Il Trovatore

von Guiseppe Verdi
Eine Inszenierung des Staatstheaters Cottbus
im Hans-Otto-Theater Potsdam
Musikalische Leitung: Evan Christ /Thomas Kalb
Regie: Martin Schüler; Ausstattung: Gundula Martin; Choreinstudierung: Christian Möbius; Dramaturgie: Bernhard Lenort

Der tragische Triumph des Troubadour

Diese Oper gehört neben “La Traviata” und “Rigoletto” zu Verdis gefühlsvollsten Kompositionen mit seelenvollen romantischen Melodien, die schon zu Lebzeiten des Komponisten zu den beliebtesten der Welt zählten – mögen sich Opernpuristen auch von dem Horror-Libretto abwenden und die Muse als zu leicht empfinden. Aber wer sagt denn, dass die Schwere des Schicksals, dass die Tragik glühender Leidenschaft und unerfüllter Liebe nicht auch jedermanns Herz berühren darf und soll – der Musikwissenschaftler mag sich derweil mit der Finesse oder ihrem Mangel an Tonfolgen auseinandersetzen. Fakt jedoch ist und bleibt: dass mit der Gastinszenierung des “Troubadour” aus Cottbus ein Augenschmaus und ein Hörgenuss die Bühne des Hans-Otto-Theaters in dieser Saison erobert hat und in diesem vereisten Winter ein wärmendes Wohlgefühl hinterlässt.

Das Geheimnis dieser Inszenierung, die nicht ein einziges Mal in die Trivialität abgleitet, ist die Kunst von Regie und Ausstattung, aus der oft überladenen Aufführungspraxis eine “Semiinszenierung” machen, das heißt, mit phantastisch ausgeleuchteten Bühnenbildern und wenig Requisiten ein musikalisch und darstellerisch konzentriertes Drama aufbauen. Drei Stunden lang flackert im Hintergrund des ersten Bühnenabschnitts ein Feuer – Sinnbild für den grausamen Aberglauben der Hexenverbrennung des Mittelalters als Reinigungssymbol und für die blinden, lodernden Leidenschaften der Menschen zu jeder Zeit. So behalten auch die explosiv geführten Charaktere der beiden ungleichen Brüder, die nichts von ihrer Blutsverwandtschaft wissen und sich nicht nur aus Eifersucht spinnefeind sind, ihre ewige Aktualität. Und die sich aus Liebe opfernden Frauen, wie die umworbene Hofdame Leonore und die verachtete Zigeunerin Azucena als unerbittliche Rächerin, erhalten ihre psychologische Zuspitzung in zeitloser Gültigkeit.

Azucena, man ahnt, dass sie es ist, die sich hinter dem zarten Nebel des Gazevorhangs schemenhaft verbirgt – ihre starre Gestalt neben dem Feuer scheint bereits ein Unheil anzukünden. Sie bleibt zunächst stumm und fern, lediglich ein gebeugter Rücken in dunkelroter Robe- während im Vordergrund Ferrando, des Grafen Hauptmann, einem düsteren Schicksalschor in dunklen Anzügen und seltsam steifen Hüten die grausige Vorgeschichte der angeblichen Verhexung des jüngsten Grafen Sohn und der gnadenlosen Verbrennung der Zigeunerin, die das Kind mit in den Flammentod zog, mit neu aufloderndem Hass erzählt. Dunkle und tiefe Wellen schlägt nun gleichsam mit dem Aufleben der dunklen Vergangenheit die bisher eher lyrische, poetische Erzählweise des Orchesters, und Tilmann Rönnebeck als demagogischer Ferrando (Baß-Bariton) kann sich der wütenden Resonanz seines Rates sicher sein.

Gewaltig und gewalttätig stellt sich fortan der in seiner Macht und seiner Sinnlichkeit unbeherrschte Graf Luna vor, und dass Andreas Jäpsel diesem Despoten doch zuweilen sympathische Züge verleiht, dann ist das seiner glaubhaft verzweifelten Darstellung des verschmähten Liebhabers zu verdanken. Für den “Troubadour”, eben jenem erfolgreichen Anführer der Revolutionäre, ein genialer Kämpfer und begabter Sänger noch dazu –  für Manrico also, des Grafen politischer Widersacher und Ziehsohn der Zigeunerin Azucena, ist es natürlich nicht schwer, den Zuschauer davon zu überzeugen, dass Leonore mit ihm die richtige Wahl getroffen hat! Seine Liebe allerdings ist so grenzenlos und nicht minder von blinder Leidenschaft getrübt wie die des Grafen, so dass er am Ende das Opfer der geliebten Frau für Verrat hält und somit alle in den Tod stürzt.

Für den jungen Jens Klaus Wilde eine glänzende Partie, die er mit leidenschaftlichem, kräftigem Tenor ausfüllt. Und Leonore? Warum in aller Welt trägt dies umworbene hellhäutige blonde Geschöpft nur   ein weißes langweiliges Spitzengewand, dass wohl an den Brautstatus erinnern mag, jedoch der überaus eleganten Garderobe ihrer Kammerfrau Inez (Anne Schierack mit starkem Mezzosopran) und auch Azucena’s Eleganz nicht im geringsten standhält? Dafür fügt sie sich in ihre Rolle zunehmend locker und selbstverständlich ein und führt ihren schönen vollen Sopran hingebungsvoll durch alle Strapazen des Schicksals bis zum großen Liebesopfer. Geschickt lenkt Evan Christ, der an diesem Abend die musikalische Leitung übernommen hat, das Orchester durch alle emotionalen Höhen und Tiefen des Dramas und läßt den Sängern stets den Vortritt, ja, er zügelt sogar den Chor aus dem dunklen Off zu derart sphärenhafter Entrückung, dass die berühmte Stecknagel hier zu einem Kracher werden könnte.  

Heidi Jütten tritt an diesem Abend als Azucena auf, und mag ihr Mezzo auch nicht die gewohnte Brisanz erreichen, so beherrscht sie doch jede Szene, ob stumm oder klagend, ob als Mutter verzweifelt an die Vernunft ihres Manrico appellierend oder herzerweichend im halben Wahn der Erinnerung an das Feuer, dass ihre Mutter und ihren eigenen Sohn in den Tod nahm. Diese Frau hat Grandezza, und eine große innige Ausstrahlung, die ihr als furienhafte Rächerin und als verzweifelte Mutter gleichermaßen eine erschütternde Intensität verleiht. 

Nicht ganz eindeutig ist die Regieposse, die Vertreter der Macht und des Volkes, gleichermaßen vor kommendem Unheil warnend und die Tragödie witternd, wie die Chikago-Gang eines Unterwelt-Trusts auftreten zu lassen. Sie gleichen wohl eher den Brecht’schen Ja-Sagern, die dem Despoten huldigen und dem Volk die romantische Verklärung eines freien “Zigeunerlebens” mit lächerlichen Gesten verargen möchten. Die läßt die Choreographie sie ebenso zackig wie unheimlich erscheinen. A.C.

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