La Traviata, OL

Oper von Guiseppe Verdi, Libretto von Francesco Maria Piave,

nach dem Roman “Die Kameliendame” von Alexandre Dumas d.J.

Oldenburgisches Staatstheater, 2025

Musikalische Leiitung Carlo Goldstein; Violetta Valery: Sarah Vautout (alsGast); Alfreedo Germont:Luis Olivares Sandoval (als Gast), Giogrio Germont: Juhyean KIm (als Gast), Flora Bervoix: Dorothee Bienert; Annina: Friederike Hansmeier; Gastione: Seumas Begg; Marone Douphol: KS Paul Brady; Marchese d’ Obigny: Irakli Atanelishvili; Dottore Grenvil: Seungweon Lee , Diener Floras: Seung Jin Park und Philip Zehnoff, Violettas Double: Selma Goebel

Opernchor des Ol Staatstheaters, Odlenburgisches Staatsorchester, Statisterie des Staatstheaters

La Triviata oder der Versuch, eine große lovestory zu banalisieren

Bereits bei den ersten Takten schwelgt man förmlich mit der elegischen Musik in höchster Verzückung und vergisst die schnöde Welt um sich herum. Und dann folgen die kostbarsten Arien der Opernliteratur, eine nach der anderen, hingebungsvoll, leidenschaftlich, verzweifelt, traurig – alles ist nur schöner Schein, während auf der Bühne die elegante Welt der betuchten Herren und die armselige Zwischenwelt der Damen in glitzernden und gleißenden Roben im Walzertakt harmonisch über die Fläche fächelt und man nun der verflixten Verwechslungen harrt, die unweigerlich kommen und dieses unvergängliche  Liebesdrama von Liebe und Verzicht auf die willigen Opernfreunde niederschmettern werden.

Aber- diesmal ist es anderes, die Musik ist müde und matt zu Beginn, die Damen und Herren räkeln sich absolut verlottert in irgendeinem zweitrangigen Bordell, spärlich, lächerlich oder gar nicht bekleidet, und kein Hauch von verkündeter fröhlicher Ausgelassenheit und Lebenslust, schon gar nicht von Romantik, gleitet durch die Luft. Die schöne Violetta als Double zeigt auf einem spartanischen Lager ihren entblößten Körper, eine Rückenansicht, die nicht entzückt, während ihr Lover seine Hosenträger zurechtrückt und sich, ein paar flatternde Scheine hinterlassend, schweigend empfiehlt.

Violetta, die berühmte Kurtisane jener Zeit, lässt ihre Freunde die „Nacht erhellen“, leidet jedoch schon sehr unter der Gewissheit ihrer tödlichen Krankheit und bespricht sich mit ihrem Arzt, während einer ihrer Liebhaber, der Vicomte Gaston, plötzlich Alfred Germont zu Violetta führt und die beiden auf sehr direkte Art zu verkuppeln versucht. Geschäftlich sozusagen. Eine neue Ebene. Zwischen Alfredo und Violetta entspannt sich ein durchaus geistreiches wie verwirrendes Flirtspiel. Trinksprüche sollen das Leben feiern, solange es noch eine Zukunft verspricht. Der Chor preist im dumpfen Walzertakt immer wieder das leichte Dasein der Vergnügungslust in verstörendem Ambiente. Violetta ist recht skeptisch gegenüber Alfredos Liebesbezeugungen, doch allmählich weichen ihr Widerstand und ihre geschäftsmäßige Freundlichkeit, und sie fühlt plötzlich den hellen Lichtstrahl, der in ihren letzten Lebensabschnitt einfällt mit plötzlich erwachtem Stimmglanz… Das ist eine sehr schwer zu spielende Einführungsszene. Dass sie hier verkümmert, ist zu bedauern. Aber  dann folgt doch der erste bewegende Tiefgang mit Violetta, die sich ihrer Chance jäh bewusst wird, noch einen Glimmer von Liebe zu erhaschen. Der Ur-Text wäre nachlesenswert. Alfredo, der bereits sehr intensiv um sie wirbt, könnte vielleicht noch mehr Nuancen der großen Liebe, die er lange aus Schüchternheit zurückgehalten hat, zeigen. Aber zunächst scheinen sich alle auf herbstliche Unterkühlung eingestellt zu haben.

Die Bühne ist lieblos dunkel bis schwarz und bleibt auch überwiegend so bis auf eine Ausnahme: wenn Violetta die wenigen glücklichen Wochen bei ihrem Geliebten auf dem Lande verbringen kann. Dann leuchtet ein goldgelbes Feld voller Sonnenblumen, also keine Kamelien, denn von Anfang an ist die Sonnenblume das Symbol dieser überaus leuchtenden Liebe. Es wird begleitet von herzinnigen Arien von Alfredo, der sein Leben, seine Liebe und sein Glück preist, die führende Melodie aufgreifend. Bis das Dienstmädchen Annina frisch und fröhlich jegliche Besinnlichkeit fortsingt und verkündet, dass sie für Violetta in Paris deren Hab und Gut veräußert habe.

Die tiefe Bestürzung, die Alfredo in seinem Männer- und Beschützerstolz kränkt, verhindert dramaturgisch eine rechtzeitige Aussprache zwischen dem Liebespaar und ermöglicht so den fortschreitenden Untergang iher Beziehung. Denn Violetta, die einen Geschäftsmann erwartet und sich freundlich für  eine entsprechende Verhandlung gewappnet hat, tritt jedoch überraschend ihrem Schwiegervater, also Giorgio Germont gegenüber, der, wie ein unbeweglicher sturer Buchhalter auftritt und so auch sein Anliegen zunächst sachlich und geschäftsmäßig vorträgt. Trotz aller Sympathie, die er dann doch für die gefallene Geliebte seines Sohns empfindet (schließlich war ja wohl auch seine Generation Stammgast einschlägigen Etablissements) besteht er auf ihren Verzicht auf Alfredo zugunsten des guten Leumunds seiner Familie. Und die arme Violetta hat keine Chance, diesen Holzklotz, der bigott und engstirnig die Moral seiner Zeit als Festung verteidigt, zu erweichen. Jetzt kommt die große dramatische Stimmführung der schönen Gastsängerin zur Geltung, die mit mit hinreißender Inbrunst um ihre Liebe und ihr Leben weinend wirbt und fleht.

Denn dieses ist ein Drama mit einer unglaublichen Ausformung der musikalischen und stimmlichen Variationen in allen Gefühlslagen, die der Menschheit und dem Künstler, der sie mit seinen Mitteln wiederzugeben versteht, gegeben sind. Eine Musik zur Lebensbejahung wie auch zum zum intensiven Mitleiden, das kein Ende nehmen will.

Nachdem Orchester und Chor mehr Schwung in die sich nur allmählich erwärmende Story gebracht haben, erwacht auch Sarahs Voutours‘ Valerie zu voller leidenschaftlicher Hingabe, und sie formt eine mitleidige, eine  leidende, sich für eine bigotte dumpfe Gesellschaft opfernde verschenkende Frau, wie sie ja als großartige Protagonistin für diese Oper von Verdi für seine zweite Frau, die sehr unter Missachtung ihrer Umwelt zu leiden hatte, nach dem Roman von Alexandre Dumas erschaffen wurde.

Die „Ausgestoßene, La Traviata“, ist eine todkranke Kurtisane, die ihr leichtlebiges Dasein mit einer ernsthaften, wenn auch nur kurzlebigen Liaison vertauschen darf. Luis Olivares Sandoval schenkt uns  einen sehr sanften, hingebungs- und verständnisvollen Liebhaber, dem sein wohl auch beinahe etwas naives jugendliches Gemüt allerdings einen schweren Strich durch das Leben macht, als er Violetta zurück in ihrem alten Milleu finden muss. Natürlich weiß der arme Alfredo nichts von der Intervention des Vaters, der für die Schicklichkeit und Akzeptanz seiner Familie einen Verzicht Violettas auf die Verbindung mit seinem Sohn Alfredo gefordert hat. Das er in unerträglich egoistischer und bigotter Art noch Violetta blendet, indem er sie auf Gottes Gebote hinweist, ist ein harter Affront des Dichters gegen die damalige heuchlerische Gesellschaft! Auch diese Szene findet wieder im unangenehmen Ambiente des Anfangs statt, was erneut eine Irritation zwischen der visuellen mit der musikalischen Kongruenz ergibt.

So ist diese Verwicklung, dieses Nichtwissen der Auslöser  für Violettas Psyche, ihrer fortschreitenden Krankheit keinen Widerstand mehr leisten zu können. Jeder Dichter hat so viel psychologisches Gespür. Erst jetzt beginnt sich das musikalische Drama zu entfalten, wie auch Violettas Stimme und auch die ihrer Freundin Flora und der variierenden Männer auf dem Galanterieparkett. Schöne starke Partien zeigen uns die Herren Lee, Begg und Brady, wenig Spiel allerdings, wenig Bewegung, da doch die Zeit der statisch herumstehenden Protagonisten ist eigentlich längst passé ist. Es scheint so, dass Violetta allein in den langen und schweren Arien ihrer Leidensgeschichte dominierend das Spiel in absoluter Übereinstimmung mit dem hervorragenden Orchester bestimmt und vorantreibt. Dass die Regie sich am Ende eine Doppelbesetzung erdacht hat, ist nicht verkehrt, denn so hat Violetta, allein gelassen von allen Freunden und Liebhabern, alle Kraft, ihr Leben zu bewältigen und den Tod zu bejahen, weil Alfredo in der Sterbestunde noch nicht bei ihr sein kann. Er wird parallel die sterbende auf dem kargen Lager sorgenvoll zurückgelassene Violetta beweinen und um Verzeihung anflehen.

Nach dem Jubel, den Höhenflügen der Liebenden, der Erfüllung jahrelangen Sehnens und Hoffens und einer neuen Freiheit steht am Ende ein letzter Funken Glut und Feuer im Aufbegehren gegen die endliche Dunkelheit des Todes als Gewissheit einer ewigen Liebe gegenüber. Dank sei den Sängern für die Vermittlung dieser Erkenntnis. Es sind die großen Arien und Duette in der Liebeswelt der dramatischen Opernliteratur, die uns noch in dieser an Reizen aller Art verdichteten Welt  an etwas erinnern, was wichtiger ist als Amüsement,  Wohlstandssorgen, Flug- und Zugverspätungen, Steuererhöhungen oder Beziehungsgeflechte ohne Leidenschaft. A.C.

 

 

 

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