Extrawurst, B

eine Komödie von Dietmart Jacobs und Moritz Netenjakob
Im Renaissance Theater Berlin, 2024
Regie: Guntbert Warns, Bühne Manfred Gruber, Kostüme: Felina Warns und Polly Warns
mit Simone Thomalla, Atheer Adel, Hansa Czypionka, Christoph M. Orth, Felix von Manteuffel

Ende mit Schrecken

Zuerst denkt man an Mitmach-Theater, denn das Publikum scheint dermaßen mit vollem Herzen in die Materie einzugehen. Kein Wunder, sind doch Vereinsregularien den Meisten von uns gut vertraut, und man ist nur zu gern bereit, herzlich über all das zu lachen, worüber man sich ansonsten zu ärgern pflegt. Autortäres Verhalten des Vorsitzenden beispielsweise, Selbstdarstellung mancher Mitlgieder, unnötig lange Schein-Debatten, kein Ende oder ein Ende mit Schrecken – wie hier.

Denn es geht eigentlich nach all den vorherigen, schnell abgehakten Tagesordnungspunkten der  Versammlung des Tennisvereins nur noch um eine Belanglosigkeit oder sagen wir einmal, um nicht so Weltbewegendes. Aber dennoch, der Haken sitzt im Detail. Nachdem der 2. Vorsitzende in aller Gründlichkeit seine erfolgreiche Recherche nach einem geeigneten neuen Elektrogrill für das Sommerfest fast bis zum Ende hat ausführen können und der Erste die Sitzung endlich beenden möchte, um zum wohlverdienten Bier greifen zu können, da hat doch eine der weiblichen Vorstandsmitglieder, nämlich eine gutmeinende Dame einen zunächst recht seltsam klingenden Einwand: man müsse doch auch an die türkischen Mitglieder denken, die auf einem zuvor mit Schweinefleisch verunreinigten Grill doch nicht ihre eigene Wurst braten könne. Eine Zumutung!?

Das meint der einzige türkischstämmige Deutsche im Verein eigentlich nicht. Für ihn und seine Familie sei das kein Problem, er verzichte gerne oder nehme seinen eigrnen Grill oder…

Aber da walte der Verieinsgeist vor. Es entspinnt sich ein unglaubliches rhetorisches Match, ein Doppel mit Dame, zwei Einzel und mehrere neue Konstellationen, die es in jedem Verein gibt. Ist erst erinmal ein Debattenfeuer entfacht, kann es keiner so schnell löschen. Da sausen einem die Bälle nur so um die Ohren. Auch nicht der autortäre Vorsitzende hat keine Chance mehr, einzugreifen. Es folgen: Urteile, Vorurteile, gute Meinungen, absonderliche Vorstellungen, Illusionen, grenzwertige Mutmaßungen – es gibt nichts, was es nicht gibt im wirklichen Leben eines Vereins – bis zum totalen Chaos.

Dass alles erfolgt in einem unglaublich schnellem Wortwechsel, witzig und treffend bis zum Schmerz –   dank der gänzenden Darsteller, die das tolle Autorenwerk in ein spannendes Spiel verwandeln: Felix von Manteuffel als gestandener Feldherr, der weiß, wie man unliebsame Debatten von vornherein abwürgt, indem er, schnelle Entscheidungen treffend, übergangslos zum nächsten Tagespunkt greift . Aber er hat nicht mit der Penetranz von Simone Thomalla gerechnet, die nicht nur Veganerin, sondern auch als erfolgreiche Tennispartnerin im Doppel mit dem deutschen Türken spielt und auch deshalb mit ihrem Ehemann ziemlich verquer liegt. Dieser, von Christoph Orth lässig als intellekltuell überlegen und ausgleichend dargestellt, gleichsam liberal wie entscheidungsunfroh, sieht sich jedoch jäh in die Ecke des eifersüchtigen Ehemannes gedrängt – wie ist er denn dahin so schnell gekommen? Und Atheer Adel als netter, gut ausehender Tennisfreund ist doch eigentlich längst in alles und in allem integriert, schert da doch plötzlich aus und entpuppt sich als – ja als was und wer? Das hätte man doch nun von ihm gar nicht geglaubt. Unfassbar.

Und Hans Czypionka als zwar etwas umständlicher, aber durchaus verträglicher Vize verbirgt doch ein sehr fremdes inneres Wesen und zeigt eine gar nicht gern gehörte poltische Meinung. Wer hätte das gedacht. Und überhaupt möchte er eigentlich die Hauptrolle in diesem Vorstand und Verein spielen, und kommt doch nicht gegen das machtvolle Ego des Ersten an.

Schlußendlich kommt man überein: es muß sich alles ändern. Nicht nur ein neuer Grill oder zwei, sondern eine neu Riege, eine neue Generation muß den Scherbenhaufen zusammenkehren.

Ein fröhlicher Abend. Ein begeistertes Publikum.

Hinterlasse eine Antwort

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *


7 + eins =