Venus im Pelz, B

  von David Ives

Renaissance Theater, 2013/14 Berlin
deutschsprachige Erstaufführung
Regie: Torsten Fischer, Bühne: Vasilis Triantafillopoulos
Lichtgestaltung: Gerhard Littau, Maske/Kostüme: Bettina Gawronsky/Ulrike Göbel-Lindner

mit: Annika Mauer als Wanda und Michael von Au als Thomas


Vom Macho zum Maso

Totale Unterwerfung oder was? Die Lust am Quälen und Gequältwerden – ein immerwährender Kampf gegen die Krallen der fauchenden Tigerkatze – ein blutrünstiges Bacchanal – was auch immer als Eindruck bleibt, es ist in jedem Fall entsetzlich, einem Geschlechterkampf beizuwohnen, der eigentlich schon den Endsieg der Furien vorausschickt; Göttliche Venus oder teuflische Hexe – die Rächenden, Beleidigten, Erniedrigten wissen seit ehe und je das Blatt zu wenden und letztlich als Siegerinnen auf dem Podest – hier dem männlichen Körper – zu triumphieren.
Ist es das, was uns zunächst – im Jahre 1870 – der „edle Ritter“ Leopold von Sacher-Masoch aus seinem Leben erzählen wollte, was wenig später der Freiherr von Krafft-Ebing mit dem Terminus „Masochismus“ umschrieb und das jeden Psychiater mit Schrecken erfüllt, wenn die Beteiligten von der „Wollust erduldeter Grausamkeit“ sprechen ?
Noch später, über anderthalb Jahrhunderte hinweg, versuchte der Amerikaner David Ives, dessen im Programmheft abgebildetes Profil eher einen leicht depressiven Büromenschen vermuten lässt, die biografische Novelle des Sacher-Masoch „Venus im Pelz“ als Spiel im Spiel auf die Bühne zu transferieren, was dem vielseitigen Autor, Übersetzer und Musical-Produzenten eine Menge Ruhm einbrachte.

Ob seine Groteske über die Superdomina und den vom exzentrischen Macho zum devoten Maso mutierten Mann jedermans Geschmack trifft, mag dahin gestellt sein. Im Renaissance Theater jedenfalls gelingt dem Hausregisseur Torsten Fischer eine spannende Inszenierung, was natürlich nicht zuletzt seinen beiden fabelhaften Protagonisten zu verdanken ist: Annika Mauer als grandios wie ein Chamäleon in vielerlei Nuancen changierende Prostituierte Wanda, die sich zunächst rotzfrech, dann mit schlauer Einschmeichelei bei Thomas die schwere Rolle der Wanda ertrotzt – und Michael von Au als dreitagebärtigerer, nicht mehr so ganz frischer Regisseur, der sich nach und nach von seiner psychischen Spannung „erlösen“ lässt bis er dem weiblichen Biest willenlos zu Füßen liegt. Wobei ein wildes, wütendes, lustvoll-verzweifeltes erotisches Wechselspiel entsteht, das im erstaunlicherweise auf jegliche Berührung zwischen Wanda und Thomas verzichten kann, ohne an dramatischem Effekt zu verlieren.

Das Thema, das seinerzeit die Gemüter hochgradig entsetzte, ist auch heute nicht gerade der Lieblingsstoff in den Träumen der meisten Menschen, ist aber aber dennoch auf Bühnen und in Filmen in vielerlei gut getarnten Variationen präsent und wird zumeist als Befreiung der Frau von der maskulinen Vorherrschaft, der Umkehrung der Geschlechterrollen oder als die Lust an perversen Vergnügen in intellektuell abgwandelten Variationen behandelt. In der Psychoanalyse allerdings bedarf es einer Vielzahl von Sitzungen, damit die Patienten zu einer tieferen seelischen Liebesfähigkeit finden. In diesem Stück geht es vorwiegend um extreme erotische Wünsche und eine unausgelebte Triebhaftigkeit, die auf einer zerstörten seelischen und körperlichen Potenz, einer frühkindlichen Verwirrung und der späteren Unfähigkeit, wirklich zu lieben, beruht.

So ermüdet das aufreizende, ja eher aufgeheizte Spiel mit den Flammen des Sexualität dann doch nach einer Stunde, und es gibt, entgegen den Gewohnheiten in diesem Haus, keinerlei Pausenerholung. Und es gibt auch eigentlich am Ende keine Lösung oder gar Er-lösung in diesem Kampf, der schon bei Kleist die liebes- und ehrwütige Amazonenfürstin Penthesilea den geliebten Achill, Feldherr der feindlichen Griechen, von ihren Hunden zerfleischen ließ. Es gibt also weitaus brutalere Stücke zu diesem Thema! Reizender dagegen die Shakespeare-Adaptionen einer „Zähmung der Widerspenstigen“! Und nicht zu vergessen die seelische Zerstückelung ihrer Liebe zwischen Martha und George in „Wer hat Angst vor Virgina Woolf?“ von Edward Albee.
Einige erbauliche Aphorismen wie „“Wir alle sind leicht erklärbar, aber nicht erlösbar“ verhindert keinen einzigen Gürtelschlag und auch die Frage danach, wer in dieser Art von Beziehung lieber Amboß oder Hammer sein möchte, bleibt unbeantwortet. Auch “dass Liebe gelernt sein will“ ist nicht mehr als eine Binsenweisheit, und so bleiben viele Fragen offen, wenn der Vorhang fällt. Aber: toller und gerechter Beifall für Annika Mauer und Michael von Au, die auf einer sparsam, aber effektvoll dekorierten Bühne mit der Handlung entsprechendem Donnergrollen und grellem Blitzgewitter durch ein versklavtes erotisches Beziehungschaos toben. A.C.

 

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