Der Kontrabass,B

von Patrick Süskind
Tribüne, Berlin
Regie: Gunnar Dreßler

mit Thomas Kienast

 

 

Über die Einsamkeit und Neurosen eines Bassisten

Wenn  Schauspieler sich mit einem langen Soloabend auf die Bühne wagen, dann wird heute im Überangebot der Darsteller und Entertainer viel von ihnen erwartet. Es bedarf ganz sicherlich eines Erfolgstückes wie den “Kontrabass” eines ungewöhnlichen Schriftstellers (“Das Parfüm”), um ein ansprechbares Publikum zu gewinnen. Für Thomas Kienast, der die Lebenstragik des glücklosen Kontrabassisten souverän und temperamentvoll und eigentlich gar nicht Mitleid erregend serviert, ist es aus einem weiteren Grunde nicht einfach, mit diesem Solo zu bestehen; denn zahlreiche Künstler vor ihm und mit ihm – und sicherlich auch noch in der nächsten Zukunft –  haben sich mit der bizarren Psyche von Musikern auseinandergesetzt und ganz speziell wie hier der Persönlichkeit eines hochgradigen Neurotikers ihre sehr individuelle Interpretation verliehen.
Kienast ist als Vertreter dieser merkwürdigen Kaste der Kontrabassisten ein kraftvoller, niemals weinerlicher loser, der sich seit undenklichen Zeiten aus sehr verschiedenen, vor allem trotzigen Gründen für dieses unhandliche Instrument entschieden hat, mit dem er im Staatsorchester jeden Tag seine vorgeschriebene Zeit abstreicht, immer in der hintersten Ecke sitzend, kaum gesehen, kaum gehört, und so einsam wie man es sich kaum vorstellen kann.
Das ist ergreifend, doch mit sehr viel Witz und Sarkasmus gewürzt, mit durchaus realistischen Beobachtungen und logischen Lebensanalysen. Der Alltag des Orchestermusikers hat seine Tücken, man weiß es nicht nur durch die köstlichen Karikaturen von Gerard Hoffmann, sondern erfährt es bei Bedarf auch recht anschaulich life und aus vielen Memoiren. Da können die Musiker zum Beispiel einen unliebsamen Gastdirigenten zur Verzweiflung bringen, indem sie das Spiel mit kleinen Veränderungen boykottieren und die Aufführung gefährden. Und man ahnt, wie schwer so ein in Beamtenwatte gehülltes Künstlerdasein für jene ist, die damit frühzeitig jede Kreativität, jede Anstrengung aufgegeben haben.
Denn eine Weiterentwicklung, ein Fortkommen mit solch einem schweren, kaum tragbaren und kaum ertragbaren Instrument gibt es nicht – jedenfalls wenn man seinem Vertreter glauben darf (der ganz sicherlich niemals “Pelleas und Melisande” gespielt hat). Er wütet und beschimpft seinen im matten Licht des spärlich möblierten Zimmers glänzenden und warm leuchtenden Klangkörper, den er mit hasserfüllter Liebe umsorgt, pflegt, poliert und dessen Saiten ihn wie Krakenarme zu umschlingen drohen. Wen er ebenso hasst wie seinen Bass ist Richard Wagner – auch diese Wut hat den Mann wie in einer Zwangsneurose völlig für sich vereinnahmt. Hin und wieder legt er eine alte, krächzende Schallplatte auf mit Einspielungen von Werken Wagners und anderer Komponisten aus vorigen Jahrhunderten, die dem Kontrabass die passenden Noten für seine individuelle, klangschöne Grundierung gaben.

Doch der sich den instrumentellen Möglichkeiten verweigernde Streicher tröstet sich in in den spielfreien Stunden in seinem schalldichten Zimmer lediglich mit beträchtlichem Bierkonsum, während er über sein Leben nachsinnt und über die ihm übel mitspielende Welt räsoniert, die ihre allergrößte Schandtat an ihm in der unerwiderten Liebe einer jungen Sopranistin Sarah verübt. Gefährlich nah am psychotischen Wahn fällt der Mann in hormoneller Ekstase über sein Instrument her, das er wie einen Frauenkörper zuvor verliebt beschrieben hat. Da bricht und lodert etwas Unkontrollierbares auf, etwas, das Angst bereitet. Und der Wahn nimmt vollends seinen Lauf, als der Mann in Erwägung zieht, nicht den einfachen “normalen ” Weg des Kontaktes zu dieser Sängerin zu suchen, sondern der sogleich einen Weltenbrand entfachen, der die nächste große Premiere platzen lassen und doch darum seinem Ziel nicht einen Schritt näherkommen wird – aber er wird auf sich aufmerksam machen, endlich wird die Öffentlichkeit von ihm Notiz nehmen – und von allen anderen einsamen Bassisten auf dieser Welt ebenfalls. A.C.

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