menschen… Und was zärtlich und leise schwingt, erzeugt auch bei uns gleichartige Gefühlsimpulse und Sinneseindrücke. Das ist wunderbar in dieser kleinen Oper: Wenn Mücken schwirren, Frösche quaken, Meisen zirpen und Stare ihre Lockrufe in die Welt hinaustrompeten, wenn Nachtigallen um ihrer selbstwillen dreistrophig zwitschern oder Mücken zurren bevor sie zustechen – das zeigt eine große Lebenserfahrung endloser Betrachtungen und findet für den Künstler die sinnliche Übertragung in ihrer musikalischen Phantasie. A.C.