Gelbes Gold,B
Schauspiel von Fabienne Dür, Jahrgang 1993
Vagantenbühne, 2023, Berlin
– Dezember, 2022 am Staatstheater Kassel uraufgeführt – Regie: Bettina Rehm, Bühne und Kostüme Clara Wanke ,Dramaturgie Lea Mantel, Bühnentechnik Henry Mampe und Lichteffekte Malte Hurtig
mit Sarah Maria Sander als ANA, Felix Theissen als FRITZ, Sibylle Gogg als “JULI und Hanna von Peinen als MIMI
Es ist nicht alles Gold, was glänzt…
Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Man hatte sich eingerichtet – bereits vor vielen Jahrzehnten, zwangsweise. Der Mangel war Gewohnheit, und es gab ja auch keinen Vergleich – denn was im Westen, in der BRD geschah, ahnte man nur ungefähr oder erfuhr nur die halbe Wahrheit, alles eher vage und unzureichend. Verpönt war der Westen in jedem Fall – und dann vor 30 Jahren: jäh brach alles weg, der Standdard, der vemeintliche Fortschritt, das Selbstbewußtsein, der Stolz auf das Wenige, Bescheidene, was man hatte. Das Meiste war marode, die Häuser, die Plattenbauten, die Technik, die Industrie, alle Arbeit war vergebens, Erfolge getürkt und getarnt in einer Mängelwirtschaft. Es gab keinen Gewinn, keiinen Erfolg, keinen Fortschritt . Alles Lüge oder fast alles… Wer fortging und auszog, sein Glück und ein besseres Leben zu suchen, kam in einer fremden neuen Feindes-Welt an, wie vordem suggeriert und angedroht: “Wenn der Westen uns übernimmt, geht es euch und uns allen schlecht: Arbietslosigkeit, Werteverlust sind programmiert, vor allem der Eigenwert sinkt, gekoppelt mit Hilflosigkeit. Eine neue Armut wird es geben für all jene, die nicht Schritt halten mit dem schnellen Wandel, den sie sich selbst nicht zutrauen.” Doch die neuen Erfolgreichen waren auch die alten, die listigen Parteigänger, die schnell ihren neuen Stand und Job und Platz fanden. Aber was war mit den vielen Außenseitern, die keine Beziehungen, den Gebrauch der Ellenbogen nicht gelernt hatten, die sich auf Nachbarschaft und Kumpelei, auf bescheidene Verhältnisse eingerichtet und sich mit und in ihnen durchaus zuhause durchaus wohl gefühlt hatten?
Es ist immer wieder das Thema der Zukurzgekommen, in der Literatur, im Film, Theater, in persönlichen Gesprächen. Und es stimmt traurig, wie sich in diesem Gold-Stück der alte Fritz noch immer an seinen Pommes Frites erwärmt, nach neuen pikanten Veränderungen sucht, um sie noch köstlicher zu bruzzeln; wie seine Lebensgefährtin und Geschäftspartnerin Mimi ihrer Verbitterung über alles und jeden – über die Stagnation, die falschen Versprechungen und irregeleiteten Hoffnungen, die Flucht der Dorfgemeinschaft nach dem Abriss der alten Platten – vehement Luft macht. Sie ist keine Nörglerin, sondern leidet wirklich, sowohl unter dem sturen Mann, der ihre Interessen (und ihr fortschreitendes Alter!) irgnoriert wie auch unter der Vereinsamung in der ländlichen Beschaulichkeit in gelb glänzender Rapsfeldromantik.
Beendet ist auch ihre alte Wohngemeinschaft, die gestern noch auf dem Balkon ein wundersames südländisches Fest mit allerlei Krimskrams zu inprovisieren verstand und die nun ausienanderdriftet. Die Nostalgie ist vorbei. Aus. Und jetzt? Ana, die auf der Berliner Uni nicht zurechtkommt und sich als Außenseiterin und Versagerin fühlt und zurückkehrt, um hier bei dem “alten Fritz” wieder die Köstlichkeit der guten Pommes zu genießen, die lebensfreudige Freundin wiederzufinden und die vertraute, heimelige Umgebung. Aber nichts ist mehr wie es war. Und so muss Ana sehen, wie sie sich neu orientiert. Bleibt sie in der sozialen Wüste oder wagt sie noch einmal den Schritt ins schwere, aber reale Leben? Ihre fesche Freundin Juli hat zumindest dank ihrer Mutter keine finanziellen Sorgen und wird sich auch jetzt arrangieren können.
Wie man es schafft, seinem ursprünglichen Millieu zu entkommen, wie man sein Selbstberwußtsein festigt, wie man sich auch und vor allem als Frau in einer fremden Umgebung zurechtfindet, die nun einmal Wettkampf, Leistung, aber auch Hilfe und Nächstenliebe auf ihre Fahnen geschrieben hat, dazu schreiben in dem kleinen Begleitheft der Aufführung Expertinnen Wissenswertes.
Zu diesem Thema wäre u.a. auch ein sehr liebevoll gemachter Film von 2015 “Anderst Schön” mit Charlie Hübner zu empfehlen, Mediathek. A.C.