Marie-Antoinette oder “Kuchen für alle”, B
Autoren und Regie: Peter Jordan und Leonhard Koppelmann; Bühne: Stefanie Bruhn; Kostüme: Barbara Aigner, Musik: Philipp Haagen
Uraufführung 30.10.2022
in der Komödie am Kurfürsten damm/ Schillerhteater, Berlin 2022
mit: Anna Thalbach (Marie-Antoinette), Alexander Simon (Ludwig XVI und Älterer Revolutionär); Max von Pufendorf (Jean-Pierre de St. Nazaire Le 4E, Kardinal Louis de Rohan, Guillaume de la Tour, Robbespierre); Annika Kuhl (Cécile, Madame Dubarry, Napoléon) und Philipp Haagen: letztes Mitglied des königlichen Orchesters.
Was am Ende übrigbleibt
Sie hat diesen Satz nie gesagt, und es reicht ihr langsam, als sie die blöde Botschaft zum Balkon hinaus schreien muß, auf ein kleines Völkchen unterhalb, das sie ohnehin nicht versteht – nur damit die Geschichtsklittung stimmt, Für Anna Thalbach mal wieder ein Glanzrolle, bei der sie als Karikatur in ein viel zu enges gschmackloses Barockkleid gezwängt, die gesamte Bühne füllt, beziehungsweise das schmale Boudoir, das ihr und ihrem Gatten Ludwig noch nach dem totalen Konkurs geblieben ist. Nun warten sie, ihr treuer und wahrhaft vornehmer Diener sowie der leise klimpernde Musikus und ein unbeholfenes Dienstmädchen auf das Schaffott. Blöde Situation. Und König und Königin bemühen sich wacker, die grauslige nahe Zukunft zu bespotten und zugleich noch ein paar alte eheliche Konflikte aufzuarbeiten.
Marie-Antoinette oder wie die als Maria Antonia von Österreich geborene Erzherzogin vor der Ehe hieß, war wohl laut Historie niemals so recht beliebt. Aber das ist ja Franzosenart: wer außerhalb ihrer Sprache oder ihres Landes (oder ihres Standes in diesem speziellen Fall) geboren ist, zählt als nicht vollwertig. Auch andere Spitzen und Bonmots geistern durch die quirlige Farce, für sie sich Anna Thalbach als kreischende, krächzende und furiose Königin gibt, zuweilen aber auch als rauchig gurrendes Turteltäubchen, wenn sie ihren aufgebrachten Ludwig umgarnt, der sich nach der Auflösung seines Königreiches und seines Haushaltes ziemlich verzweifelt zeigt – und auch der Wein ist nicht mehr der alte. Auch wenn Alexander Simon mehr Komödiant als Tragödienheld ist, legt er doch so dann und wann ziemlich harsche Herrscherallüren an den Tag, so daß die ganze Baggage heftigst zusammenzuckt. Selbst Robespierre, der mit lässigem Auftritt am Ende am putinartigen Riesentisch, sich seines Erfolges nun gar nicht mehr so gewiß, über die zweifelhafte Souveränität des Volkes resümiert. So stehen sie alle mal stramm, lästern und revolutionieren und versuchen, im alten Trott, beziehungsweiswe im blutigen Terror Trost zu finden.
Berliner Zeitbonmots inbegriffen, bereiten sich die giftende Österreicherin und der Franzose als Bonvivant auch angesichts des bevorstehenden Untrgangs auf eben diesen vor mit geradezu entwaffnender Akkuratesse vor: denn da läßt Ludwig doch glatt eine MIniguillotine bauen und fährt sie eigenhändig ins Gemach, Marie-Antoinette legt sich zur Probe schon mal unter das hübsche Fallbeil, dreht und wendet sich und möchte doch bitteschön vorteilhaft zerteilt werden. Es ist wohl doch eine kleine Meisterleistung von Autoren und Darstellern und der Regie natürlich, dass diese Comedia dell’Arte mit dem Untergang einer uralten Dynastie und dem blutigen Neubeginn einer noch lange nicht gelungenen Volksherrschaft so überaus makaber-heiter jonglierend daherkommt.
Ganz entzückend läßt Annika Kuhl den kleinen Napoléon als zehnjährigen Knirps mit entwaffnender Selbstgewißtseit auftreten, so daß sogar Ludwig erstaunt zur Kenntnis nehmen muß, wer da eines Tages die Weltherrschaft antreten wird. Das muntere Spiel speist sich aus dem würdevoll auftretenden Diener, dem Max von Pufendorf wie in allen anderen Rollenparts eine Persönlichkeit verleiht, auch Annika Kuhl als extravagante überhebliche Madame Dubarry, langjährige erste Geliebte des Königs, weiß sich auf der Jagd nach ihrem Diamanten Halsband blendend darzustellen und drängt die vor wutschäumende Marie-Antonette aufs Ehebett zurück, wobei diese sich nur noch als letzten hämischen Triumpf den Besitz der begehrten Beute gönnt. Dass die Dubarry in ihrer Schmuckbegierde hernach selbst ein Opfer des Schicksals wird, wird mit erstaunlicher Heiterkeit quittiert, und wenn allesamt auf dem roten Fußboden ausrutschen und einer dem anderen ungeschickt auf die Beine zu helfen versucht, merkt man eigentlich nicht wirklich, das hier mit Menschenblut gespielt wird. Die Kulisse aus abblätterndem Lack, gold-, rosa- und grünbemalten Wänden und Säulen, himmelblauem Bett und turmhohen Kissen und Frisuren betrachtet höhnlisch eine vergangene Zeit. Geblieben aber sind die prachtvollen mit glitzernden Lüstern, edlen Hölzern und die mit viel Blattgold geschmückten Ballsäle der großen Schlösser jener Epoche, hier halbseitig als Fotomontage zum Bühnenbild genutzt.
Das Stück läuft und läuft und läuft und füllt immer wieder den großenTheaterraum des Schillertheaters. Man müßte sich allerdings um die Stimmbänder von Anna Thalbach sorgen, die sie mit ihrem unglaublichen Temperament und einer Spielleidenschaft ohnegleichen gefährlich strapziert. Immer begeisterter Beifall für das gesamte Ensemble.A.C.