Forever Yin forever Young, B
Die Welt des Funny van Dannen, 1958 geb. in Tüddern, Selfkant, deutscher Liedermacher, Schriftsteller, Poet und Maler
Deutsches Theater, Kammerspiele, Berlin 2023 bis 2025
Regie: Tom Kühnel, Jürgen Kuttner, Dramaturgie Claus Caesar, Bühne und Video Jo Schramm, Kostüme Daniela Selig, Musikalische Leitung Matthias Trippner, Chorarragements Lukas Fröhlich, Licht Kristina Jedelsky
mit: Marten Eggert, Felix Goeser, Jürgen Kuttner, Ole Lagerpusch, Jörg Pose, Kotbong Yang, Live-Band Cello, Trompete und E-Bass: Lukas Fröhlich, E-Gitarre und Akustikgitarre: Jan Stolterfoht aka Jan Pelao, Drums, Bass und Keyboards: Matthias Trippner
Von Allem Etwas
Jürgen Kuttner hat eine hübsche und kritische kleine Revue mit fünf Darstellern und und drei Musikern ebenso einfühlsam in ostdeutsche Nostalgie, aber auch frei und frech nach mit den amüsanten Texten von Funny van Dannen inszeniert. Was will man anderes erwarten, wenn so ein geistreicher und mit einer gehörigen Portion Hintersinn ausgestatteter Liedermacher und eigentlicher Anti- Poet in Musik, Tanz, Lied bühnenwirksam umgesetzt wird – als ein gemischtes Potpourri aller relevaten Zeitthemen – kleine wie große zwischenmenschliche und politisch angehauchte Fragen.
Erstaunlich, was dabei alles ans Tageslicht kommt – vor sich zeitgerecht wandelnder Wohnhauskulisse und einem zunächst schön antiquierten Tabakladen, der sich dann bis in die Jetztzeit in ein Bistro samt Pommes Frittes verwandelt…. und der Berliner ja in höchste Not gerät, wenn er nichts zu “meckern” hat, lehnt sich das Spiel an diesen respektlosen und phantasiereichen Autor an und animiert den Zuschauer, selbst u seinen Texten und Büchern zu greifen, in denen er ein Kaleidoskop an Absurditäten finden wird. Wobei auch die närrischen Geschichten zuweilen einen tieferen Sinn offenbaren können, wenn man ihn denn finden möchte.
Zwei längere Texte sind im Flyer zur Inszenierung enthalten; aber der Reigen der Gedanken scheint endlos: Ehe- und Beziehungskonflikte, Ambitionen, die Welt zu verbessern, von Kriegen und Diktatoren zu befreien, Arbeitslosigkeit, Extremismus zu minimieren und natürlich die verteufelten sozialen Medien, die alle Menschen in ihrem Griff haben. So bleibt zunächst nicht viel Gutes unter den tosenden musikalischen Attacken der temperamentvollen Band übrig, sieht man von den reizenden Persiflagen auf die amerikanische Showkultur der 50er und 60er Jahre ab, greift sich die schmachtenden Songs von Frank Sinatra oder Gene Kellys tänzerische Virtuosität als Remake aus heraus. Hervorragend getanzt von Ole Lagerpusch, der sich ohnehin als vielseitiges Talent präsentiert, nicht nur mit Stepptanz auf Tisch und Parkett.
Im Wechselbad der Ereignisse, willkürlich herausgriffen aus vielen Jahrzehnten mit nostalgischem Charme, findet sich viel Kritik am Weltkapitalismus in vielen Themen aufbereitet, die sich seltsamerweise nicht erschöpfen, Man fragt sich langsam, gegen wen und was eigentlich immer wieder geklagt wird – es nützt ja nicht, immer wieder gegen abstrakte Monster anzugehen. Eher lässt sich vielleicht eine Antwort auf Fragen finden, die sich mit der unmittelbar umgebenden Realität befassen, die Unwägbarkeiten des Lebens, dem/der verständnislosen Partner/in, die Vereinsamung nicht nur alter Menschen mitten und am Rande allen Trubels und der ständigen Jagd nach frischen Events an sich bedfassen. Ruhe und Zeit zum Nachdenken und Reflektieren des persönlichen Standorts wäre vielleicht empfehlenswert. Mit Humor findet sich der Regisseur selbst in die ausgleichend pragmatische Rolle als typischer Berliner, der seine Nachbarn als charismatischer Mitspieler durch die Turbulenzen ihrer persönlichen Erinnerungen führt und die beiden Damen dieses Ensembles, die als elegante Revuegirls eine Showtreppe herunterturnen, um dann am Klavier ekstatisch ihre Talente glitzernd zu Geltung zu bringen.
Viel Drive, manches Nachdenkliche, aber vor allem vermittelt die Aufführung den immer wieder begeisterten Zuschauern, die wohl auch die zuweilen recht penetrante Wortwahl akzeptieren, wohl genau das, was man gesucht hat, eine bewusste Identität in einer verworrenen Welt. Übrigens gibt es ja von allem etwas – von Weiblichkeit und Männlichkeit – Yin und Yang – sie suchen immer noch nach einander. A.C.