Keinohrhasen

von Til Schweiger
Tribüne

Bühnenversion fehlt der Charme der Filmvorlage

Was fehlt nur dieser Bühneninszenierung von Gunnar Dreßler, dass sie so entenlahm durch die Zeit kriecht? Die Darsteller geben sich alle Mühe, die Szenen sind kurz und musikalisch aufgepeppt, die Handlung könnte prima sein, denn die Idee, einen sexbesessenen eitlen Boulevardreporter nach Verletzung fremder Intimsphäre gerichtlich zu einer Sozialarbeit zu verdonnern, ist so übel nicht. Auch dass er hier seine alte Feindin aus Kindertagen trifft, die ihn nun endlich für alles Streiche büßen lässt, die der rüde Junge ihr einst angetan hat, ist einguter Plot. Ebenso die flotten sexistischen Mütter, die den Kindergärtner wider Willen als Bettgefährten praktisch und prima finden, sind es nicht, die hier stören. Alles in allem sind es vielleicht zwei Ursachen: Die eine ist das schreckliche Bühnenbild, das mit zwar bunten, aber dennoch kalt wirkenden schmalen gekachelten Abteilungen die kargen Räumlichkeiten und eine nicht vorhandene Privatsphäre der Protagonisten darstellen soll. Wenn sich die Bühne zum Kindergartenterrain öffnet, wird es etwas atmosphärischer, aber auch die kleinkindartige Verwandlung ausgewachsener Männer in tolpatschige Bären können trotz Publikumsanimierung nicht dazu beitragen, die Stimmung gemütlicher zu machen. Kälte also auf der Bühne – und Kälte im natürlich viel zu großen und daher auch selten voll besetzten Zuschauerraum. Das ist die alte Krankheit der Tribüne – ähnlich dem Schlossparktheater streckt sich der Zuschauerraum als ehemaliges Kino viel zu sehr in die Länge, um die intimen Stücke, die künftig auch im Programm der neuen Betreiber bestimmend sind, einzufangen. Und die Wärme läßt auch hier zu wünschen übrig. Das mag eine Kostenfrage sein und sollte die Kunstschaffenden und die vielen Freunde dieses Theaters nicht wesentlich stören. Ob die Fäkalsprache und die detaillierte Beschreibung verschiedener Sexpraktiken für dies Stück von Nutzen sind und für jedermann eine Bereicherung darstellen, könnte man zur Diskussion stellen.

Aber auch mit der Besetzung in diesem arg durch seinen Kinoerfolg vorbelasteten Stück ist man nicht so ganz glücklich. Der coole Journalistentyp Ludo (Matthias Gall) wirkt bereits in der Anfangsszene im Interview mit einem berühmten Entertainer eher frustriert als lässig kühn, und auch als Eroberer vor allem der weiblichen Körper, dem es mehr um das Sportliche denn um Seele und Geist geht, ist er nicht gerade ein verführerischer Don Juan. Und die kleine Anna (Stella Danis), Leiterin der Kindertagesstätte, in der Ludo dank seines Übereifers nach einer tollen Story nun landet, schreit ein bisschen zu hysterisch herum, als das sie glaubhaft einschüchternd auf den doppelt so großen Ludo einwirken könnte. Dörte Manzke und Andree-Östen Solvik schlüpfen schnell und geschickt in verschiedene Rollen, die aber letztlich der Gesamtkomposition auch nicht mehr Glanz verleihen können. A.C.

Die glücklicherweise wieder zum Leben erwachte Tribüne punktet derzeit mit einer anderen ebenfalls erfolgreichen Filmvorlage mit komplexem politischen Inhalt (“Die Welle”), das vor allem bei Schülern auf große Resonanz stößt. Und auf dem Programm stehen in diesem Jahr noch zwei Stücke, deren Inhalt äußerst viel versprechend klingt: “Lieblingsmenschen” von Laura de Weck sowie “Callboys – Männer für gewisse Stunden” von Katja Bernhard. 

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