La forza del destino, B

Die Macht des Schicksals

Oper in vier Akten von Guiseppe Verdi, Libretto  von Francesco Maria Piave und Antonio Ghislanzoni nach dem Drama “Don Alvaro o la Fuerza del sino” von Angel de Saavedra, Duque de Rivas, Uraufführung 1. Fassung 1862 in St.Petersburg,, 2.Fassung Mailand 1869
Deutsche Oper Berlin, Premiere 2019, Wiederaufnahme 2023
Regie:Frank Casdorf, Dramaturgie: Jörg Königsdorf; Bühne: Aleksander Denic; Kostüme: Adriana Braga Peretzki, Licht: Lothar Baumbarte, Video: Andreas Deinert, Kathrin Krottenthaler, Maryvonne Riedelsheimer;
Musikalische Leitung: Paolo Carignani, Orchester der DO Berlin; Chöre: Jeremy Bindess
mit: Stephen Bronk: Marchese von Calatrava; Hulka Sabirova: Donna Leonora, seine Tochter; Roman Burdenko: Don Carlo di Vargas, der Bruder; Don Alvaro, ihr Liebhaber: Jorge de León; Preziosilla: Jana Kunocová; Pater Guardian: Ante Jerkunica; Fra Melitone:Philipp Jekal; Curra: Karis Tucker; Alkade: Padraic Rowan; Mastro Tabuco: Ya-Chung Huang; Chirurgus: Byung GilKim; Ronni Maciel: Der Indio

Dominanz von Krieg und Kirche

Selten drifteten Musik und Inszenierung dermaßen auseinander: Während im Orchestergraben eine wunderschöne, dramatisch zärtliche, leidenschaftlich schwingende instrumentale Stimmigkeit und Ausgewogenheit die Verdifreunde ins Träumen bringt, ächzen auf der Bühne die Verwundeten und Opfer des 2. Weltkrieges, kämpfen spanische und Italienische Soldaten gegen die Deutschen, sind die Lazarett-Schwestern hilflos überfordert, tropft das Blut der schwer Verwundeten aus allen Körperteilen – und mittendrin herrscht die unversöhnliche Rache eines Mannes, die ein tragisches Liebespaar vernichten wird.
Das ist der Entscheidung geschuldet, nach anderen deutschen Großstädten nun auch in Berlin den berühmten Großinquisitor des deutschen Theaters, Frank Casdorf, verehrt und bewundert von einer großen Fangemeinde seit seiner nicht unbedeutenden Ära an der Berliner Volksbühne, mit dieser  Inszenierung zu betrauen, und damit seine ureigenste Marke wieder zu beleben: nämlich das Chaos aus Tod und Verdammnis auf der Opernbühne zu installieren. Grau und düster sind die Farben des Lichts, das nur hier und da aufflackert, wenn es gilt, die himmlische Stimme von Hulkar Sabrinova, ihr unendliches Flehen zu Gott und zu allen überirdischen Mächten, ihr beizustehen und ihre Schuld zu sühnen, zum Leuchten zu bringen. Auch, sobald sich das Licht auf ihren Geliebten Don Alvaro richtet, der versehentlich den ihm feindlichen gesonnenen Marchese von Calatrava, Leonoras Vater, erschießt, erliegt man der Schönheit seiner einnehmend melodisch variablen Stimmfestigkeit, um nicht zu sagen, seiner bezwingenden Verführungskunst im besten Sinne. Mit ihm ein unverdientes Schicksal zu durchleiden, hätte eine andere Inszenierung erfordert. Denn: eine Oper sollte weder Schauspiel, noch Film imitieren, und es ist auch kein Videospektakel zwischen Krieg und Frieden;  Die Freund- und Feindschaft zwischen Alvaro und Don Carlo, Leonores Bruder, der die Liebenden töten will, um den Vater zu rächen, kann nur durch die Macht der Musik emotional ergreifen. Jede Lazarett-Großaufnahme führt in eine andere Dimension, vernichtet sogar die Konzentration auf das Orchester, dessen Maestro den Sängern den Vortritt läßt, sie sicher betreut und doch nichts gegen die grausame Dominanz der Bilder ausrichten kann.

Denn es gelingt Alvaro nicht, den blindwütigen Hass von Don Carlo zu besiegen. Mächtig sind Statur und Stimme von Roman Burdenko, der unbarmherzig seine lodernde Wut gegen den einstigen Waffenbruder schleudert. Die Blindheit eines Wahnsinnigen vernebelt alle Chancen einer Vergebung. Racheteufel in persona ist dieser Don Carlo di Vargas, der den Tod des Vaters rächen und auch die  Schwester richten will und wird. Ein Schauerdrama, nicht nur mitten im Krieg, sondern auch in einer strengen katholischen Gesellschaft, die die Menschen, auch jene, die ohne Schuld und Tadel sind, in ihre sühnende Mangel nimmt. Dass natürlich bei den Priestern große Bässe die Szene bestimmen und damit die Stimmung noch mehr verdüstern, ist dem Genius des Komponisten gezeugt.

Dass viele Opern ziemlich oberflächlich mit grausamen Themen spielen, die zumeist unter einer großen Orchestrierung dem Komponisten nur als Anlaß dienen, um großartige Musik zu schreiben, ist ja ohnehin keine offene Frage. Deshalb sind diese als optische Vertiefung auch eher selten auf der Bühne dargestellt – Chöre sind Soldaten, Nonnen, Gesinde, Gesellschaftsteile jeglicher Art. Solisten singen Arien, Duette, Terzette und so weiter und bezaubern in jedem Fall, auch wenn das Leben noch so düster ist – was in diesem Stück der schillernd frechen Wahrsagerin mit einem schmetternden Mezzo vorzüglich gelingt (Jana Kurocová). Selten werden auch die kruden Eigenschaften von Diktatoren, machtbessenen oder männerfeindllchen Frauen wie Tosca visualisiert, die ja die Köpfe ihrer besiegten Bewerber auf den Schlossmauern aufzuspießen pflegt. Auch Mozarts Idomeo wird zur Zeit ja optisch aufgerüstet.
Dass zusätzlich natürlich auch der Zeitgeist des schlimmen spanischen Kolonialismus auf die Bühne in Gestalt eines mageren, als glitzernder Revue-Boy entkleideten Indios tritt, der das Elend seiner Heimat verkörpert und einmal in deutscher und dann in eigener Sprache die Ursupatoren anklagt, ist befremdlich, wird zwar herzlich aufgenommen, ist aber eigentlich ein anderes Thema und gehört nicht zum Wesen dieser Oper! Viel Beifall für Orchester, große Solisten und  wie immer, wunderbare Verdi-Chöre! A.C.

 

 

 

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