Wald, OL
Schauspiel von Miriam V.Lesch
Uraufführung
Oldenburgisches Staatstheater 2024
Regie: Milena Laulovisc, Dramaturgie: Nora Hecker, Büne und Kostüme: Anike Sedello; Musik: Richard Hötter, Licht: Arne Waldi, Choreografie Input: Gabriel Galindez Cruz
mit A: Gerrit Frers, G: Karl Miller, Nachrichtensprecher: Kammerschauspieler Thomas Birklein, Fortfacharbeiterin: Katharina Shakina, Bambi: Paulina Hobratschk, Cäsar: Florian Heise, Plinius: Matthias Kleinert, Gräfin E.: Franziska Werner, Waldstimmen: Ensemble
Mein Freund, der Baum (Alexandra, Sängerin , 1942-1969)
Eine Buche auf dem Balkon
Neulich wurde im Radio ein Bericht gesendet über Forscher, die sich intensiv mit Wesen und Verhalten der Fruchtfliege befassen und alle Ergebnisse natürlich auch wissenschaftlich mit Begeisterung dokumentieren. Selbstverständlich behandeln die diese Tierchen sorgfältig und artgerecht, vielleicht sogar liebevoll…
…wie in diesem netten Theaterspiel der junge Mann seine hübsche, über Nacht auf dem Balkon emporgewachsene Buche, die er zunächst allerdings zwar gar nicht leiden kann und beim Gartenamt und Forstamt um ihre Entsorgung anfragt. Denn ob sein Balkon die wachsende Last tragen kann, wurde bisher noch nicht getestet. Warum auch.! Doch bei den Ämtern haben sie anderes zu tun, weil mittlerweile und unerwartet wie die Buche auf dem Balkon allerwärts in der Stadt Grün sprießt, Büsche, Bäume ungezügelt wachsen und, Insekten und Tiere auf der Straße lustig herumspanzieren und durch die Gegend flattern und– wie das Bambi und die Grillen – den Verkehr lahmlegen. Und nicht nur an den Häusern klettern die Pflanzen empor, sondern auch an den Menschen ranken sie bereits, wie an dem verunsicherten Rundfunksprecher, der so seltsame Nachrichten verkündet, dass in aller Welt ähnliche Vorkommen zu registrieren seien- bis ihm schließlich die Blätter den Mund verschließen.
Mittlerweile haben der Gärtner und die mit einer Motorsäge ausgestattete Forstamtsgehilfin sich mit dem Buchenbesitzer bei Zigarette und Wein sogar schon angefreundet. Während der Gärtner seinen Dienst quittiert hat, um als Landschafts- und Naturforscher künftig die neue Situation zu erforschen und schon mal mit wissenschaftlichem Eifer lange Monologe über Pflanzen und Erdzeitalter hält, findet das forsche Forstmädchen hier einen Freund zum Sushi im nahen Japanischen Restaurant, das hoffentlich noch nicht überwuchert ist.
Dann gibt es noch ein weiteres Paar, nämlich einen schmucken jungen Cäsar, den allen Lateinschülern bekannten Autor von „De Bello Gallico“, auch Kriegsherr und Eroberer u.a. von Gallien und dem Teutoburger Wald und natürlich Bauexperte. Allerdings finden er und sein ihn begleitender Dichter Plinius die einst so schnurgerade angelegte Heerstraße nicht mehr wieder. Die Natur hat sie im Laufe der Jahrhunderte verschluckt.
Dafür findet Cäsar eine strenge , ihm zugetane Gräfin, Gutsfrau und Waldbesitzerin, die um ihr Geld fürchtet, weil nur ja sicher die Löhne steigen bei so viel Rodungskosten, sich aber mit Cäsar als Trost zufrieden gibt.
Die Hochhäuser, die in Miniaturform die Bühne dekorieren und auch als Sitzmöbel oder als passende Sockel für die Größen der Geschichte benutzt werden können, verraten neue Dimensionen – Zivilisation contra Wildnis, wenn sie nicht gezähmt wird. Die Kleingärtner werden in ihren Parzellen künftig viel zu tun haben, wie es der schneidige Bürger geradezu mit wütender Leidenschaft vorführt, nämlich jede Menge Bäume abzusägen, um sein Gemüse und Obst anzupflanzen.
Das wird also die Zukunft alles bringen. Eigentlich eine interessante Vorstellung. Die Natur zwingt den Menschen, sich ihr anzupassen. Aber so neu ist das auch wieder nicht, denn geht man ein paar Jahrhunderte zurück, so gab es hier schon von gruseligen Tieren bevölkerte Wälder und nur wenig Ackerbau, um die einwandernden Menschen aus anderen Gebieten zu ernähren. Das Mass aller Dinge wieder zu finden, wäre eine Option.
Viel Spaß bei dem kleinen Kammerspiel! A.C.