Der ideale Mann, B

von Oscar Wilde/Elfriede Jelinek
deutsch von Karin Rausch

Renaissance Theater 2014
Regie:Torsten Fischer, Ausstattung: Vasilis Triantafillopoulos
mit Heikko Deutschmann als Sir Robert Chiltern, Anke Fiedler als Lady  Chiltern, Anika Mauer als Lady Chevely, , Guntbert Warns als Lord Goring, Christin Nicols als Miss Mabel Chiltern, Roberts Schwester, Jürgen Thormann als Lord Caversham, Ralph Morgenstern als Lady Basilton und Diener.


Wenn aus der Satire Ernst wird und Ideale zu Bruch gehen

Auch die “ideale Frau” gibt es zur Zeit ebenfalls im schönsten Jugendstiltheater Berlins, aber die ist von William Somerset Maugham und gilt als prickelndes Pendent zur Wildes bittersüßer Gesellschaftssatire.

Wir erfreuten uns an den abgrundtief sarkastischen Bonmots Oscar Wildes, die auf einer mit Spiegeln und elegantem tiefblauen Mobilar auf glitzerndem schwarz-weißen Marmor dekorierten Bühne mit   altbekannten Darstellern passend in Szene gesetzt sind. Nur wenigen Dichtern gelang es, die sinnentleerte Dekadenz einer Epoche so treffend aufzuspießen, wie Oscar Wilde, ausgenommen vielleicht vor langer Zeit Molière oder nach ihm George B. Shaw, die ihren Zeitgenossen einen klaren Spiegel vor Augen hielten. Die Betrachter selbst konnten und können gar nicht so recht über sich lachen und vergalten ihren Genies ihren geistreichen Spott stets mit übler Verleumdung.
Ob es heutzutage eine Bereicherung darstellt, wenn eine männerfeindlich gesonnene Autorin wie Frau Jelinek sich daran begibt, die herzliche Persiflage auf Englands Gesellschaft mit harschen Worten in unsere Zeit zu transferieren, mag dahin gestellt sein. Solange jedenfalls auf der Bühne bis zur Pause der Original-Wilde weitestgehend das Sagen hat, macht die Aufführung Spaß. Man weidet sich an den köstlich herausgeputzen Damen und Herren, den Intriganten und falschen Freunden, den Karrieremachern und Emporkömmlingen, vor allem an der reizenden Erpresserin Mrs. Cheveley, der Anika Mauer Verruchtheit und Charme, züngelnde, bezwingende Boshaftigkeit gepaart mit verführerischer Koketterie verleiht, mit der sie einen alten Bekannten, Sir Robert Chiltern, in die Falle lockt. Und dieser, ein smarter, populärer, in den Augen seiner vornehmen Frau Gertrude ein charakterlicher und moralischer Superhero, befindet sich als Politiker gerade auf einem Höhenflug und soll nun gegen seine Überzeugung  im Parlament für ein Projekt stimmen, in das die schöne Lady Chevely investiert hat. Er schlägt es ihr natürlich rundherum ab, doch die hat die besseren Karten – nämlich den Beweis einer bösen Verfehlung aus seiner Vergangenheit, die ihm einst zur politischen Karriere, Reichtum und Macht verhalf…

Um dieses aparte Paar herum wuseln natürlich die unschuldig engelsgleiche humorlose Ehefrau, ein lässig-nobler Nichtstuer und ständiger Gast des Hauses, in dem sich Wilde offensichtlich selbst karikiert und der von Guntbert Warns als ältlicher Bonvivant gespielt wird, der nicht aufhören kann, sich ewig jugendlich und unabhängig zu gebärden. Der einzig Vornehme in diesem Kreis ist dessen alter Herr, der schierweg an seinem leichtlebig herumlungernden Sohn verzweifeln möchte. Auch eine junge, extrem überkanidelte mögliche Braut in spe hat sich an dessen Fersen geheftet und ignoriert in ihrer kindlich kultivierten Frivolität ganz einfach alle frauen- und ehefeindlichen Sprüche und Witzeleien.

Doch da gibt es noch mehrere und hohe Barrieren zu überwinden bis diese Ganoven aus besseren Kreisen ihre angestammten Plätze wieder einnehmen können und ein absurd harmonisches Finale eingeläutet werden kann. Denn jetzt steht Frau Jelinek nach der Pause als Mahnerin im Hintergrund, und nichts ist mehr so leicht wie es vorher war. Jetzt ist die Rede von “behindertenfreundlichen Toiletten” (Wilde hätte nicht einmal das Wort zur Kenntnis genommen!), von Bankrotteuren, bestechlichen Politikern und korrupten Schmarotzern.

Für den “idealen Mann” – Heikko Deutschmann – bleibt nach einem rhetorischen Höhenflug als selbstherrlicher Macho, mit der er sich und seinesgleichen zu rechtfertigen sucht, die bittere Einsicht, dass die Vergangenhiet jeden einholt, und dass er als moralischer Abgott seiner Frau nun ziemlich lädiert ist. Er behält zwar seinen Sitz im Parlament, ja er steigt absurderweise noch weiter auf, doch wird er irgendwann zur Kenntnis nehmen müssen, dass seine engelsgleiche Gattin vom hohen moralischen Thron herabgestiegen ist, um sich kleine außereheliche Eskapaden zu gestatten …

Die ins Abseits, aber noch lange nicht ins Aus gedrängte schöne Mrs. Cheveley wird weiterhin von ihrer so reizend perversen überaus spitzzüngigen Freundin, Lady Basilton, unter die Fittiche und in die Salons genommen werden, in denen sie mit boshaften charmanten Lebensweisheiten die Menschen demaskiert. Ralph Morgenstern rückt diese köstliche Karikatur einer Gesellschaftslöwin von Zeit zu Zeit ins rechte Rampenlicht, wenn er nicht gerade als Butler zweier Herren durch die Gegend kellnert. A.C.

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