Der andere Mann

von Ottokar Runze
Schloßpark Theater

Regie: Ottokar Runze, Bühne: Stephan von Manteuffel, Kostüm: Suse Braun
mit Jörg Pleva, Julia Jäger und Tatjana Blacher

 

 

Katze und Maus zu Dritt

Das Stück ist eigentlich nur ein Fragment, ein Denkanstoß, eine bittere Farce. Man könnte einen Politthriller daraus zaubern, eine Spionagestory mit der Psychologie des Verrats, des Treuebruchs und der Macht verbinden und somit einen abendfüllenden Film drehen.

Im Schloßpark Theater sind es nur drei Schauspieler, ein Mann, zwei Frauen in einem grellen hellen halbrunden Raum, der linksseitig einen Schreibtisch, einen Tisch zwei Stühle in der Mitte und im Hintergrund eine Pritsche anbietet. Gefängnisvorraum, Zelle und häusliches Ambiente, so kühl und unpersönlich wie ein modernes Büro. Das Dunkel der Wand zeichnet einen bedrohlichen Kontrast und verdichtet den Spannungsbogen von Beginn an -obwohl relativ schnell deutlich wird, wer hier der andere Mann ist und wer wen betrügt, belügt, und wer die Leidtragenden am Ende sein werden.

Und doch, man glaubt kaum, was man weiß, eben weil alles so glasklar, so überdeutlich gemein, von so unbegreiflicher psychologischer Abgefeimheit ist, das man sich insgeheim wünscht, es möge nicht so sein wie es allem Anschein nach ist und sein wird.

Drei glänzende Darsteller, die unter der sublimen Regie des Autors ein spannendes Katze- und Mausspiel im Dreieck zelebrieren, lassen den kurzen Theaterabend zu einem nachdenklichen Erlebnis werden, das länger nachhallt. Für Johannes, ehemaliger Buchhändler aus dem Osten und jetzt anerkannter bundesdeutscher Politiker, ist dies ein Heimspiel, das er glaubt, mit leichter Hand und bewährtem Charme gewinnen zu können. Denn er selbst war es ja, der seine Frau Elisabeth, eine politische Journalistin, auf die Spur der inhaftierten Spionin aus dem auswärtigen Amt brachte, über deren Leben sie nun eine Reportage schreiben will. Elisabeth ist eine sehr ernsthafte, sehr engagierte und ungemein sensible Frau, die ihren Mann zwar unbedingt liebt, aber sich in ihren Beruf keine Ungenauigkeit gestattet. Und sie will vor allem wissen, wer dieser Mann war, den ihre Gesprächspartnerin Corinna Heinrich so sehr liebte, dass sie ihm  geschützte Akten aus dem Ministerium kopierte und auslieferte. Man kennt Julia Jäger aus Film (Donna Leon), Fernsehen und Bühnenauftritten und ist immer wieder fasziniert von ihrer nachdenklichen und sensiblen Ausstrahlung!

Corinnas Lebensgeschichte liefert den Schlüssel zu ihrer blinden Ergebenheit zu dem polnischen Geliebten Jan. Ihre Verzweiflung, dass dieser Mann, dem sie blind vertraute, für sie jetzt unerreichbar ist, raubt ihr schier den Verstand. Tatjana Blacher als Corinna zieht die schreckliche Bilanz ihrer verloren Liebe und ihrer verlorenen Ehre mit erschütternder Leidenschaft, und lässt die zunehmend verunsicherte und sichtlich leidende Elisabeth als ihrer einzigen Vertrauten jetzt kurz vor der Entlassung keine andere Wahl als ihr beizustehen: das heißt, den verlorenen Liebhaber zu finden, mit dem sie noch immer eine neue Zukunft aufzubauen hofft.
Die Schlinge legt sich natürlich langsam um den Hals von Johannes, dem Jörg Pleva einen unverschämt selbstherrlichen Charme verleiht, dem wohl nicht nur diese beiden Frauen und seine politischen Anhänger verfallen sind. Mit lässiger Rhetorik und Raffinesse ummantelt er eine Vertrauenswürdigkeit, wie man sie sich – ob Ehemann oder Politiker – nur wünschen kann. Mit einer Unverfrorenheit sondergleichen wendet er sich – nicht einmal um Verständnis heischend – mit unbegreiflicher Eitelkeit- dessen Zustimmung erheischend – an das Publikum. Erklärend, aber kein Wort der Reue, der Einsicht, der Schuldhaftung.

Politik, so resümiert Johannes wiederholt, Politik sei ein widerliches, ein schmutziges Geschäft. Und fast ist man versucht, dieser Pauschalierung zuzustimmen, wäre da nicht dieser teuflisch geschickte Zug bei ihm zu erkennen, sich selbst mit dieser Erklärung aus der Verantwortung zu stehlen. Denn wer macht Politik – die anderen? Und wer leitet sie, wer leitet sie fehl, wer ändert seine Farbe wie ein Chamäleon, seine Ansichten, seine Ideologie, seine Partei, sein Land, wenn es ihm selber nützt. Was sind das für Menschen?! Menschen wie Johannes, die Frauen wie Elisabeth und Corinna und Tausende von Anhängern ins Unglück stürzen. A.C.

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