Bad Kingdom, B
von Falk Richter
Schaubühne am Lehniner Platz, Berlin, 2025 (seit 2024)
Regie: Falk Richter, Dramaturgie Nils Haarmann, Bühne Katrin Hoffmann, Kostüme Andy Besuch, Daniel Freitag, Video Sébastian Dupouey, Licht Erich Schneider
mit Diyar Ilhahnm Jule Böwe, Martin Bruchmann, Marcel Kohler, Ursula Lardi, Kay Bartholomäus Schulze, Hevin Teki
Eine psychotische Gesellschaft?
Falk Richters Ego wird wieder einmal vorgeführt, diesmal nicht ganz so privatsphärisch wie in “Silence”, sondern eher umfassender, alle Themen einbeziehend, Politik, Beziehungskonflikte, gesellschaftlichen Einfluss und Überdruss, kurz alles, was zur Zeit so unter Theatermachern und Künstlern Thema ist. Denn auf vielen Berliner Bühnen spiegeln sich derzeit Unmut, Überdruss, Unbeholfenheit und Orientierungslosigkeit.
Hier geht es um mehrere Beziehungen: zum ersten ein männliches Paar, das nicht recht miteinander kompatibel ist. Der eine, Filmregisseur, wohl sensibel und egozentrisch, der andere eher ein kühler Kopf, Musiker, ohne viel Empathie, dafür standfest und unbeirrbar. Dass sich ihr unlustiges Verhältnis auch im Großformat auf der Videoebene zeigt, ist bereits als Teil für den gedachten Spielfilm vorgesehen, also wieder einmal zwei Ebenen in einem Spiel. Leider aber sind diese Szenen eher peinlich als erhellend in der Problematik; denn wenn Sprache und Spiel gut sind, wird die Dramatik durchaus transparent, wie am Ende in der Therapiesitzung mit einer verzweifelnden Therapeutin, die sich schließlich an den einen der beiden buchstäblich heranarbeitet. Ursula Ladi spielt diese Rolle köstlich in ihrer zunehmenden Hilflosigkeit. Hernach zieht sie noch Schlussbilanz in einem längeren Zitat aus dem Buch „Die psychotische Gesellschaft“ von Ariadne von Schirach. Damit vertieft sie noch einmal, was eigentlich von Beginn an klar ist: alle Beteiligten leiden unter Liebesverlustangst und Realitätsbewußtsein, weil sie weder gemeinsame ZIele noch eine verbindliche und verbindende Lebensplanung verbindet. Knapp gesprochen trennen den Regisseur (Marcel Kohler) und seinen Musiker-Partner (Martin Bruchmann) tiefere und weiterreichendere Ansprüche als Sex .
Aber es geht nicht nur um diese beiden Vertreter der menschlichen Moderne. Szenenbilder, in denen sich „71 Fragmente der Einsamkeit“ entfalten sollen, versprechen einen langen mühevollen Theaterabend, der bereits in der Pause einige Konsequenzen zeigt, nämlich große Betroffenheit unter vielen Zuschauerinnen, die sich enttäuscht der weiteren Handlung verweigern. Für die Wackeren, die durchhalten, gibt es sogar noch einige schauspielerische Bonbons, so mit Jule Böwe als coole Redakteurin des Films, an dem der Regisseur genervt arbeitet, unübertroffen in ihrer aufreizend stoischen Präsenz, indem sie Konflikte sarkastisch auf den Punkt bringt, zugleich die ermüdende Selbstdarstellung der Gesellschaft entlarvend und entwaffend. Ihre eigene Beziehung zu einem Mann ist reine Langeweile, sie wollten mal probieren, ob sie noch miteinander harmonieren. Auch wieder als Filmsequenz auf Leinwand, großformatig, überflüssig. Irgendwelche Freude, gar Lust aufzubringen, fehlt völlig, und weil dem nicht so ist, werden Chips gefuttert und Cola getrunken. Im Bademantel langweilt sich ein Paar, das keines ist.
Ursula Lardi überzeugt in ihrer Rolle als Pianistin, die darunter leidet, dass sie vom Publikum nur für ihre Beethoven Sonaten geliebt wird, für ihre eigenen Kompositionen allerdings wenig Rückmeldung erhält. Auch sie ist gleichermaßen gestresst und entmutigt vom lieblosen Liebhaber, vom unsozialen Bruder und vom kranken Vater. Im gelbleuchtenden Kleid stöckelt sie wie eine Gefangene auf hohem engen Gerüst auf und ab und verzweifelt eindrucksvoll irgendwie und ohne Persepektive. Es gibt viele grelle Kostüme an diesem Abend, wechselnde beliebige Bühnenbilder mit Sitzplateaus, künstlichen Zimmerpflanzen und einem älteren Herrn, der am Anfang sich selbst hinterfragt und sich in vielen Figuren wiedergespiegelt sieht – sein Leben?
Es fehlt wohl an einem richtig stringenten Konzept für diese Idee. Wo nun das schlechte oder böse Königreich zuhause sein soll, bleibt geheim. In uns selbst? Oder in den anderen Welt, denn Politik und Gesellschaft sind ja immer willkommene Buhmänner für Regisseure, also könnte man diesen Abend ad acta legen, wäre da nicht so viel Herzensengagement bei den Schauspielerinnen und Schauspielern, so viel Bemühen, diesem mageren Sujets noch Form und Konsequenz zu geben. Sei’s drum. Am besten noch einmal überarbeiten.
Dennoch herzlicher Applaus aller Freunde des Theaters. A.C.