Die Erfindung des Jazz im Donbass, HB

nach dem Roman von Serhij Zhadan
aus dem Ukrainischen von Juri Durkot und Sabine Stöhr
in einer Theaterfassung von Armin Petras
mit ukrainischem Übertext

Theater am Goetheplatz, 2024
Regie: Armin Petras, Bühne und Zeichentrick Peta Schickart, Kostüme Annette Riedel, Musik Johannes Hofmann, Dramaturgie Klaus Missbach; u.a.

mit: Ferdinand Lehmann Erzähler Hermann), Alexander Swoboda Kotcha, Mechaniker, Alkoholiker, Opfer), , Andreas Leupold (Schura), Susanne Schrader (Busfahrerin), Simon Zigah (Priester, Soulsänger !), Lisa Guth (Pachmutowa/Hund), Patrick Balaraj Yogarajan (Maiskönig), Christian Freund (Kolja), Maria Tomoiaga (Katja) u.a.

Warten auf eine bessere Welt

Es ist immer dasselbe Muster in den Inszenierungen von Armin Petras: Ein schwer durchschaubares Durch- und Miteinander einer Menge schlecht gekleideter Menschen, die sich irgendwann in Individualitäten verwandeln und sich in ihrem traurigen Dasein recht und schlecht arrangieren. Es bleibt sprachlich nur wenig in dieser Zusammenfassung eines sehr schönen Romans wirklich zurück: Es fehlt die Feinheit der Poesie, mit der der ukrainische Autor sein gebeuteltes Land liebevoll und voller Verständnis mit wunderbaren Metaphern beschreibt, die in dieser Theaterversion nicht aufgefangen werden können.

Da der Roman, erzählerisch vielfältig und mit feinem Humor gewürzt, sich in der einer Zwischenzeit – 90er Jahre – abspielt, als der russische Übergriff gerade überwunden scheint, der Kapitalismus sich aber ganz schrecklich bereits als „Maismafia“ in den ländlichen wohlhabenden Gegenden mit seiner Gier entblößt, und sich die Nostalgie der Menschen noch zwischen Realität und Wunschdenken abspielt, herrscht zumindest mental wirklich noch ein diffuses Dasein. Alles in ein nationales gelb-blaues Farb- und Lichtspiel getaucht.

Aber die kleine Poesie, die die Inszenierung noch mit nett gebastelten kleinen Attrappen von Häuschen, Landschaft und Autos versucht darzustellen, geht in zuweilen auch in den nur undeutlich zu verstehenden Dialogen unter, die das auch sehr unterschiedliche Schicksal der Menschen hier im Donbass andeuten. Ein bisschen erklärt sich nach und nach zwar der Handlungsablauf, dessen satirische Szenen aber eigentlich angesichts des tragischen Endes nicht angemessen erscheinen: Hermann, ein arbeitsloser Akademiker, wird zu nächtlicher Zeit durch einen Anruf aufgerüttelt, in dem ihn Kotscha (hervorragend Alexander Swoboda), der Tankstellen-Partner seines Bruders aus dem Donbass zur Hilfe ruft, weil er plötzlich allein und finanziell hilflos dasteht. Hermanns Bruder hat ihn kommentarlos für immer wohl verlassen.

Hermann nimmt eine skurrile Fahrt mit einem Bus voller ausgeflippter Hippies auf sich, legt nach der Erlahmung des altersschwachen Gefährts zu Fuß die restliche Strecke durch Steppe und Felder bis ins Dort zurück, wo an deren Rand die Tankstelle und Kotscha ums Überleben kämpfen und sich ein orientierungsloser Freundeskreis durchs Leben schlägt. Ein dubioses Männerteam versucht indes, Hermann die Tankstelle abzuschwatzen, deren gute Lage späteren Gewinn verspricht. Zunächst gutmütig, dann später mit brutaler Gewalt wird hier der Turbo-Kapitalismus aufgespießt, der sich in den Ostgebieten nach der Perestroika breitmachte und die Bevölkerung zum Teil wiederum in ein neues Elend stürzte.

Das ganze Spektakel ist vielfältig verworren und auch ziemlich blutig, mit einem real knatternden Moped, aber wenig erhellendem, authentischen Text, dafür mit  klarer politischer An- und Aussage : Achtung vor dem westlichen Kapitalismus. Der Hinterlassenschaften, reichlich Schrott aus dem Weltkrieg Zwei, und der überall latent spürbare Stalinterror sind zwar noch längst nicht bewältigt, aber der Westen bringt eigentlich auch nicht viel Gutes. Das war‘s dann eigentlich.

Wäre da nicht der titelgebende, viel zu wenig gespielte und gesungene Jazz, der dann wohl doch bereichernder Westimport gewesen ist. Vor allem der Sänger Simon Zigar besticht mit seinem  Wohlfühltenor und zeigt, welche Poesie auch über einer schweren Zeit liegen kann, wenn man sich auf die Kunst besinnt. Und die ebenso wehmütigen wie auch hoffnungsvollen Freiheitslieder von Serhij Zhadan (” was uns erwartet, ist Leere und Vergessen, was uns erwartet, ist Liebe und Erlösung”) eint dann doch Sänger, Künstler, Handwerker, Alkoholiker, Liebende und  Loser Im Jahr 1990 an diesem Ort einer visionären besseren Zukunft, am Rande der großen Weizen- und Maisfelder, wo man in jenen Jahren noch auf eine bessere Welt hoffte. A.C.

Deshalb: unbedingt selber den Roman und Weiteres von Serhij Zhadan lesen!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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DIE ERDUNG DES JAZZ IM DONBASS

nach dem Roman von Serhij Zhadan
aus dem Ukrainischen von Juri Durkot und Sabine Stöhr
in einer Theaterfassung von Armin Petras
mit ukrainischem Übertext

Theater am Goetheplatz, 2024
Regie: Armin Petras, Bühne und Zeichentrick Peta Schickart, Kostüme Annette Riedel, Musik Johannes Hofmann, Dramaturgie Klaus Missbach; u.a.

mit: Ferdinand Lehmann Erzähler Hermann), Alexander Swoboda Kotcha, Mechaniker, Alkoholiker, Opfer), , Andreas Leupold (Schura), Susanne Schrader (Busfahrerin), Simon Zigah (Priester, Soulsänger !), Lisa Guth (Pachmutowa/Hund), Patrick Balaraj Yogarajan (Maiskönig), Christian Freund (Kolja), Maria Tomoiaga (Katja) u.a.

Warten auf eine bessere Welt

Es ist immer dasselbe Muster in den Inszenierungen von Armin Petras: Ein schwer durchschaubares Durch- und Miteinander einer Menge schlecht gekleideter Menschen, die sich irgendwann in Individualitäten verwandeln und sich in ihrem traurigen Dasein recht und schlecht arrangieren. Es bleibt sprachlich nur wenig in dieser Zusammenfassung eines sehr schönen Romans wirklich zurück: Es fehlt die Feinheit der Poesie, mit der der ukrainische Autor sein gebeuteltes Land liebevoll und voller Verständnis mit wunderbaren Metaphern beschreibt, die in dieser Theaterversion nicht aufgefangen werden können.

Da der Roman, erzählerisch vielfältig und mit feinem Humor gewürzt, sich in der einer Zwischenzeit – 90er Jahre – abspielt, als der russische Übergriff gerade überwunden scheint, der Kapitalismus sich aber ganz schrecklich bereits als „Maismafia“ in den ländlichen wohlhabenden Gegenden mit seiner Gier entblößt, und sich die Nostalgie der Menschen noch zwischen Realität und Wunschdenken abspielt, herrscht zumindest mental wirklich noch ein diffuses Dasein. Alles in ein nationales gelb-blaues Farb- und Lichtspiel getaucht.

Aber die kleine Poesie, die die Inszenierung noch mit nett gebastelten kleinen Attrappen von Häuschen, Landschaft und Autos versucht darzustellen, geht in zuweilen auch in den nur undeutlich zu verstehenden Dialogen unter, die das auch sehr tragische Schicksal der Menschen hier im Donbass nur andeuten. Ein bisschen erklärt sich nach und nach zwar der Handlungsablauf, dessen satirische Szenen aber eigentlich angesichts des tragischen Endes nicht angemessen erscheinen. Der Handlungsablauf – Hermann, ein arbeitsloser Akademiker, wird zu nächtlicher Zeit durch einen Anruf aufgerüttelt, in dem ihn Kotscha (hervorragend Alexander Swoboda), der Tankstellen-Partner seines Bruders aus dem Donbass zur Hilfe ruft, weil er plötzlich allein und finanziell hilflos dasteht. Hermanns Bruder hat ihn kommentarlos für immer wohl verlassen.

Hermann nimmt eine skurrile Fahrt mit einem Bus voller

ausgeflippter Hippies auf sich, legt nach der Erlahmung des altersschwachen Gefährts zu Fuß die restliche Strecke durch Steppe und Felder bis ins Dort zurück, wo an deren Rand die Tankstelle und Kotscha ums Überleben kämpfen und sich ein orientierungsloser Freundeskreis durchs Leben schlägt. Ein dubioses Männerteam versucht indes, Hermann die Tankstelle abzuschwatzen, deren gute Lage späteren Gewinn verspricht. Zunächst gutmütig, dann später mit brutaler Gewalt wird hier der Turbo-Kapitalismus aufgespießt, der sich in den Ostgebieten nach der Perestroika breitmachte und die Bevölkerung wiederum in ein neues Elend stürzte.

Das ganze Spektakel ist vielfältig verworren und auch ziemlich blutig, mit einem real knatternden Moped, aber wenig erhellenden, authentischem Text, dafür mit  klarer politischer An- und Aussage : Achtung vor dem westlichen Kapitalismus. Der Hinterlassenschaften, reichlich Schrott aus dem Weltkrieg Zwei, und der überall latent spürbare Stalinterror sind zwar noch längst nicht bewältigt, aber der Westen bringt eigentlich auch nicht viel Gutes. Das war‘s dann eigentlich.

Wäre da nicht der titelgebende, viel zu wenig gespielte und gesungene Jazz, der dann wohl doch bereichernder Westimport gewesen ist. Vor allem der Sänger Simon Zigar besticht mit seinem  Wohlfühltenor und zeigt, welche Poesie auch über einer schweren Zeit liegen kann, wenn man sich auf die Kunst besinnt. Und die ebenso wehmütigen wie auch hoffnungsvollen Freiheitslieder von Serhij Zhadan (” was uns erwartet, ist Leere und Vergessen, was uns erwartet, ist Liebe und Erlösung”) eint dann doch Sänger, Künstler, Handwerker, Alkoholiker, Liebende und  Loser Im Jahr 1990 an diesem Ort einer visionären besseren Zukunft, am Rande der großen Weizen- und Maisfelder, wo man in jenen Jahren noch auf eine bessere Welt hoffte. A.C.

Deshalb: unbedingt selber den Roman und weiteres von Serhij Zhadan lesen!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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DIE ERDUNG DES JAZZ IM DONBASS

nach dem Roman von Serhij Zhadan
aus dem Ukrainischen von Juri Durkot und Sabine Stöhr
in einer Theaterfassung von Armin Petras
mit ukrainischem Übertext

Theater am Goetheplatz, 2024
Regie: Armin Petras, Bühne und Zeichentrick Peta Schickart, Kostüme Annette Riedel, Musik Johannes Hofmann, Dramaturgie Klaus Missbach; u.a.

mit: Ferdinand Lehmann Erzähler Hermann), Alexander Swoboda Kotcha, Mechaniker, Alkoholiker, Opfer), , Andreas Leupold (Schura), Susanne Schrader (Busfahrerin), Simon Zigah (Priester, Soulsänger !), Lisa Guth (Pachmutowa/Hund), Patrick Balaraj Yogarajan (Maiskönig), Christian Freund (Kolja), Maria Tomoiaga (Katja) u.a.

Warten auf eine bessere Welt

Es ist immer dasselbe Muster in den Inszenierungen von Armin Petras: Ein schwer durchschaubares Durch- und Miteinander einer Menge schlecht gekleideter Menschen, die sich irgendwann in Individualitäten verwandeln und sich in ihrem traurigen Dasein recht und schlecht arrangieren. Es bleibt sprachlich nur wenig in dieser Zusammenfassung eines sehr schönen Romans wirklich zurück: Es fehlt die Feinheit der Poesie, mit der der ukrainische Autor sein gebeuteltes Land liebevoll und voller Verständnis mit wunderbaren Metaphern beschreibt, die in dieser Theaterversion nicht aufgefangen werden können.

Da der Roman, erzählerisch vielfältig und mit feinem Humor gewürzt, sich in der einer Zwischenzeit – 90er Jahre – abspielt, als der russische Übergriff gerade überwunden scheint, der Kapitalismus sich aber ganz schrecklich bereits als „Maismafia“ in den ländlichen wohlhabenden Gegenden mit seiner Gier entblößt, und sich die Nostalgie der Menschen noch zwischen Realität und Wunschdenken abspielt, herrscht zumindest mental wirklich noch ein diffuses Dasein. Alles in ein nationales gelb-blaues Farb- und Lichtspiel getaucht.

Aber die kleine Poesie, die die Inszenierung noch mit nett gebastelten kleinen Attrappen von Häuschen, Landschaft und Autos versucht darzustellen, geht in zuweilen auch in den nur undeutlich zu verstehenden Dialogen unter, die das auch sehr tragische Schicksal der Menschen hier im Donbass nur andeuten. Ein bisschen erklärt sich nach und nach zwar der Handlungsablauf, dessen satirische Szenen aber eigentlich angesichts des tragischen Endes nicht angemessen erscheinen. Der Handlungsablauf – Hermann, ein arbeitsloser Akademiker, wird zu nächtlicher Zeit durch einen Anruf aufgerüttelt, in dem ihn Kotscha (hervorragend Alexander Swoboda), der Tankstellen-Partner seines Bruders aus dem Donbass zur Hilfe ruft, weil er plötzlich allein und finanziell hilflos dasteht. Hermanns Bruder hat ihn kommentarlos für immer wohl verlassen.

Hermann nimmt eine skurrile Fahrt mit einem Bus voller

ausgeflippter Hippies auf sich, legt nach der Erlahmung des altersschwachen Gefährts zu Fuß die restliche Strecke durch Steppe und Felder bis ins Dort zurück, wo an deren Rand die Tankstelle und Kotscha ums Überleben kämpfen und sich ein orientierungsloser Freundeskreis durchs Leben schlägt. Ein dubioses Männerteam versucht indes, Hermann die Tankstelle abzuschwatzen, deren gute Lage späteren Gewinn verspricht. Zunächst gutmütig, dann später mit brutaler Gewalt wird hier der Turbo-Kapitalismus aufgespießt, der sich in den Ostgebieten nach der Perestroika breitmachte und die Bevölkerung wiederum in ein neues Elend stürzte.

Das ganze Spektakel ist vielfältig verworren und auch ziemlich blutig, mit einem real knatternden Moped, aber wenig erhellenden, authentischem Text, dafür mit  klarer politischer An- und Aussage : Achtung vor dem westlichen Kapitalismus. Der Hinterlassenschaften, reichlich Schrott aus dem Weltkrieg Zwei, und der überall latent spürbare Stalinterror sind zwar noch längst nicht bewältigt, aber der Westen bringt eigentlich auch nicht viel Gutes. Das war‘s dann eigentlich.

Wäre da nicht der titelgebende, viel zu wenig gespielte und gesungene Jazz, der dann wohl doch bereichernder Westimport gewesen ist. Vor allem der Sänger Simon Zigar besticht mit seinem  Wohlfühltenor und zeigt, welche Poesie auch über einer schweren Zeit liegen kann, wenn man sich auf die Kunst besinnt. Und die ebenso wehmütigen wie auch hoffnungsvollen Freiheitslieder von Serhij Zhadan (” was uns erwartet, ist Leere und Vergessen, was uns erwartet, ist Liebe und Erlösung”) eint dann doch Sänger, Künstler, Handwerker, Alkoholiker, Liebende und  Loser Im Jahr 1990 an diesem Ort einer visionären besseren Zukunft, am Rande der großen Weizen- und Maisfelder, wo man in jenen Jahren noch auf eine bessere Welt hoffte. A.C.

Deshalb: unbedingt selber den Roman und weiteres von Serhij Zhadan lesen!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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nach dem Roman von Serhij Zhadan
aus dem Ukrainischen von Juri Durkot und Sabine Stöhr
in einer Theaterfassung von Armin Petras
mit ukrainischem Übertext

Theater am Goetheplatz, 2024
Regie: Armin Petras, Bühne und Zeichentrick Peta Schickart, Kostüme Annette Riedel, Musik Johannes Hofmann, Dramaturgie Klaus Missbach; u.a.

mit: Ferdinand Lehmann Erzähler Hermann), Alexander Swoboda Kotcha, Mechaniker, Alkoholiker, Opfer), , Andreas Leupold (Schura), Susanne Schrader (Busfahrerin), Simon Zigah (Priester, Soulsänger !), Lisa Guth (Pachmutowa/Hund), Patrick Balaraj Yogarajan (Maiskönig), Christian Freund (Kolja), Maria Tomoiaga (Katja) u.a.

Warten auf eine bessere Welt

Es ist immer dasselbe Muster in den Inszenierungen von Armin Petras: Ein schwer durchschaubares Durch- und Miteinander einer Menge schlecht gekleideter Menschen, die sich irgendwann in Individualitäten verwandeln und sich in ihrem traurigen Dasein recht und schlecht arrangieren. Es bleibt sprachlich nur wenig in dieser Zusammenfassung eines sehr schönen Romans wirklich zurück: Es fehlt die Feinheit der Poesie, mit der der ukrainische Autor sein gebeuteltes Land liebevoll und voller Verständnis mit wunderbaren Metaphern beschreibt, die in dieser Theaterversion nicht aufgefangen werden können.

Da der Roman, erzählerisch vielfältig und mit feinem Humor gewürzt, sich in der einer Zwischenzeit – 90er Jahre – abspielt, als der russische Übergriff gerade überwunden scheint, der Kapitalismus sich aber ganz schrecklich bereits als „Maismafia“ in den ländlichen wohlhabenden Gegenden mit seiner Gier entblößt, und sich die Nostalgie der Menschen noch zwischen Realität und Wunschdenken abspielt, herrscht zumindest mental wirklich noch ein diffuses Dasein. Alles in ein nationales gelb-blaues Farb- und Lichtspiel getaucht.

Aber die kleine Poesie, die die Inszenierung noch mit nett gebastelten kleinen Attrappen von Häuschen, Landschaft und Autos versucht darzustellen, geht in zuweilen auch in den nur undeutlich zu verstehenden Dialogen unter, die das auch sehr tragische Schicksal der Menschen hier im Donbass nur andeuten. Ein bisschen erklärt sich nach und nach zwar der Handlungsablauf, dessen satirische Szenen aber eigentlich angesichts des tragischen Endes nicht angemessen erscheinen. Der Handlungsablauf – Hermann, ein arbeitsloser Akademiker, wird zu nächtlicher Zeit durch einen Anruf aufgerüttelt, in dem ihn Kotscha (hervorragend Alexander Swoboda), der Tankstellen-Partner seines Bruders aus dem Donbass zur Hilfe ruft, weil er plötzlich allein und finanziell hilflos dasteht. Hermanns Bruder hat ihn kommentarlos für immer wohl verlassen.

Hermann nimmt eine skurrile Fahrt mit einem Bus voller

ausgeflippter Hippies auf sich, legt nach der Erlahmung des altersschwachen Gefährts zu Fuß die restliche Strecke durch Steppe und Felder bis ins Dort zurück, wo an deren Rand die Tankstelle und Kotscha ums Überleben kämpfen und sich ein orientierungsloser Freundeskreis durchs Leben schlägt. Ein dubioses Männerteam versucht indes, Hermann die Tankstelle abzuschwatzen, deren gute Lage späteren Gewinn verspricht. Zunächst gutmütig, dann später mit brutaler Gewalt wird hier der Turbo-Kapitalismus aufgespießt, der sich in den Ostgebieten nach der Perestroika breitmachte und die Bevölkerung wiederum in ein neues Elend stürzte.

Das ganze Spektakel ist vielfältig verworren und auch ziemlich blutig, mit einem real knatternden Moped, aber wenig erhellenden, authentischem Text, dafür mit  klarer politischer An- und Aussage : Achtung vor dem westlichen Kapitalismus. Der Hinterlassenschaften, reichlich Schrott aus dem Weltkrieg Zwei, und der überall latent spürbare Stalinterror sind zwar noch längst nicht bewältigt, aber der Westen bringt eigentlich auch nicht viel Gutes. Das war‘s dann eigentlich.

Wäre da nicht der titelgebende, viel zu wenig gespielte und gesungene Jazz, der dann wohl doch bereichernder Westimport gewesen ist. Vor allem der Sänger Simon Zigar besticht mit seinem  Wohlfühltenor und zeigt, welche Poesie auch über einer schweren Zeit liegen kann, wenn man sich auf die Kunst besinnt. Und die ebenso wehmütigen wie auch hoffnungsvollen Freiheitslieder von Serhij Zhadan (” was uns erwartet, ist Leere und Vergessen, was uns erwartet, ist Liebe und Erlösung”) eint dann doch Sänger, Künstler, Handwerker, Alkoholiker, Liebende und  Loser Im Jahr 1990 an diesem Ort einer visionären besseren Zukunft, am Rande der großen Weizen- und Maisfelder, wo man in jenen Jahren noch auf eine bessere Welt hoffte. A.C.

Deshalb: unbedingt selber den Roman und weiteres von Serhij Zhadan lesen!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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DIE ERDUNG DES JAZZ IM DONBASS

nach dem Roman von Serhij Zhadan
aus dem Ukrainischen von Juri Durkot und Sabine Stöhr
in einer Theaterfassung von Armin Petras
mit ukrainischem Übertext

Theater am Goetheplatz, 2024
Regie: Armin Petras, Bühne und Zeichentrick Peta Schickart, Kostüme Annette Riedel, Musik Johannes Hofmann, Dramaturgie Klaus Missbach; u.a.

mit: Ferdinand Lehmann Erzähler Hermann), Alexander Swoboda Kotcha, Mechaniker, Alkoholiker, Opfer), , Andreas Leupold (Schura), Susanne Schrader (Busfahrerin), Simon Zigah (Priester, Soulsänger !), Lisa Guth (Pachmutowa/Hund), Patrick Balaraj Yogarajan (Maiskönig), Christian Freund (Kolja), Maria Tomoiaga (Katja) u.a.

Warten auf eine bessere Welt

Es ist immer dasselbe Muster in den Inszenierungen von Armin Petras: Ein schwer durchschaubares Durch- und Miteinander einer Menge schlecht gekleideter Menschen, die sich irgendwann in Individualitäten verwandeln und sich in ihrem traurigen Dasein recht und schlecht arrangieren. Es bleibt sprachlich nur wenig in dieser Zusammenfassung eines sehr schönen Romans wirklich zurück: Es fehlt die Feinheit der Poesie, mit der der ukrainische Autor sein gebeuteltes Land liebevoll und voller Verständnis mit wunderbaren Metaphern beschreibt, die in dieser Theaterversion nicht aufgefangen werden können.

Da der Roman, erzählerisch vielfältig und mit feinem Humor gewürzt, sich in der einer Zwischenzeit – 90er Jahre – abspielt, als der russische Übergriff gerade überwunden scheint, der Kapitalismus sich aber ganz schrecklich bereits als „Maismafia“ in den ländlichen wohlhabenden Gegenden mit seiner Gier entblößt, und sich die Nostalgie der Menschen noch zwischen Realität und Wunschdenken abspielt, herrscht zumindest mental wirklich noch ein diffuses Dasein. Alles in ein nationales gelb-blaues Farb- und Lichtspiel getaucht.

Aber die kleine Poesie, die die Inszenierung noch mit nett gebastelten kleinen Attrappen von Häuschen, Landschaft und Autos versucht darzustellen, geht in zuweilen auch in den nur undeutlich zu verstehenden Dialogen unter, die das auch sehr tragische Schicksal der Menschen hier im Donbass nur andeuten. Ein bisschen erklärt sich nach und nach zwar der Handlungsablauf, dessen satirische Szenen aber eigentlich angesichts des tragischen Endes nicht angemessen erscheinen. Der Handlungsablauf – Hermann, ein arbeitsloser Akademiker, wird zu nächtlicher Zeit durch einen Anruf aufgerüttelt, in dem ihn Kotscha (hervorragend Alexander Swoboda), der Tankstellen-Partner seines Bruders aus dem Donbass zur Hilfe ruft, weil er plötzlich allein und finanziell hilflos dasteht. Hermanns Bruder hat ihn kommentarlos für immer wohl verlassen.

Hermann nimmt eine skurrile Fahrt mit einem Bus voller

ausgeflippter Hippies auf sich, legt nach der Erlahmung des altersschwachen Gefährts zu Fuß die restliche Strecke durch Steppe und Felder bis ins Dort zurück, wo an deren Rand die Tankstelle und Kotscha ums Überleben kämpfen und sich ein orientierungsloser Freundeskreis durchs Leben schlägt. Ein dubioses Männerteam versucht indes, Hermann die Tankstelle abzuschwatzen, deren gute Lage späteren Gewinn verspricht. Zunächst gutmütig, dann später mit brutaler Gewalt wird hier der Turbo-Kapitalismus aufgespießt, der sich in den Ostgebieten nach der Perestroika breitmachte und die Bevölkerung wiederum in ein neues Elend stürzte.

Das ganze Spektakel ist vielfältig verworren und auch ziemlich blutig, mit einem real knatternden Moped, aber wenig erhellenden, authentischem Text, dafür mit  klarer politischer An- und Aussage : Achtung vor dem westlichen Kapitalismus. Der Hinterlassenschaften, reichlich Schrott aus dem Weltkrieg Zwei, und der überall latent spürbare Stalinterror sind zwar noch längst nicht bewältigt, aber der Westen bringt eigentlich auch nicht viel Gutes. Das war‘s dann eigentlich.

Wäre da nicht der titelgebende, viel zu wenig gespielte und gesungene Jazz, der dann wohl doch bereichernder Westimport gewesen ist. Vor allem der Sänger Simon Zigar besticht mit seinem  Wohlfühltenor und zeigt, welche Poesie auch über einer schweren Zeit liegen kann, wenn man sich auf die Kunst besinnt. Und die ebenso wehmütigen wie auch hoffnungsvollen Freiheitslieder von Serhij Zhadan (” was uns erwartet, ist Leere und Vergessen, was uns erwartet, ist Liebe und Erlösung”) eint dann doch Sänger, Künstler, Handwerker, Alkoholiker, Liebende und  Loser Im Jahr 1990 an diesem Ort einer visionären besseren Zukunft, am Rande der großen Weizen- und Maisfelder, wo man in jenen Jahren noch auf eine bessere Welt hoffte. A.C.

Deshalb: unbedingt selber den Roman und weiteres von Serhij Zhadan lesen!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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DIE ERFINDUNG DES JAZZ IM DONBASS, HB

nach dem Roman von Serhij Zhadan
aus dem Ukrainischen von Juri Durkot und Sabine Stöhr
in einer Theaterfassung von Armin Petras
mit ukrainischem Übertext

Theater am Goetheplatz, 2024
Regie: Armin Petra,: Bühne und Zeichentrick: Peta Schickart, Kostüme: Annette Riedel, Musik: Johannes Hofmann, Dramaturgie: Klaus Missbach; u.a.

mit: Ferdinand Lehmann: Erzähler/ Hermann , Alexander Swoboda: Kotcha, Mechaniker, Alkoholiker, Opfer, Andreas Leupold: Schura, Susanne Schrader: Busfahrerin, Simon Zigah: Priester, Soulsänger!, Lisa Guth: Pachmutowa/Hund, Patrick Balaraj Yogarajan: Maiskönig, Christian Freund: Kolja, Maria Tomoiaga: Katja u.a.

Warten auf eine bessere Welt

Es ist immer dasselbe Muster in den Inszenierungen von Armin Petras: Ein schwer durchschaubares Durch- und Miteinander einer Menge schlecht gekleideter Menschen, die sich irgendwann in Individualitäten verwandeln und sich in ihrem traurigen Dasein recht und schlecht arrangieren. Es bleibt sprachlich nur wenig in dieser Zusammenfassung eines sehr schönen Romans wirklich zurück: Es fehlt die Feinheit der Poesie, mit der der ukrainische Autor sein gebeuteltes Land liebevoll und voller Verständnis mit wunderbaren Metaphern beschreibt, die in dieser Theaterversion nicht aufgefangen werden können.

Da der Roman, erzählerisch vielfältig und mit feinem Humor gewürzt, sich in der einer Zwischenzeit – 90er Jahre – abspielt, als der russische Übergriff gerade überwunden scheint, der Kapitalismus sich aber ganz schrecklich bereits als „Maismafia“ in den ländlichen wohlhabenden Gegenden mit seiner Gier entblößt, und sich die Nostalgie der Menschen noch zwischen Realität und Wunschdenken abspielt, herrscht zumindest mental wirklich noch ein diffuses Dasein. Alles in ein nationales gelb-blaues Farb- und Lichtspiel getaucht.

Aber die kleine Poesie, die die Inszenierung noch mit nett gebastelten kleinen Attrappen von Häuschen, Landschaft und Autos versucht darzustellen, geht in zuweilen auch in den nur undeutlich zu verstehenden Dialogen unter, die das auch sehr tragische Schicksal der Menschen hier im Donbass nur andeuten. Ein bisschen erklärt sich nach und nach zwar der Handlungsablauf, dessen satirische Szenen aber eigentlich angesichts des tragischen Endes nicht angemessen erscheinen. Der Handlungsablauf – Hermann, ein arbeitsloser Akademiker, wird zu nächtlicher Zeit durch einen Anruf aufgerüttelt, in dem ihn Kotscha (hervorragend Alexander Swoboda), der Tankstellen-Partner seines Bruders aus dem Donbass zur Hilfe ruft, weil er plötzlich allein und finanziell hilflos dasteht. Hermanns Bruder hat ihn kommentarlos für immer wohl verlassen.

Hermann nimmt eine skurrile Fahrt mit einem Bus voller

ausgeflippter Hippies auf sich, legt nach der Erlahmung des altersschwachen Gefährts zu Fuß die restliche Strecke durch Steppe und Felder bis ins Dort zurück, wo an deren Rand die Tankstelle und Kotscha ums Überleben kämpfen und sich ein orientierungsloser Freundeskreis durchs Leben schlägt. Ein dubioses Männerteam versucht indes, Hermann die Tankstelle abzuschwatzen, deren gute Lage späteren Gewinn verspricht. Zunächst gutmütig, dann später mit brutaler Gewalt wird hier der Turbo-Kapitalismus aufgespießt, der sich in den Ostgebieten nach der Perestroika breitmachte und die Bevölkerung wiederum in ein neues Elend stürzte.

Das ganze Spektakel ist vielfältig verworren und auch ziemlich blutig, mit einem real knatternden Moped, aber wenig erhellenden, authentischem Text, dafür mit  klarer politischer An- und Aussage : Achtung vor dem westlichen Kapitalismus. Der Hinterlassenschaften, reichlich Schrott aus dem Weltkrieg Zwei, und der überall latent spürbare Stalinterror sind zwar noch längst nicht bewältigt, aber der Westen bringt eigentlich auch nicht viel Gutes. Das war‘s dann eigentlich.

Wäre da nicht der titelgebende, viel zu wenig gespielte und gesungene Jazz, der dann wohl doch bereichernder Westimport gewesen ist. Vor allem der Sänger Simon Zigar besticht mit seinem  Wohlfühltenor und zeigt, welche Poesie auch über einer schweren Zeit liegen kann, wenn man sich auf die Kunst besinnt. Und die ebenso wehmütigen wie auch hoffnungsvollen Freiheitslieder von Serhij Zhadan (” was uns erwartet, ist Leere und Vergessen, was uns erwartet, ist Liebe und Erlösung”) eint dann doch Sänger, Künstler, Handwerker, Alkoholiker, Liebende und  Loser Im Jahr 1990 an diesem Ort einer visionären besseren Zukunft, am Rande der großen Weizen- und Maisfelder, wo man in jenen Jahren noch auf eine bessere Welt hoffte. A.C.

Deshalb: unbedingt selber den Roman und weiteres von Serhij Zhadan lesen!

 

 

 

 

Es ist immer dasselbe Muster in den Inszenierungen von Armin Petras: Ein schwer durchschaubares Durch- und Miteinander einer Menge schlecht gekleideter Menschen, die sich irgendwann in Individualitäten verwandeln und sich in ihrem traurigen Dasein recht und schlecht arrangieren. Es bleibt sprachlich nur wenig in dieser Zusammenfassung eines sehr schönen Romans wirklich zurück: Es fehlt die Feinheit der Poesie, mit der der ukrainische Autor, der sein gebeuteltes Land liebevoll und voller Verständnis mit wunderbaren Metaphern beschreibt, die in dieser Theaterversion nicht aufgefangen werden können.

Da der Roman, erzählerisch vielfältig und mit feinem Humor gewürzt, sich in der einer Zwischenzeit – 90er Jahre – abspielt, als der russische Übergriff gerade überwunden scheint, der Kapitalismus sich aber ganz schrecklich bereits als „Maismafia“ in den ländlichen wohlhabenden Gegenden mit seiner Gier entblößt, und sich die Nostalgie der Menschen noch zwischen Realität und Wunschdenken abspielt, herrscht zumindest mental wirklich noch ein diffuses Dasein. Alles in ein nationales gelb-blaues Farb- und Lichtspiel getaucht.

Aber die kleine Poesie, die die Inszenierung noch mit nett gebastelten kleinen Attrappen von Häuschen, Landschaft und Autos versucht darzustellen, geht in zuweilen auch in den nur undeutlich zu verstehenden Dialogen unter, die das auch sehr tragische Schicksal der Menschen hier im Donbass nur andeuten. Ein bisschen erklärt sich nach und nach zwar der Handlungsablauf, dessen satirische Szenen aber eigentlich angesichts des tragischen Endes nicht angemessen erscheinen. Der Handlungsablauf – Hermann, ein arbeitsloser Akademiker, wird zu nächtlicher Zeit durch einen Anruf aufgerüttelt, in dem ihn Kotscha (hervorragend Alexander Swoboda), der Tankstellen-Partner seines Bruders aus dem Donbass zur Hilfe ruft, weil er plötzlich allein und finanziell hilflos dasteht. Hermanns Bruder hat ihn kommentarlos für immer wohl verlassen.

Hermann nimmt eine skurrile Fahrt mit einem Bus voller iausgeflippter Hippies auf sich, legt nach der Erlahmung des altersschwachen Gefährts zu Fuß die restliche Strecke durch Steppe und Felder bis ins Dort zurück, wo an deren Rand die Tankstelle und Koschja ums Überleben kämpfen und sich ein orientierungsloser Freundeskreis durchs Leben schlägt. Ein dubioses Männerteam versucht indes, Kottscha und Hermann dieTankstelle abzuschwatzen, deren gute Lage späteren Gewinn verspricht. Zunächst gutmütig, dann später mit brutaler Gewalt wird hier der Turbukapitalismus aufgespießt, der sich in den Ostgebieten nach der Perestroika breitmachte und die Bevölkerung wiederum in ein neues Elend stürzte.

Das ganze Spektakel ist vielfältig verworrne und auch ziemlich blutig, mit einem real knatternden Moped, aber wenig erhellenden, authentischem Text, dafür mit  klarer politischer An- und Aussage : Achtung vor dem westlichen Kapitalismus. Der Hinterlassenschaften, reichlich Schrott aus dem Weltkrieg Zwei, und der überall latent spürbare Stalinterror sind zwar noch längst nicht bewältigt, aber der Westen bringt eigentlich auch nicht viel Gutes. Das war‘s dann eigentlich.

Wäre da nicht der titelgebende, viel zu wenig gespielte und gesungene Jazz, der dann wohl doch bereichernder Westimport gewesen ist. Vor allem der Sänger Simon Zigar besticht mit seinem Wohlfühltenor und zeigt, welche Poesie auch über einer schweren Zeit liegen kann, wenn man sich auf die Kunst besinnt. Und die ebenso wehmütigen wie auch hoffnungsvollen Freiheitslieder von Serhij Zhadan (” was uns erwartet, ist Leere und Vergessen, was uns erwartet, ist Liebe und Erlösung”) eint dann doch Sänger, Künstler, Handwerker, Alkoholiker, Liebende und  Loser Im Jahr 1990 an diesem Ort einer visionären besseren Zukunft, am Rande der großen Weizen- und Maisfelder, wo man in jenen Jahren noch auf eine bessere Welt hoffte. A.C.

Deshalb: unbedingt selber den Roman und weiteres von Serhij Zhadan lesen!

 

 

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