The Beat goes on, HB
Musiktheatrale und begehbare Jubiläumsgala
mit den Bremer Philharmonikern.
Theater am Goetheplatz,24,8.2025
Regie, Songs, Texte: Schorsch Kamerun, Dramaturgie: Frederike Krüger, Johannes Schürmann, Musikalische Leitung Yu Sugimoto, Komposition und Arrangements PC Nackt, Bühne: Katja Eichbaum, Kostüme: Gloria Brillowska,, Licht: Christian Kemmetmüller.von und mit: Martin Baum, Elisa Birkenheier, Karin Enzler, Judith Goldberg, Sofia Jordanskaya, Christoph Heinrich, Patrick Balaraj Yogarajan, junge Akteurinnen, BRemer Bürgerinnenchor
Gespräch :Kira Sackmann (Lagerhaus),, Schorsch Kamerun (Regisseur und Sänger) und Frederike Krüger (Dramaturgin)
Bremer Leben scheint sinnlos – ohne Kaffee und Theater
Eine Jubiläumsveranstaltung von der ganz anderen Art, eben wohl nach moderner Bremer Theaterart. Nicht, dass jetzt 75 Jahre kontinuierlich in den Highlights der Bühnenarbeit unter Peter Zadek, Wilfried Minks, Rainer Fassbinder u.w. in szenischer Revue wieder lebendig geworden wären, nein, es ging vielmehr um die im Eiltempo gestreifte Entwicklung der Freien und Hansestadt Bremen, von ihrer Gründung an bis heute, über Handel, Hanse, Schifffahrt, Kirchen- und Bürgerpolitik, der Wandlung einer einst reichen und rührigen Handelsmetropole zu einer um wirtschaftliche Anpassung und die Bewältigung sozialer und kulturpolitischen Herausforderungen ringende norddeutsche Stadt.
Das zahlreiche Publikum wandelte vom Foyer treppauf, treppab, immer den in einer Schlange verbunden Chormitgliedern folgend in das obere Stockwerk wieder zurück zum Kaffee anpreisenden Martin Baum, als Latino durch den großen Hut und das ständige Anpreisen seiner berühmten Ware, ohne die angeblich kein Bremer leben könne, kenntlich gemacht. Sängerinnen und Sänger liefen wild kostümiert, schwer begreifbare surrealistisch kritische Texte vortragend gleichsam vor den Gästen und nach ihnen durch Ränge und Räume, wurden großformatig gefilmt und noch dynamisch-gegenwärtiger. Dabei erklärten sie sicher auch zuweilen, was ihr eigentliche Funktion zu sein beabsichtigte. So krümmte sich Christoph Heinrich mit wohlklingendem Bass als lädierter Piraten-Kapitän unter der Last seiner historischen Taten, geführt von einer wilden mit blauen Tauen schlangenförmig bestrickten Nymphe. Durch die tolle transparente Geschichte nicht nur der Seefahrt geführt, besangen die jungen Sopranistinnen das Schicksal der berühmten Bremer Giftmischerin Gesche Gottfried in neuer Version der Emanzipation als geschundene Ehefrau. Mein Gott, wie viele raue Schicksale gab es nicht nur in alten Zeiten – und wären sie alle deshalb zu Giftmörderinnen geworden, wir brauchten heute gar keine Me-too Debatten mehr mangels männlicher Nachkommen.
Aber so ging es eben in der theatralischen Ambition, möglichst aktuell, gendergerecht zu sein und sich als Kunstinstitut geschlechterneutral und in den diversen Facetten, die unsere Zeit teilweise bestimmen, zu präsentieren. Der zweite, etwas übersichtlichere Teil des Abends fand dann auf der Bühne statt, vor und auf einem hohen Gerüstturm aus alten Bühnenbildern vor einem nunmehr doch stark gelichteten Publikum, das aber mit Herz und Hand bei seinem Theater war und dessen intensivem Engagement lebhaften Beifall zollte. Denn, so die Botschaft: Theater darf nicht unter eingeschränkter finanzieller Unterstützung in seinem politischen, intellektuellen Anspruch eingeschränkt und begrenzt werden. So empfand man die allgemeine Botschaft nach drei Stunden angestrengter Verfolgungsjagd durch das Haus, was auch die grün phosphoreszierenden Kopfhörer nicht erleichterten. Auf der Bühne dann stellten sich alle Protagonisten bunt und fröhlich vereint kämpfend wieder gemeinsam an die Front .
Doch sollte man den ewigen Nörgler und Aufrührer des ewig Gestrigen, den Martin Baum mit durchdringendem Stimmvolumen in die, wenn auch bedeckten Ohren der Besucher brannte, nicht vergessen. Da fand doch einer alles und immer schlecht, verzerrt, ungerecht, verkommen und gesellschaftlich bedrohlich. Die jungen Mitstreiterinnen und Mitspieler jedoch drängten den altvorderen Misanthropen zur Seite, denn sie hatten sich längst mit der heutigen Zeit und ihren Mängeln arrangiert und verteidigten nununter der Regie des Performers und Texters Kamerun energisch energisch die Gegenwart trotz aller Mängel, zusammen mit dem Ensemble der Bremer Philharmonie laut und in vielen Abschnitten auch musikalisch gegen alle Gemütlichkeit.
Auf eine Reminiszenz an den alten Bremer Beatclub hoffte man vergebens. Der Beat als schlagkräftiges gesellschaftspolitisches Mittel fand sich in den Songs und ihren kritischen Texten, die das Publikum vom Keller bis zur Bühne begleiteten. A.C.
Beobachtung am Rande:. Sehr unangemessene Bemerkungen über das Land Niedersachsen hätte man sich – im Foyer neben dem Kaffeestand – sparen können! Denn leider war auch dieser Beitrag über die Kopfhörer ebenso hörbar wie verständlich. Und stolz auf sein Land kann man auch sein ohne ein anderes herabzuwürdigen.