Floating Spaces, Tanztage OL

Hamburger Kammerballett Deutschland/Ukraine
im Staatstheater Oldenburg, Mai 2025
Tänzer/innen: Ihor Khomyshchak, Viktoria Miroshynam Alisa Nikitina, Vladyslav Bondar, Oleesksiy Grishun,Veronika Hordina sowie als Gast: Alexandre Riabko, Siliva Azzoni, Nicolas Gläsmann
Choreografie und künstlerische Leitung; Edvin Revazov; Musik: Michael Bialk, Tomasz Gos, Agostina Agazzarri; Johann Sebastian Bach, Jean-Philippe Rameau

Edvin Revazov ist jüngster von fünf Brüdern und vierter professioneller Balletttänzer in seiner Familie. Bereits seit 2003 tanzt er am Hamburg Ballett John Neumeier, seit 2010 als Erster Solist. Seine daraus resultierende fachliche Expertise sowie seine zahlreichen Kontakte in der Tanzwelt befähigen ihn zum einen zur erstklassigen Arbeit mit den Tänzer*innen und begründen zum anderen seine Kompetenz zur institutionellen übergreifenden Zusammenarbeit. Revazov hat das Hamburger Kammerballett, dessen künstlerische und choreographische Leitung er übernimmt, 2022 ins Leben gerufen – ein Herzensprojekt, mit dem er Gemeinschaft, Zusammenhalt und Solidarität stärken möchte. 

Zwei Welten

Zwei Kriterien stehen für dieses Ballett außer Frage: zum Einen; Die Herkunft der jungen Frauen und Männer und tragische Geschichte ihres Landes, zum anderen der strahlende Stern des Hamburger Ballettgenies John Neumeier, der seit Jahrzehnten die künstlerische Entwicklung des Tanzes europaweit geprägt hat.

Das ist natürlich in dieser inszenierung spürbar. Zum Ersten: nicht von ungefähr beginnt die Aufführung mit drei dunkel gekleideten Tänzern, im Nebeldunst schemenhaft sichtbar, aber lautstark hörbar, denn auf ihrer Suche nach den todbringenden Minen, die sich in den Boden gegraben haben, ertönt Musik, die bedrohlich nahe an Granteneinschläge eirnnern mag. Die Männer werfen sich zu Boden, robben sich vorsichtig weiter, erheben sich wieder vorsichtig, um mit der Suche nach Munition fortzufahren, sich bewußt, dass sie jederzeit in eine tödliche Falle geraten können. Das ist schon ziemlich nahe an der gegenwärtigen Kriegssituation der Urkaine angesetzt.

Die weiteren Szenen nehmen das angekündigteThema auf: die “Erforschung der Figur des No-Faces, einer Verkörperung des menschlichen Geistes in seiner ursprünglichen Form”. Ganz real allerdings wird die Entwicklung des unschuldigen Kindes gezeigt, das, wie aus einem Kokon gesprungen, sich jäh mit einer düsteren, gesichtslosen Umwelt arrangieren muß. Doch voller Neugier und Unbefangeheit erobert sich ein goldblonder zarter Ballettengel die fremde Umwelt, vermummt in düster umherhüpfende  konturlose Gestalten mit weißen Masken. Man stelle sich einen Spielplatz vor, auf den das kleine Mädchen jäh einer Horde lärmender und wild herumturnender Jungen gegenübersteht. Und es möchte doch so gerne dazugehören.

Das ist allerliebst und sehr einfühlsam choreografiert. Noch sind die Menschen außerhalb der strahlenden Aura der zierlichen Tänzerin durch ihre doppelten Masken gesichtslos bis endlich beide Seiten ihre Scheu verlieren und sich zu einer Gemeinschaft zusammenfinden. Natürlich jetzt folgt auch die Adoleszenz, in der sich wundervoll grazile und ausgefeilte Pas de Deux und Pas de Trois entfalten  und weitere Paare uns in elegantester hoher Schule der Ballettkunst ihren Spiegel zeigen, in dem sich das Leben mit seinen zahlreichen Möglichkeiten zeigt. Musikalisch wird mit Klavier und E-Gitarre die Olivaer Orgel -Tabulatur aus dem 17.Jahrhundert neu interpretiert und durch raffinierte Toneffekte ergänzt, die durch Mikrofone an der Tänzerinnen erzeugt werden.

Dem beängstigenden Auftakt wird eine Welt entgegengestellt, die noch Menschlichkeit und Miteinander anbietet.  Auch an diesem Abend langer herzlichen Beifall für die künstlerische Bereicherung. A.C.

d

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