Kollaboration

von Ronald Harwood
Gastspiel des Theaters im Rathaus Essen
Schlosspark Theater

 

Zwei Genies im Spiegel der NS-Zeit

Vor Jahren sahen wir im Schlosspark Theater ein gleichermaßen eindringliches Vergangenheits-Bewältigungsstück, dass sich mit der Rolle Wilhelm Furtwänglers in der Nazizeit in einem dramatischen Verhör mit einem amerikanischen Offizier auseinandersetzte.

Diesmal ist es Richard Strauss, der offensichtlich von der Nachwelt der Kollaboration mit den Nazis bezichtigt wird und sich – in einer fiktiven Version von Ronald Harwood – hier nun offenbaren und rehabilitieren soll.
Zwei gegensätzliche Charaktere stehen im Mittelpunkt dieser spannenden Charakterstudie, die Strauß und Stefan Zweig über ihre gemeinsame Arbeit an einer Oper hinaus zusammenschweißt und zu Freunden werden lässt –  bis Adolf Hitler und sein Rassenwahn sie für immer scheidet.
Matthias Freihof zeigt einen introvertierten, nachdenklich, depressiven Dichter, der sein Licht weit unter den Scheffel stellt – von Anfang an eher ein Prügelknabe als ein doch vom Erfolg seiner Bücher gekrönter, respektabler und verehrter Künstler. Das Joch des Fremden, des gesellschaftlich abseits stehenden Juden scheint ihn geprägt zu haben, und er wird sich kaum den temperamentvollen und leidenschaftlichen Avancen und Gunstbezeigungen seines großen Freundes Strauss erfreuen können. Eingezwängt zwischen dem Drang, seinem Genius freien Lauf zu geben, Strauss ein Libretto zu schreiben, dass beiderlei höchsten Ansprüchen gerecht wird und auf der anderen Seite der Last, das Schicksal seines verfemten und verfolgten Volkes mittragen zu müssen, wird er mit seiner zweiten Frau nach… emigrieren und gemeinsam mit ihr aus dem Leben scheiden.

Ein Mann, ein großer Historiker, Dichter und Schriftsteller, dessen Feinfühligkeit und Besonnenheit dem exzentrischen Temperament des Komponisten der Salome, der Frau ohne Schatten, des Rosenkavalier so extrem gegenübersteht, dass man über die Freundschaft der Beiden beinahe verwundert sein könnte. Peter Bause spielt Strauss mit unvergleichlicher Präsenz, lässt ihn in seinem Genius schillern und brillieren, aber zeigt auch dessen charakterliche Ohnmacht gegenüber den Peinigern des Dritten Reichs, zeigt seine Hilflosigkeit und Kapitulation, aber auch seinen bewundernswerten Mut, seine niemals versiegende Hoffnung, dass die Kunst, seine Kunst und die seines  Freundes Zweig den bösen Zeitgeist schnell überwinden wird. Die Kunst hat zwar überlebt, sein Freund indes nicht.

Bause und Freihof sind zwei intensive Schauspieler, die jede Faser ihres Herzens in diese Rollen verpflanzt haben und durch ihre Identifikation mit zwei großen Männern der Muse alle Zweifel und alle Diskussionen über Schuld und Verurteilung aufheben.

Dass Strauss seiner halbjüdischen Familie wegen Zugeständnisse machen musste, dass er aber so naiv oder so unverfroren war, Zweig in aller Offenheit in seinen Briefen mitzuteilen, was er wirklich von den Nazis hielt und dabei sich fast um Kopf und Kragen gebracht hätte, dass er andrerseits aber auch ein Mann ohne Kompromisse war und für seine Musik alles zu tun bereit war oder fast alles, lässt tief in die Seele eines Komponisten blicken. Absolut der eine im Kampf um seinen künstlerischen Freiraum und zutiefst getroffen der andere, der seine Kunst ohne absolute Freiheit nicht verwirklichen kann und in der vermeintlichen Schuld um seinem vernichteten Volk  in den Tod folgt.

Die Parts von Hellena Büttner als couragierte Frau Strauss und Marlen Ulanska, die ihren geliebten Ehemann bis zum letzten Tag begleitet, sind nicht minder stark ausgeformt, und Thomas Martin muss leider den fiesen Schergen der Hitlermannschaft spielen, der Strauss brutal unter Druck setzt. Man kennt dies aus vielen anderen Stücken und ist immer wieder erneut entsetzt über so viel Zynismus, der in den Menschen wohnt…

 Das Berliner Publikum zeigte sich tief beeindruckt und würdigte dies „Konversationstheater der besten Sorte“, wie es im Programm betitelt wird, mit herzlichem Beifall.A.C.

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