Die Firma dankt, B
von Lutz Hübner
Vagantenbühne Berlin (2012)
Regie: Bettina Rehm, Ausstattung Julia Hattstein
mit Alex Anasuya, Johhann Fohl, Manolo Palma, Sanne Schnapp und Jörg Zuch
Schöne neue Welt
Kurt Hübner hat eine Reihe erfolgreicher Geschichten für junge und ältere Menschen geschrieben; zumeist werden diese sehr zeit- und jugendgerechten Theaterstücke an Berlins berühmtem Gripstheater uraufgeführt und finden dann rasch auch zu erfolgreichen Inszenierungen an westdeutschen Bühnen. “Die Firma dankt” läuft nun seit mehr als einem Jahr an der kleinen, zumeist mit eindrucksvollen Stücken überraschenden Vagantenbühne, die sich direkt neben dem Theater des Westens befindet. Dieses Stück hält sich trotz des schwierigen Plots, das heißt, einer nicht stimmigen Aussage, die einen durchschaubaren, nachvollziehbaren dramaturgischen Aufbau vermissen läßt, kontinuierlich auf dem Spielplan.
Die Story paßt sich einer zeitgemäßen Kapitalismuskritik an und ist recht plakativ: Nach einer Übernahme der Firma sind die leitenden Angestellten sang- und klanglos entlassen worden. Alle – bis auf einen, auf Adam Krusenstern, der hier als ernsthafter, um Haltung und Würde ringender Mann auftritt, der gewohnt ist, zu leiten, zu entscheiden und sich mit klaren Ergebnissen durchzusetzen. Er hat bisher noch keine Entlassungspapiere enthalten, dafür aber die Einladung, ein Wochenende in der Landvilla der Firma zu verbringen. Für Krusenstern eine verwirrende Situation, mit der er nicht umzugehen weiß; zum einen, weil sie seinen Erwartungen völlig widerspricht, zum anderen, weil er von dem neuen Personlchef John und der Personaltrainerin Ella offensichtlich in eine Rolle gedrängt wird, die ihn als Trottel dastehen läßt: denn man will hier feiern, ein flottes Wochenende mit Sauna, Grillparty und kleinen erotischen Abenteuern begehen und sich offensichtlich keinen Deut darum scheren, mit welchem Konzept man am nächsten Tag dem neuen Konsortium gegenübertreten will.
Sie zerren alle beträchtlich an Krusensterns Nerven und seiner Ansicht von Arbeitsmoral und Umgangsformen, vor allem der lässig-floppige Uni-Absolvent Sandor, der sich herausfordernd und nervtötend herumlümmelt – und der sich, lollilutschend, ebenso albern wie unkooperativ verhält. Krusenstern versucht zu retten, was seiner Meinung nach zu retten ist und zwingt die Clownsmannschaft an den Besprechungstisch; aber die Runde scheitert, bevor sie überhaupt begonnen hat und macht ihn nur noch lächerlicher als er ohnehin in seinem korrekten Anzug und dem verzweifelten Bemühen um Ernsthaftigkeit aussieht. Der Beschluss der quirligen Mannschaft: es wird eine Begrüßungsparty für den Neuankömmling gefeiert, bei der alle nun wahrhaftig als Clowns auftreten und den armen Mann in ihrer Mitte total fertig machen. Lädiert liegt er zuletzt am Boden, nach Fassung und Verstehen ringend, was sich hier nun eigentlich abspielt. Denn keiner gibt ihm eine klare Antwort auf seine berechtigten Fragen nach dem Warum und Wozu, keiner nimmt ihn ernst, sondern jeder bemüht sich nach Kräften, ihn zu verunsichern: die flotte Biene, Alex Anasuya als süe Assistentin getarnt, die ernsthafte Personalberaterin Ella (Susanne Schnapp), die sich ihrer alten Ideale noch rechtzeitg erinnert, der gefährliche Spießer und Anpasser an jedwede Macht, John (Manolo Palma) und Johann Fohl als Sandor- der Wolf im Schafspelz.
Was geschieht hier eigentlich?
Eine scheintbar total meschugge Mannschaft stellt sich auf amerikanische Business-Verhältnisse ein: man wird eingestellt, arbeitet für kurz oder lang an einem Produkt bis die Sache erledigt ist, man duzt seine Chefs und Mitarbeiter, feiert Parties miteinander, zwanglos und fröhlich- und dann gibt es den Abschiedskuss. Hire and Fire – die Devise ist bekannt; Hübner treibt sie in diesem Stück auf die Spitze, und die Schauspieler der Vaganten spielen diese Farce so fies undhinterhältig wie sie auch gemeint ist. Wer nicht mitmacht, bleibt draußen. So einfach ist das in unserer schönen neuen globalen Arbeitswelt. Aber ein Mann zeigt Charakter, zeigt Würde und Willen, aber auch Verzweiflung in einem erbarmungswürdigen Nicht-Verstehen neuer Betriebsmanagements- und Geschäftsmethoden, die alte Werte und Tugenden hipp, hopp über Bord werfen, um den nächsten Trend zu dienen.
Der flipp-floppige Uniabsolvent entpuppt sich als Intelligenzbestie und knallharter künftiger Chef, der jäh in Krusenstern als dieser – endlich! – die mühsam aufrecht erhaltene Fassung und Fassade der Korrektheit verliert, einen interessanten Widerpart entdeckt; einen Einpeitscher, einen Mann, der sich anstelle des netten Chefs unbeliebt macht und die Mitarbeiter unerbittlich auf Leistung trimmen soll – ein willkommener Prügelknabe. Und wofür entscheidet sich Krusenstern in Anbetracht seines Alters, seiner 20jährigen Berufserfahurng, seiner Familie – wird er diese neue Rolle annehmen oder bleibt er sich selbst treu – ist das überhaupt möglich? Das Stück spielt mit Varianten und fordert von seinen Darstellern, die ja in kleinem Raum und somit unmittelbar vor ihrem Publikum spielen, eine glaubwürdige Identifikation mit ihren Rollen, die hier an einem sicher nicht fehlerfreien, aber unbedingt firmentreuen und hingebungsvollen Mitarbeiter einer alten ausgedienten Kaste ein gnadenloses, charakterloses “mobbing” vorführen. A.C.