Brechts Gespenster, B

von Suse Wächter

Berliner Ensemble, 2022/24

mit: Suse Wächter, Moritz Ilmer, (Puppenspiel) sowie Martin Klingeberg und Matthias Trippner (Musik)

Regie: Regie: Suse Wächter, Dramaturgie: Bernd Stegemann, Bühne/Kostüme: Constanze Kümmel,   Licht: Steffen Heinke u.w.

Ein irrwitziges Kaleidoskop mit Geistern und Größen aus dem Jenseits

Auf der Bühne hängen sie alle – mehr als hundert Persönlichkeiten, die Bert Brechts Gedanken und Kreativität beeinflussten und formten und vice versa, die von dem kommunistischen Jahrhundertkünstler in ihrem Schaffen und ihren Zielen infiltriert wurden. Zuweilen auch missverständlich. Aber auch seine Feinde hängen da an Banden und Haken, als Gruselgeister vor allem die beinharte englische Premierministerin Margret Thatcher, deren Kinnlade gar nicht weit genug auseinanderklafft, um allen politischen Statements und gewerkschaftsfeindlichen Maßnahmen in die Welt mit der im wunderbaren englischen O-Ton von Suse Wächter hinaus zu kreischen. Und der zweite klapprige Gruselgeist, die aus dem Jenseits faselt, hat den  DDR Kopf rot verhüllt und zitiert aus dem kommunistischen Manifest aus dem FF, als Beweis seiner Werktreue und überhaupt: denn Manfred Wekwerth, Nachfolger Brechts am Berliner Ensemble  stolpert über seine Vergangenheit, verdächtigt als Systemspion. Die beiden flattern gar am Ende ins Publikum und erheischen röhrend und schreiend absurde Aufmerksamkeit.

Doch zunächst führt Suse Wächter, brillant als Schauspielerin und Toneinflüsterer, auch gesanglich spitzenmäßig, den alten Brecht mit Zigarre im Mundwinkel über sich selber plaudern, vor das Publikum. Das tat er meistens und am liebsten, sich seiner Genialität durchaus bewusst. Aber vielleicht gab es doch noch Größere als Ihn?  Denn nach und nach   führt Die Puppenspielerin zuweilen auch mit Moritz Ilmer zusammen, die kleinen Größen der Historie ins Comeback und scheut sich nicht, Gott höchstpersönlich mit Marx in einen halbspaßigen Diskurs zu verwickeln, bei sich die beiden Großen zuletzt sogar auf Russisch brüderlich umarmen und abschmatzen. Na, bei Gott ist eben alles denkbar. Und er liebt uns alle ja ohnehin. Wohl auch Henry Ford, dem Brecht  ja während seiner Amerika-Zeit zwar nicht persönlich, begegnete, dessen Unternehmertum er aber für die Auswirkungen auf die Not der Arbeiter verantwortlich machte und vielleicht auch seinen Dramen thematisierte.. Ob Honecker wirklich über einem seines Gedichte auf dem Schreibtisch erschüttert zusammenbrach, ist nicht überliefert. Denkbar wäre es.

Wer ist noch –wiederauferstanden-  dabei? Die meisten bleiben als stumme Zuschauer an den Wänden, aber die kleinen deutschen Arbeiterzwerge dürfen sich noch einmal outen über ihre jämmerliche Vernachlässigung im bundesdeutschen Wohlstandsland, das es einst ja einmal gegeben haben soll. Jetzt sind es keine deutschen  Zwerge mehr, die die Drecksarbeit machen, sondern ausländische Hilfskräfte, die sich für wenig Lohn in all den Diensten bewähren müssen, die der gut versorgte Deutsche ablehnt. Da  wird etwas grob thematisiert, Rolltreppe rauf, Rolltreppe runter, was in der nachfolgenden Diskussion wohl ausdifferenziert wurde. Denn es ist ja eine Brecht Revue, die sich selbst treu bleiben sollte, um den großen alten Mann nicht zu enttäuschen. Denn hier geht es vor allem um Kunst, um ein bisschen Dialektik zuweilen auch, aber dann doch um die grenzenlose Hingabe und totale Freude der Darsteller, sich im Kabinett ihrer skurrilen Kinderschar zu tummeln, sie für ihre und deren Gefühle total auszubeuten und uns alle damit in ein irrwitziges Chaos zu stürzen.

Toll das alles, aber nicht wirklich ernst zu nehmen. Denn wenn auch Frau Thatcher als psychologische Giftmischerin gebrandmarkt wird, der rote Manfred als Mahn- und Merkmal  den berühmten Brecht’schen Verfremdungseffekt deklamatorisch bewundert, so herrscht doch in erster Linie das absolute Vergnügen an Magie und Gespensterunfug aus einer vergangenen Zeit. A.C.

 

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