Quartetto, B, 2016

von Ronald Harwood
Deutsch von Janice Probert-Gromüller und Albert-Reiner Glaap

Renaissance Theater Berlin, 2016 Wiederaufnahme

Regie:Torsten Fischer, Ausstattung Herbert Schäfer, Vasillis Triantafillopoulos, Musikalische Leitung Harry Ermer
mit Karan Armstrong, Victor von Halem, René Kollo und Ute Walther; am Flügel: Harry Ermer/Jarkko Riihimäki

Sic transit gloria mundi

Wer solch ein berühmtes und beliebtes Spiel umschreibt, neu definiert und arrangiert, muß schon gute Gründe haben, um seine eigenwillige Bühnenadaption zu rechtfertigen. In einer alten Version spielte die alte “Tribüne” dieses Stück wie auch Film und Broadway-Bühnen in einer mit köstlicher Selbstironie gespickten, hübsch verpackten Darstellung verschiedener Künstler-Charaktere. Niemals aufringlich, liebevoll ironisch, mit leichten Seitenhieben gegen Eigenliebe und Selbstsucht der Künstler im ganz Allgemeinen und der älteren Spezies im Besonderen, zumal sich ja bekanntlich im Alter die   Eigenschaften verdichten. Und so finden sich in einem kultivierten, aber finanzschwachen Seniorenstift   mit besorgter und toleranter Betreuung lauter Musiker und Sänger wieder, die sich noch aus alten Tagen, in denen sie von Applaus umtost auf  der Bühne brillierten und ihre Erfolge glückselig  auskosteten.  Doch die meisten von ihnen sind noch immer recht agil trotz allerlei Schrullen und Gebrechen, die sie überweigend als unvermeidlich akzeptieren.

Und es treffen, wie es der Dramatiker will, auch alte Liebschaften unverhofft wieder aufeinander, Animositäten und Feindschaften, aber auch alte Wunden brechen wieder auf. Und das nun mitten in der Probenphase, wo sich die lebendige Cecily (Karan Armstrong), der stets akkurate, penible und gestrenge Reginald (René Kollo) sowie der stets gut aufgelegte  Möchte-gern-Lover Wilfred (Victor von Halem) auf Verdis Geburtstag vorbereiten, um mit einer öffentlichen Gala wieder eine Finanzspritze für “ihr Heim” zu erhalten. Irgendetwas von Verdi wollen sie darbieten, und es wäre doch schön, wenn sie, wie einst in ihrer Hochzeiten, noch einmal das Quartett aus Rigoletto singen könnten – doch noch fehlt ihnen die vierte Partie… Und da kommt, wie vom Himmel geschickt- allerdings nicht für  Reginald – ein unerwarteter “Neuzugang”: mit der Ex von Reginald, deren Treulosigkeit der Ärmste niemals hat verwinden können. Und nun steht sie vor ihm, mit Ute Walther als eine energische Frau, die bis zuletzt dem Vorhaben der Drei wenig geneigt ist, sich anzuschließen. Das gibt Schauspielern das Salz in der Suppe, denn womit ließe sich schöner zanken und streiten als in gegenseitigen Schuldzuweisungen!

Und hier liegt ja nun der wunde Punkt: Über allen Reibereien, Ansprüchen, Verunsicherungen, kleinen Intrigen und Tricks steht die unverrückbare Tatsache, dass keiner von ihnen mehr über die volumiöse Stimmpracht aus der Jugend verfügt, und auch alles andere, Ausstrahlung, jugendliche Frische und Disziplin der Vergänglichkeit anheim gefallen sind. Wie und womit sie sich selbst und schließlich auch ihr wunderbares Vorhaben retten, wurde bisher autorengetreu inszeniert. Und man verließ die Aufführung mit einem Schmunzeln und der hübschen kleinen optimistischen Prognose, das auch die Last des Alters, wenn man sie einsichtig und würdevoll trägt, mit schönen Erinnerungen durchleuchtet eine gute Zeit sein kann.

Was sich allerdings nun die wieder ins neue Programm aufgenommene Inszenierung am Renaissance Theater anbietet, ist vermutlich der unverwüstlichen Schaffenskraft des mit allen Künstlerwassern getauften Altmeisters René Kollo, der einst als Startenor und Entertainer auf den großen Bühnen der weiten Welt stand und die Herzen aller Musikliebhaber gewann. Und hier steht er nun als einer der vier Protagonisten, der mit Strenge und Disziplin das Vorhaben vorantreibt und die drei anderen zu verzweifeltem, aber erfolglosen Protest treibt.  Nachdem er sich schnell mit seiner Ex versöhnt hat, steht dem Vorhaben nichts mehr im Wege, und während Karan Armstrong und Kollo ans Mikro treten und sehr hübsche Liebesslieder und Jazz-Klassiker aus der Schatztruhe des Broradway vortragen,  sehnsuchtsvoll Vergangenheit und Gegenwart miteinander in Einklang bringen, lassen sich Ute Walther würdevoll und Victor von Halem mit immer noch tiefgrundigem Bass überzeugen, in das große Quartett einzusteigen. Und sie singen es tatsächlich. Was zu Tränen rührt. Denn hier spielen nicht Schauspieler altgewordene Diven und Stars, sondern diese spielen sich selbst. Wären sie doch bei den liebevollen Oldies geblieben und hätten die Pointe, wie sie der Autor beabsichtigte, beibehalten! A.C.

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