Romeo und Julia, OL
Choreografische Uraufführung von Antoine Jully,
in vier Akten von Sergej Prokofjew, Adrian Lawrowski und Sergej Radlow, Moskauer Fassung
Oldenburgisches Staatstheater, 2025, Premiere 5.April
Musikalische Leitung: Eric Staiger, Dramaturgie: Telse Hahmann, Bühne: Takaya Kobayashi, Kostüme:Heather Marie Rampone-Gilder und Antoine Jully; Licht: Sofia Thyssen, Philipp Sonnhoff, Alexander Fleischer und Antoine Jully, Ballettmeisterinnen Carolina Franccisco Berg und Keiko Oishi u.w.
mit: Julia Capulet: Garance Vignes, Rome Mantague: Diego Urdangarin, Lady Capulet: Carolina Francisco Sorg/KeikoOishi, Tybalt:Ricardo Urbino a.G./ Lester René Gonzalez Alvarez, Mercutio: Fran Kovacic, Benvolio: Seu Kim, Graf Paris: Johannes Nolden, Pater Lorenzo Antoine Jully,
Die Capulets: Jacqeline Back A.G., Tamara Dornelas, Nicol Omezzolli, Ryan Drobner, Noah Franck
Die Montagues: Elisabeth Cohen, Martina Du Guilio, Amaya Simon, Lester René Gonzales Alvarez
Zwei Liebespaare und die Vielfalt des Tanztheaters
Das Werk erlebte einst seine glanzvolle sowjetische Premiere am 11.Januar 1940 in Leningrad mit Galina Ulanowa als Julia – jetzt wird das Traumpaar von Garance Vignes als feenhaft leichte Julia Capulet und Diego Urdangarin als zärtlich werbender Romeo Montague mit leidenschaftlicher Lebendigkeit und elegischer Hingabe getanzt: zwei Liebenden aus miteinander in Fehde liegenden Familien Veronas, deren Söhne und Töchter nach altem Brauch verheiratet werden und sich nicht nach ihrer Wahl richten dürfen. Und dennoch den Feind lieben! Dass daraufhin eine Rauferei, elegant zwar wie unter jungen Leuten des Adels seinerzeit üblich ausbricht, aber doch auch gnadenlos heftig. Dass dieses Traumpaar an einem widrigen Schicksal seit Shakespeares Zeiten dramatisch scheitert, ist nicht unabdingbar. Moderne Choreografen haben durchaus phantasievolle Alternativen wie jetzt auch Antoine Jully kreiert. Wunderschöön! Und ebenso ergreifend! Sergej Prokofjew hat eine großartige, weltweit immer noch führende Ballettmusik nach der dramatischen Vorlage von William Shakespeare geschaffen, die seit ihrer Uraufführung immer wieder große Compagnien und Ballettmeister zu neuen Choreografien inspiriert hat.
Augenweide und Ohrenschmaus
Was für Bilder! Phantastische Formationen, farbenfreudig schillernde Kostüme, Tänzerinnen und Tänzer in den ungewöhnlichsten Positionen, liebevoll oder kämpferisch zu den an- und abschwellenden furiosen Klängen der mitreißenden Musik, die in fantastischer Übereinstimmung zwischen Bühne und Orchester hier umgesetzt wird und die Handlung in atemloser Spannung halten.
Da kommen Julia und Romeo, ein wunderschönes, zärtliches Liebespaar, da sind Mercutio und Tybalt, die Söhne der beiden Familien, die jäh nach Hass und Aggression ihre echte Zuneigung zueinander entdecken, zwei Paare, die vom Pater rasch getraut werden. Und da sind vielen edlen Paarkonstellationen mit ihren einander verschlingenden, umschlungenen wie kämpferischen Attitüden des immerwährenden Geschlechterkampfes auf der großen glatten Bühne im wechselnden Lichtspiel der Farben. Und da gibt es den heroischen Auftritt der Gräfin Capulet, die gestenreich ihren sprachlosen Zorn über Julias Widerspruch zue verordneten Partnerwahl vor einem stummen Gatten abspult und ins Leere läuft; das gibt es die tollen Orgien der verfeindeten Famlienclans auf dem Veroner Marktplatz im frühen Morgenlicht mit gräsigen Masken getarnt, und einander doch erkennend. Und dann startet der opulente Ball der Carpulets, auf den sich Mercutio und Romeo einschleichen und ihre Liebsten finden in einer gnadenlosen Gesellschaft, die den jungen Paaren feindlich gegenüberstehen, obwohl sich der mutige Mercutio (Fran Kovacic ) unglaublich kraftvoll und herzhaft komisch in den Mittelpunkt wagt.
Alles in allem eine tolle Vorbereitung auf die bald startenden Oldenburger Balletttage! Man darf auf die vielen Gäste aus dem In- und Ausland gespannt sein! A.C.
Weil Liebe und Tod unausweichlich miteinander verbunden und in absoluter existenzieller Notwendigkeit einander bedingen, sind sie das Leitthema unseres Lebens, und weil die Kunst dieses am besten und schönsten, zuweilen auch sehr dramatisch widerspiegelt, haben Dichter, Komponisten, Schauspieler, Tänzer, Maler und alle Menschen, die ihrer Kreativität gefolgt sind, diese Thematik immer wieder neu verarbeitet und in der ihnen gemäßen Form zu immerwährender Gültigkeit verwandelt.
“Es gibt so viele Formationen und Szenenwechsel, so schöne getanzte Duette und Duelle und Ausdrucksversionen von wiederkehrenden Gefühlen und Begegnungen, die in immer wieder neue tänzerische Bewegungsabläufe umgesetzt werden. Es ist das Eigentliche: Wenn Kunst das Leben in allen Facetten widergibt, am Ende sich Orte der Wärme und Nähe finden, die immer wieder verloren gehen. Eine bewegte und bewegende Poesie in technischer Präzision, die eine große emotionale Tiefe und Sensibilität aufzeigt. So ist Tanz immer wieder Reflexion über die Zerbrechlichkeit und Schönheit der Seele. Die Tänzer zeigen sich als verletzbare Individuen auf der Suche nach den mannigfachen Ausdrucksfacetten, spielen dabei auch mit der Freude im Augenblick, ihrer Sinnlichkeit und Sensibilität in einer spielerisch leichten abstrakten Körperkunst, die Inneres nach außen sichtbar macht. ”
Jiri Kylian