Category Archives: Neue Inszenierungen

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Der feurige Engel, HB

Ein Paradebeispiel für Sigmund Freud: Seine psychanalytische wissenschaftliche Erkenntis der Hysterie bei vielen Frauen seiner Zeit hätte sich bei dieser zutiefst seelisch verwundeten jungen Frau Renate bestätigt. Alle Symptome, alle Anzeichen, alles widernatürliche und widerspruchsvolle Verhalten, mit der sie sich und ihren liebevollen Freund Rudolpho quält, ist ein Beispiel sogar aus dem wahren Leben. Zwar kannte der Komponist die Lebensrealität des berühmten Romanautors zu der Zeit als er sich das erstemal mit dieser Novelle beschäftigte, noch nicht, aber gleichwohl lag die Faszination dieses unheimlichen Geschichte doch in ihrer möglichen Realität. Und Brjussov hat tatsächlich sein Dreiecksverhältnis zu der hysterischen, wahnhaften und unsteten Muse, Übrsetzerin, Dichterin Nina Petrowskaja, die ihrem Leben selbst ein Ende setzte, in seinem Roman verarbeitet. Regisseurin Barbara Horáková und Orchesterchef Stefan Klingele haben mit dem sich sängerisch wie spielerisch in die unheimliche Atmsosphäre des Geschehens einfügenden Ensemble ein atemberaubendes Horrorwerk der Seelenpein mit unheimlichen Stimmungen und dramatischem Höhepunkt kreiert. Für die unglaubliche Nadine Lehner als wahnsinnige Renate und ihren treuen wunderbaren Freund Ruprecht mit Elias Gyungseok Han gab es für ihre herausragende abendfüllende Darstellung Leistung begeisterten Applaus. A.C.

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De Profundis, B

Was in diesen zu einem einstündigen Monolog verkürzten 80 Seiten rauschhafter Trauer- und Liebesbezeugungen verwundert, ist die Sanftmut, mit der Jens Harzer seinen Oscar Wilde zutiefst sich selbst demütigen lässt, indem er den Geliebten zwar heftig anklagt, den Verrat aber nicht wirklich begreifen kann, doch wohl auch gleichzeitig in allertiefster Verlassenheit Verzeihung gewährt mit unendlich großer und erschütternder Wortgewalt, über die dieses wahrhafte Dichtergenie verfügte. Und weil er in aller Entmutigung und Degradierung seiner Person und der Verzweiflung an der Güte der Menschheit doch niemals Zweifel hegte an der Wahrhaftigkeit der Kunst. So wie er letztlich auch nicht an seinem Geliebten zweifeln möchte, ihm seine brennende Seele offenbart, ihm sein Innerstes zu Füßen legt und sich theatralisch, wie man es natürlich auch von diesem großmächtigen Dichter gewohnt war, in die große Leidensopferrolle hineinspielt. Und das Publikum reagiert ja auch erwartungsgemäß: erschüttert bis in die Haarwurzeln, und doch begeistert! A.C.

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Das schlaue Füchslein, OL

Eine rundum entzückende Aufführung mit ganz reizenden behänden Füchsen, mit gleißenden Sopranen (aber wie singen denn eigentlich Füchse präsentiert eine phantasiereiche und kunstvolle Inszenierung, voller tänzerischer Anmut choreografiert und bühnentechnisch geschickt austariert und ausgeleuchtet , einem spielerisch hingebungsvollen Ensemble, das dem minimierten Sprechgesang inhaltliche Transparent gibt und einem Sängerpotential, das der hohen Anforderung der märchenhaft-romantischen Erzählung humorvoll und spritzig eine gültige Realität verleiht. Ein beglückendes Erlebnis mit einem Orchester, das ein farbiges und nuanciertes Spiel – zwischen einer ihren natürlichen Gesetzen folgenden Tierwelt und menschlicher Melancholie und Orientierungslosigkeit – voller Lebensklugheit und Sinngebung kraftvoll begleitet. A.C.

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La Traviata, OL

Die „Ausgestoßene, La Traviata“, ist eine todkranke Kurtisane, die ihr leichtlebiges Dasein mit einer ernsthaften, wenn auch nur kurzlebigen Liaison vertauschen darf. Luis Olivares Sandoval schenkt uns einen hingebungs- und verständnisvollen Liebhaber, dem sein wohl auch beinahe etwas naives jugendliches Gemüt allerdings einen schweren Strich durch das Leben macht, als er Violetta zurück in ihrem alten Milleu finden muss. Natürlich weiß der arme Alfredo nichts von der Intervention des Vaters, der für die Schicklichkeit und Akzeptanz seiner Familie einen Verzicht Violettas auf die Verbindung mit seinem Sohn Alfredo gefordert hat. Das er in unerträglich jämmerlicher und spießiger Art noch Violetta blendet, indem mit Gottes Geboten ihr brutal ins Herz sticht, ist ein harter Affront des Dichters gegen die damalige heuchlerische Gesellschaft! Auch diese Szene findet wieder im unangenehmen Ambiente des Anfangs statt, was erneut eine Irritation zwischen der visuellen mit der musikalischen Kongruenz ergibt. Es fehlt an Glanz und frischen Einfällen für das ewige Opern -Thema: Liebe und Tod.

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Jesus Christ Superstar, B

…Es sei aber doch eine Rock Oper, sagte der Intendant, Wir müssen spielen und tanzen und toben und ein wahnsinniges Drive auf die Bühne bringen und wir brauchen Stimmen, die dagegen ansingen können. Hast Du die? Haben wir, sagte Jesus. „Meine Person wird von Ryan Vona gesungen, ein Kraftvolumen, das gegen jede Rockband durchbricht. Und der Judas von Ryan Shaw, ein Berserker von Mann mit einer ebensolchen Stimmgewalt. Er spielt sich die Seele aus dem Leib. Ich garantier es Dir. Und Maria? Wir nehmen eine zarte, liebevolle exotische Sängerin, die so einfühlsam singen kann, dass sie selbst Jesus einlullt“. Noch hat der Theaterchef leichte Zweifel, ob alle Künstler und Darsteller zur Verfügung stehen, wie man das Budget auffrischen kann und die vielen Castings in aller Welt durchführen kann. Aber er wird Maria Magdalena, die einzige von seinen Jüngern, die ihn vielleicht wirklich liebt, mit Ilay Bal Arslan besetzen können. Sie ist wunderbar…

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Der Fall McNeal, B

Eigentlich ist dieser Jacob McNeal ein armer Tropf – trotz literarischer Meriten und nun gar auch noch Nobelpreisträger – denn als arroganter, von allen Menschen um ihn herum als sarkastisch und egozentrisch verschriener Alkoholiker kann Ulrich Matthes einfach kein Monster sein. Hier irrt der Regisseur, der sich nicht nach der rigiden Wut des amerikanischen Superautors richtet, sondern Matthes inmitten einer ebenso theatralischen auf sich bezogenen Umgebung auf die schwere Ausformung eines übersensiblen Schrifttellers einerseits und eines schon fast dem Tode geweihten Suchtkranken ansetzt.
In einem Gespräch anschließend mit dem zur Zeit in Berlin weilenden Autor geht es – ausschließlich in amerikanischem Englisch – leider nicht um die Inszenierung, sondern vorwiegend, wie meistens, um die Person des Autors, aber auch um die Endlichkeit der KI: sie wird vieles kopieren, ersetzen, und erledigen können. Aber sie stößt noch immer an ihre Grenzen, wenn es darum geht, menschliche Gefühle und Gedanken zu erfassen und aufzugreifen. Gott sei Dank!

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