Das schlaue Füchslein, HB

Oper in drei Akten von Leon Janácêk nach einer Novelle von Rudolf Tésnohlidek
in einer musikalischen Fassung von Jonathan Dove
Theater am Goetheplatz, Bremen, 2021
Musikalische Leitung: Marko Letonja, Chor: Alice Meregaglia, Philharmonisches Orchester; Regie: Tatjana Gürbaca, Dramaturgie: Isabelle Becker, Bühne: Henrik Ahr, Kostüme: Silke Willrett und Carl-Christian Andresen, Licht: Stefan Bolliger;
mit:^Christoph Heinrich, Förster; Marysol Schalit, Schlaukopf; Nadine Lehner, Fuchs; Christian AndreasEngelhardt, Schulmeister,M+ücke ; Daniel Eggert, Pfarrer, Dachs; Stephen Clark, Landstreicher, Ulrike Mayer, Försterin; Sungkuk Chang, Gastwirt; u.a. Kinderchor, Hühnerchor, Stimmen des Waldes: Chor des Theater Bremen,  viele lustige Tiere/Sängerinnen/Sänger

 

Hommage an die Natur

Das scheint das Konzept der Regie zu sein, frei nach dem Komponisten und Autor dieser reizenden, gleichwohl tiefsinnigen Geschichte von menschlichen Gefühlen und tierischem Leben: Aus sparsamen Monologen entspinnen sich nicht nur eine, sondern viele Geschichten um die Schicksale aller Beteiligten. Und gespickt ist diese sich natürlich um Liebe, Leben und Tod rankende kleine Schauspieloper mit allerlei schrägen und bewegenden Momenten; schon der Auftakt inmitten der sinnlich-heiteren Ouvertüre: da schlingt sich in tollen Verrenkungen eine Artistin mit schwarzen Flügeln und grünem Trikot wie ein seltsam schillernder Vogel mit einem zum Seil gebundenen Tuch in die Höhe der weißen Zirkusrotunde. Erst am Schluss wird sie wieder auftreten – denn Anfang und Ende sind austauschbar; ihr Motto ist die Hingabe zur Natur, ihre  einzigartigen Schönheiten und Fremdartigkeiten, ihre Verheißung des Immerwährenden und des stetigen Neuanfangs wahrzunehmen.

Und am Ende kennt man sie alle eigentlich recht gut: die hinreißend bewegliche und verführerische Marysol Schalit als Fuchsfrau, die nicht nur den Förster um seine nächtliche Traumruhe bringt, sondern auch einen verliebten Fuchsmann, mit dem sie – gezählt -10 Kinder haben wird. Abgesehen von ihrer Schläue, mit der sie Menschen und Tiere umgarnt und in höchsten Tönen zu verlocken versteht – sei es, um ihre Freiheit zu erlangen, sei es, um die dummen dickbäuchigen Hühner zur Revolution gegen ihren Unterdrücker-Hahn aufzuwiegeln, sei es um ihrem Liebsten von ihrem bei den Menschen erlittenen Leid zu klagen oder ihre  kindliche Rasselbande vor den tödlichen Fallen der Menschen zu bewahren. Ihrem eigenen Schicksal allerdings wird sie nicht entgehen können. Das ist das Lied der Natur und der Wilderer, die um der eignen Freiheit willen gegen die Gesetze des Waldes, der Natur, des Waldes, der fairen Jagd verstoßen.

Und das ist der Förster, ein unzufriedener, trauriger Mann, der seine Geliebte nicht hat für sich gewinnen können, von der wir hier nicht mehr als den Namen erfahren, aber da diese wilde und wohl ausnehmend schöne Zigeunerin alle Männer des Dorfe ins Unglück gestürzt hat, hätte ihr wohl mehr Raum gegeben werden können: Terynka, als ungezähmtes Naturkind in der alten Novelle beschrieben, die der Komponist für seine Oper 1924 adaptierte. Da tiefe Stimmen von Natur mit traurigem Timbre veredelt werden können, haben die Herren des Stammtischrunde allesamt Trauer um diese verflixte Frau zu tragen. Christoph Heinrich als verzweifelter Förster fängt zwar zufällig das kleine Fuchsmädchen bei seinem unvorsichtigen Spiel im Wald, doch zuhause versucht er es zu zähmen, nicht immer sanft, doch wohl auch mit einem Anflug von Liebe zu der geschmeidigen und anschmiegsamen Wildheit des Tieres bis sich das Schlaue Füchslein aus der menschlichen Haft befreien kann, den Avancen des Hofhundes und den Streichen der beiden Jungen und dem nicht unverständlichen Hass der Hausfrau entzieht, die immerhin nicht nur ihren Mann an die Natur (wie auch immer) sondern auch zwei Hühner samt Hahn verloren hat, die nun mal die Lieblingsspeise von Füchsen sein sollen.
Im Dorfgasthaus werden die männlichen Gelage von wenig geistreichen und derben Gesprächen begleitet. Wir finden dort den Pfarrer, dessen Schicksal ebenfalls mit dieser wilden Schönen verknüpft ist sowie mit einem entsprechend falschen wie bösen Leumund, der ihn aus dem Dorf treibt. Dem Lehrer geht es seelisch auch nicht besser, und der Schankwirt muss den Dreien am Ende die vernichtende Botschaft überbringen, dass der Landstreicher Hochzeit feiert und seiner Terynka sogar einen wunderschönen Fuchspelz geschenkt hat…

Und wieder behält das Regieteam dank seiner exquisiten Sänger, ihrer  spielerischen Intensität und dem mitreißenden Orchester Recht: man verlässt die Oper beschwingt von einer ebenso farbenkräftigen wie sensiblen Tonsprache in der poetischen Übertragung des Erzählens, kunstvollen instrumentalen Verbindungen sowie einer stets dem Erzählcharakter des Stoffes angepassten charakteristischen Rhythmik überaus angeregt.
Die Enttäuschung der Männer, die ihren Lebensfrust in nächtlichen Gelagen unbeherrscht Ausdruck verleihen, kontrastiert mit den lieblichen kindlichen Tierchören und der übereinstimmenden Begleitung des großen Chores im Zusammenspiel zwischen impulsiver Ausdruckskraft und romantisch anklingender Folklore. Es ist keine Parabel, Menschen sind nicht tierisch und Tiere nicht menschlich, obschon Klatsch und Tratsch ja bekanntlich vor allem unter Vögeln und Füchsen Gang und Gebe sein soll… Die Erzählung zeichnet eine Welt im Kontrast zwischen Mensch und Natur, die ist, wie sie ist und die sich verschenken kann, wenn man sich ihrer Schönheit und dem Klang der Stille  hinzugeben wagt. A.C.

 

 

 

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