Das Schiff der Träume, B

nach Frederico Fellini (1983)
für die Bühne bearbeitet von Thomas Berle
Ein groteskes Totenoratorium für eine Diva

Deutsches Theater Berlin, 2024

Regie Anna Bergmann, Dramaturgie Daniel Richter, Komposition und Musikalische Leitung Peer Baierlein, Musikalische Einstudierung Hubert Wild, Bühne Andreas Auerbach, Kostüme Vanessa Rust, Video Jan Speckenbach, Live-Musik Rieko Okudo und Samuel Hall, Live Kamera Dorian Soroy,

mit: Julia Gräfner, Anastasia Gubareva, Sina Kießling, Florian Köhler, Janek Maudrich, Mathilda Switala, Hubert Wild

Die Welt – Ein Schiff voller Narren

Die Welt der Sonderlinge, der Egozentriker, der Künstler par exzellance steht hier in kleiner Riege, aber gültig für die ganze Menschheit, in Clownskostümen und Masken auf der Bühne eines imaginären Dampfers, der sie mitten hinein in den Untergang steuert. Der Untergang, den Fellini demonstriert und die er mit seinen blinden wie tauben Protagonisten demaskiert, ist der erste Weltkrieg, der an Bord der illustren Künstlergesellschaft erst bemerkt wird, als der erste Kanonenschuss auf ihr Schiff trifft. Ein Narrenschiff, für das Sebastian Brants Satire aus einer Zeit des Epochenwandels Ende des 15. Jahrhunderts in der barocken Kostümierung Pate gestanden hat.

Zwischen Opernarien und Kapriolen blitzen Hass, Eifersucht und Versöhnung auf; der Wettstreit der verbliebenen Diven um die Vormachtstellung wird ad absurdum geführt durch die geisterhafte Erscheinung der verstorbenen großen Göttin der kraftvollen Tonleitern, deren Asche auf ihrer Geburtsinsel verstreut werden soll. Denn ihr Geist, ihre Stimme, ihre Präsenz werden noch einmal deutlich sicht- und hörbar für Augen und Ohren. Denn sie war und bleibt unerreichbar. Aber mit ihr auch die Verehrung für große Künstlerinnen in einer vergangenen, nur scheinbar schöneren Welt..

Als Gags bleiben ein blindes Huhn, das von einem russischen Bass-Bariton hynotisiert wird, ein liebeskrankes Nashorn, ein tumber Großherzog, die in der Geschichte keine rühmliche Rolle spielten, aber hier dem Klischee des überspannten Zeitgeistes zugeordnet werden sollen. Und das legendäre Nashorn, das dem einstigen Papst als sinnloses Präsent überbracht wurde und das den Transport nicht lange überlebte, hat sogar auf einem Denkmal in Lissabon seine Verewigung gefunden. Was mit dem Huhn gschehen ist, bleibt ein Geheimnis.

Man hätte sich für ein anderes Format entscheiden sollen, da Fellinis filmische Macht der Bilder kaum auf eine Bühne übertragbar ist und auch die erforderlichen Stimmen einer Primadonna Assoluta kaum zur Verfügung stehen. Wie sollte also nun der Wahnsinn, der Tanz auf dem Vulkan fixiert werden angesichts einer bevorstehenden weltumfassenden Katastrophe? Eine Frage, die wieder akuter und dringender ist als es Fellini einst ahnen konnte. Dafür ist dann die Textvorgabe für eine mitreißende und nachdenklich stimmende Handlung zu schwach. Das absurde Szenario wirkt eher wie ein oberflächliches kapriziöses Kammerspiel, eine Laune der Comedia dell’Arte und nicht wirklich wie ein drohender Weltuntergang.

Oder sollte die große, einsame, opfervolle Rolle einer wahren Diva noch einmal lebendig werden, à la Maria Callas, deren Bühnenkunst und deren privates Schicksal die Welt wirklich aufrüttelte und berührte, und deren Stimmgewalt unübertroffen war? Dann hätte man für eine Bühnenübertragung über mehr als nur einen matten Aufguss der filmischen Vorgabe nachdenken müssen.

Dennoch herzlicher Beifall für die bunten Chargen, die sich mit großem Eifer mühten, in ihrem munteren Spiel eine tiefere Bedeutung transparent werden zu lassen. A.C.

 

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