Die spanische Stunde, OL

von Maurice Ravel – Libretto von Franc-Nohain
Musikalische Komödie in einem Akt, Uraufführung am 19.Mai 2011 in der Operá-Comique, Paris
Oldenburgisches Staatstheater, November 2020
Für Oldenburg arrangiert von Hendrik Vestmann; Bearbeitung von Klaus Simon; Oldenburgisches Staatsorchester, Leitung Leitung Hendrik Vestmann, Vito Cristofaro; Regie:Tobias Ribitzki, Dramaturige Annabelle Köhler, Bühne und Kostüme: Stefan Rieckhoff, Video: Sven Stratmann, Licht: Steffi Flächsenhaar
mit: Conceptión: Erica Back/Ann-Beth Solvang; Gonzalve:Jason Kim; Torquemada:Philipp Kapeller; Ramiro:Kihun Yoon, Don Inigo Gomez: Ill-Hoon Choung

Spanischer Pfeffer und  l’amour Francaise.

Viel zu schön, viel zu kurz, Brezel statt Premierenfeier, keine Aufführungen im November (den Umständen geschuldet).

Wieder einmal haben die Oldenburger tief ins Schatzkästlein der Komponisten gegriffen und eine selten gespielte Boulevard Komödie von Maurice Ravel herausgezogen, die so allerfeinst arrangiert und inszeniert ist, so haargenau typgerecht besetzt und so amüsant gespielt, dass man ein diebisches Vergnügen an diesen eigentlich doch allerweltbekannten, so typischen erotischen  Verwirrspielen hat und kaum verstehen möchte, dass sich anno 1911 die feine Gesellschaft geschockt gab….
Nach französischem Geschmack und mit spanischer Folklore musikalisch changierend, entwickelt sich dieses turbulente, höchst “verwerfliche” Spielchen, das die schöne, aber leider von ihren sturen Ehemann vernachlässigte Conceptión mit ihren beiden Liebhabern spielt, zu einer höchst verwickelten Situation. Wobei aber kein Zweifel darin besteht, dass es sich um ein einfallsreiches flottes Frauenzimmer, einen naiven Ehemann, zwei unbedarfte Möchte-Gern-Liebhaber sowie einen verschmitzten Außenseiter handelt, der zum Schluß der Lachende Vierte unter den Bewerbern der Schönen sein wird. Sein Geheimnis: er ist groß und kräftig, singt nicht nur das hübsche kleine Oldenburger Schloß in Grund und Boden (später allerdings auch überraschend mit zärtlichem Tenor liebeswerbend die feine Gesellschaft karikierend?), sondern überrascht durch seine freundliche Hilfsbereitschaft, mit der er unaufhörlich zwei Standuhren treppauf, treppapp schleppt, und diese mit gewichtigen Inhalt…

Wenn die Stunde schlägt, und der Meister das Haus verläßt, um die Rathausuhr zu richten, dann schlägt die Stunde für Concepcion, die Gattin des Uhrmachers, die auf ihren Galan wartet. Doch diesmal hat das Schicksal ihr einen Strich durch die amouröse Rechnung gezogen: kurz bevor der Meister seinen stattlichen Uhrenpark und sein nicht minder attraktives Weib verläßt, kommt noch ein Überraschungkunde, ein Maultiertreiber, stattlich und gemächlich daher und möchte seine Uhr, ein Erbstück, repariert haben. Don Gomez vertröstet ihn bis zu seiner Rückkehr und heißt ihn, in der Gesellschaft seiner Frau auf ihn zu warten. Ramiro ist’s recht und heimelig unter den lustig tickenden schönen Uhren und der noch schöneren Frau des Hauses. Um den Maultiertreiber los zu werden, schmeichelt Concepcion seiner Kraft und überredet ihn, eine der beiden Standuhren in ihr ZImmer ins obere Stockwerk zu bringen. Ob er das schwere Ding tragen kann? Natürlich, ein Leichtes für den Kraftprotz, so tönt es über alle Ränge bis an die Schlosskuppel des Theaters. Und kaum ist der Bursche samt Uhrungetüm zur Tür hinaus, trifft Liebhaber Nr. 1 ein, ein lieblicher Poeme dichtender Galan, doch soll er nicht reimen und schwermütig schmeicheln, sondern die kostbare Stunde nicht vertändeln, Conceptcion kennt alle seine zärtlich wundersamen Tiraden zur Genüge. Und wirklich schwindet die Zeit – tick tack steht der freundliche Maultiertreiber schon wieder vor ihr, Auftrag erfüllt. Doch weit gefehlt. Jetzt geht das Durcheinander erst richtig los, gemanagt von einer selbstbewußten Jongleuse, die mit drei Männern so geschickt verfahren kann, dass stets nur einer sichtbar bleibt.

Für die Sänger scheint das ebenfalls ein Heidenspaß zu sein; denn sie dürfen endlich wieder, wenn auch vorerst nur für einen Abend, auf der Bühne stehen; prachtvoll weiß sich Ann-Beth Solvang energisch aus der brisanten Lage zu ziehen, und kann doch mit ihrem so selbstverliebten Poeten nicht zum Schäferstündchen kommen, denn der betört die Angebetete stets etwas zu lange, und, schwupps, ist die passende Gelegenheit schon wieder verdichtet. Der tölpelhafte beleibte Bankdirketor ist für die Dame auch keine rechte Alternative, und so hat Conceptión jede Minute damit zu tun, die Beiden von einander entfernt und sich den einen vom Leibe, den anderen vom Dichten abzuhalten. Das Orchester untermalt im Hintergrund die Situation mit temperamentvoller Tradition und der großartigen Tonmalerei Ravels. Stierkampf-Rhythmen und Folklore greifen das Zeitmaß der tickenden Uhren auf und entwickeln ihre eigene Ästhetik in leichter, anmutiger, doch auch in einer in der Komödie bisher selten so verdichteten Feinsinnigkeit.

Es gibt also Turbulenzen genug und immer wieder Versuche, irgenwie ein Liebesarrangement mit dem zögerlichen Poeten zu finden. Derweil  läuft der Zeiger der großen Bühnenuhr auf das Ende der Stunde zu, und die Ankunft des Gatten naht. Was tun, wie sich herauswinden, wie die Männer in den Uhren erklären, und wer ist nun eigentlich der Liebhaber?
A.C.

Viel Beifall und Dank für ein tolles Ensemble, und zum Schluss die Hoffnung, im Dezember wieder frei spielen zu können.

 

 

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