Ein bisschen Ruhe vor dem Sturm

von Theresa Walser
Renaissance Theater
Regie: Guntbert Warns, Bühne und Kostüme: Momme Röhrbein


Spiel der Egomanen vor der Talkshow

Jeder wird diesen Theater-Attacken- Abend anders für sich auslegen – wer mittlerweile der underdog-Sprache und der Langeweile des um Originalität bemühten Regietheaters überdrüssig ist, wird sich auf die Seite des demagogisch begabten Schauspielers Franz Prächtel  schlagen, wer lieber die alten Regiekonzepte und Attitüden zu den Akten legen möchte, könnte in dem wütend aufbegehrenden Provinzschauspieler Ulli Lerch sein alter ego finden, und wer sich so gar nicht recht entscheiden möchte, mal hier mal dort sein Vergnügen findet, der darf sich so unentschlossen wie Peter Söst verhalten, der hier mit Guntbert Warns – zugleich verantwortlich für eine sich dezent zurückhaltende Regie – als Schauspieler das Unmögliche versucht: authentisch zu sein. Was immer das auch heißen mag, hier jedenfalls meint es den Versuch, aufzuzeigen, wie das Böse, das Vernichtende schlechthin, den Unhold Hitler in jeder Bewegung, in jeder Szene zu entlarven ist.

Um ihre Bühnen- und Rollenerfahrung geht es bei diesen drei Schauspielern, die sich kurz vor einer Talkshow miteinander beschäftigen und auf das Gespräch vorbereiten sollen. Denn sie alle haben Unmenschliches aus der stet präsenten Vergangenheit ans Licht gezerrt und im Film präsent gemacht. Jörg Gudzuhn zeigt einen prachtvollen Prächtel, auch wenn es uns hin wieder vor so viel wütendem Ego-Engagement graust. Aber ist unbestritten der Größte, um nicht zu sagen der GRÖFAZ in dieser, sich auf Sprache, Wortwitz, Mimik und Gestik konzentrierenden Inszenierung. Wenn er spricht, deklamiert er, wenn er spielt, überzeugt er, wenn er für seine Sache – das gute alte Theater – in den Ring steigt ( und zur Vorbereitung auf die Führerrolle in einer Parkinsonklinik das Zittern life erprobt) – dann kennt er keinen Kompromiss und schmettert jeden Widersacher erbarmungslos nieder. 

Ulli Lerch wird als der junge Kollege aus der Provinz weder akzeptiert noch als “nur” Goebbels-Darsteller ernst genommen. Und dieser Lerch, der doch die Möglichkeit hätte und nutzen könnte, die theatralisch mit allen möglichen Medien aufgepeppten, leidenschaftslosen inszenatorischen Versuche auf unseren  Bühnen zu verteidigen, wird von Robert Gallinowski als grollend beleidigter Wüterich dargestellt und damit der Chance beraubt, für seine alternative Sache zu argumentieren. Denn seine Vorfreude auf die Rolle eines der sieben Hamlets, die demnächst an seiner Heimatbühne als kurioses Beispiel für eine multiple Persönlichkeit des Dänenprinzen stehen, kann er kaum erklären noch auskosten. Blitzschnell zuckt die Zunge des “großen” Prächtel und vernichtet ihn in einem wunderbar satirischen Monolog, der Frau Walser wohl herzensrein aus der Feder geflossen ist. Keine Chance, sich verständlich zu machen, ein Für und Wider abzuwägen, einen Versuch zu starten, die wie auch immer gelungenen Ambitionen der multimedialen Bühnenshows zu analysieren. Gallinowski-Lerch flegelt sich maulend und verbiestert in seinen Stuhl, niedergestreckt von so viel Gegnerschaft. Denn auch der Dritte im Bunde der Egomanen, Peter Söst, nimmt ihn kaum zur Kenntnis. Er ist vollauf damit beschäftigt, seine eigene Sicht von Theater, Spiel und Identifikation zu verteidigen.

Die drei sind natürlich keine Film-, sondern eher reine Bühnenschauspieler, und hier in absoluter Weise von sich so überzeugt, wie man es nur sein kann. Und sie lassen – die Toleranz bleibt allein Lessing und Bruno Ganz überlassen – keinesfalls des anderen Meinung gelten, sondern gefallen sich im Spiegel ihrer Worttiraden und theatralischen Monologe. Voran der unnachahmliche Jörg Gudzuhn, der ein Kämpfer für das traditionelle Theater, für Stanislawski und Max-Reinhardt und – für sich selbst, seine Rollen im Leben und im Spiel ist: der sich angeblich selbst genügt, keines Publikums, ja nicht einmal eines Regisseurs bedarf – und wer weiß, wie eigenwillig die Autorin mit Regisseuren stets zusammenprallt, kann diesen Part gut nachempfinden. Dass Gudzuhn als Hitler und als Hamlet gewisse demagogische Allüren aufzeigt, sollte eher seiner übermächtigen Spiel-Leidenschaft zugeschrieben werden. Eine Identifikation mit der Hitlerfigur mag von der Autorin beabsichtigt sein, wird von Gudzuhn aber nicht akzeptiert. Er bleibt, was er ist: ein professioneller Mime, der verkörpert, was er verspricht. A.C.

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