Besuch bei Mr. Green

von Jeff Baron
Schlosspark Theater Premiere am 14.9. 2011  
deutsch von Ulrike Syha
Uraufführung 1996 in Berkshire, Theatre Festival
 Regie: Philip Tiedemann, Bühne/Kostüm: Stephan von Wedel; Musik: Jörg Gollasch

mit: Michael Degen als Mr.Green und Steffen Schröder als Ross

 

Maßgeschneidert

Einen granteligen alten jüdischen Eigenbrötler mit allen Macken und senilen Eigenarten darf und kann nur ein Schauspieler wie Michael Degen spielen, der in diesem leider viel zu kurzen Stück jeden Augenblick zu einem Erlebnis werden lässt, der einen Charakter so ausformt, dass er zu einer vielschichtigen Persönlichkeit wird. Der 1974 in München geborene Steffen Schröder – als sein Juniorpartner – hat allerdings genügend Erfahrung und ausreichend temperamentvolles Theaterblut, um auf gleicher Stufe bestehen zu können. Es ist ein spannender, erfreulicher Abend, den man von Zeit zu Zeit am Schlosspark Theater erneut erleben kann.

Der Plot ist dankbar: Ein junger Mann, mit Namen Ross, der im Straßenverkehr Mr.Green beinahe angefahren hätte, wird vom Gericht verurteilt, einmal in der Woche dem 86jährigen Witwer im Haushalt zu helfen. Beide sind ziemlich unwillig und dem anderen gegenüber sichtbar abgeneigt; Für diesen Mr.Green gibt es rein gar nichts Erfreuliches mehr im Leben, er lebt in Bergen von Telefonbüchern, hat allerdings das Telefon abbestellt, isst nicht, geht wohl nur selten aus dem Haus, fristet ein trauriges Dasein – vergrämt und verbittert. Doch wie dieser Ross –   mal im akkuraten Büroanzug, dann wieder im lässigen Freizeitoutfit- den alten Mann stur und unberührt (und durchaus nicht immer begeistert) aus der Isolation holt, ihn mit leckerer Suppe verführt und ihm die Leviten liest, das ist schon bemerkenswert. Und wie dieser dann langsam aus seinem Kokon kriecht, als er feststellt, dass Ross nicht nur auch Jude, sondern zudem ein unvermeidliches Übel ist, da geschieht beinahe in psychologischer Zeitlupe ein Wunder. In wechselnder, zunächst ablehnender, sich verweigernder und dann sich anpassender Körpersprache und Mimik nimmt Degens Mr. Green das Angebot einer neuen zwischenmenschlichen Beziehung auf. Trotz auf der einen Seite und Beharrlichkeit auf der anderen führen irgendwann die beiden Männer zusammen – allerdings müssen beide Federn lassen, Vorurteile aufgeben, sich sozusagen voreinander seelisch entblößen, ihre Leichen im Keller aufdecken. Das ist erschütternd ohne sentimental zu sein, das spielen sie berührend, ohne sich gefällig beim Publikum anzubiedern.

Sie lernen nicht von einander, sondern eigentlich völlig entgegengesetzt; der eine, der Junge, wird zu seinem Schicksal und den damit verbundenen Herausforderungen stehen – der andere, der Alte, wird seinen Starrsinn und damit seine strenge jüdische Sicht aufgeben müssen, um wieder ein lebendiger Mensch zu werden. Beide übrigens werden ihr Leben neu erfahren – und dabei sitzen sie am Ende nur stumm auf der abgedunkelten Bühne vor dem hellen Schein eines neuen Tages – einer neuen Zukunft – nebeneinander. Wie Vater und Sohn, wie zwei Menschen, die das Schicksal mit Bedacht zusammengebracht hat. A.C.

Das Stück lief 1997 in New York ein Jahr lang en suite, wurde in 22 Sprachen übersetzt und in 40 Ländern aufgeführt und gewann jede Menge Preise. Überzeugend ist ganz sicher auch 2001 Fritz Muliar als Mr. Green in einer Produktion des Theaters in der Josefstadt in Wien gewesen.

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