Category Archives: Regietheater

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Vanya, B

Oliver Mommsen gibt allen ihre Individualität, formt ihre Persönlichkeit aus wenigen Worten und Gesprächen, durchleuchtet ihr Schicksal, ohne zu urteilen. Keiner ist lächerlich, alle hinderte eine eigentümliche Entschlussfähigkeit und innere Migration daran, ein neues Leben zu wagen, das Vanya in jahrzehntelanger Selbstaufopferung für den von ihm blind verehrten Schwager Alexander, (der in erster Ehe mit Vanyas Schwester, Sonjas Mutter, verheiratet war) vergeudete. In einer verzweifelten großen Aufbegehren brechen alle Enttäuschung, alle Wut, alle Sehnsucht und verlorene Lebensfreude aus ihm heraus, als der Schwager der Familie einen ungeheuren Vorschlag unterbreitet, dessen Ausführung ihm weiterhin ein nobles Leben bescheren, alle anderen aber brot- und heimatlos machen würde. Da endlich, viel zu spät, wehrt sich der ohne Visionen zurückgelassene Vanya gegen ein Leben, das er nicht gewollt hat und das ihm seine Fähigkeiten, seinen Geist, seinen Besitz und sein Seele genommen hat.
Natürlich – riesige Ovationen für den beliebten Schauspieler, dessen Freunde und Verehrer ihn an allen Abenden feiern werden. A.C.

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1984, B

Dass die Inszenierung im Berliner Ensemble die Gefühle auf Abstand und die Betroffenheit zur intellektuellen Aufgabe macht, ist eine große Regieleistung, denn sonst könnte man die Folter dieses Paares nicht lange ertragen, das hier als Protagonisten für eine total bewachte Gesellschaft ebenso mutig wie blind an eine gemeinsame Zukunft glaubt. Winston und Julia versuchen auch nach allem Schmerz und allem Verrat aneinander, das zurückzuerobern, was von ihren Körpern und Herzen übriggebleiben ist. Da ist wenig heil gebleiben, aber es gleicht einem Funken, der sich von Neuem entzünden kann. Aber wie sieht es aus in China, in Russland, in Lateinamerika, in vielen afrikanischen Ländern und asiatischen Staaten wie Nordkorea, wo eine mächtige Clique den Staat beherrscht, wo junge Männer als Kanononopfer verkauft werden und Hunger und Elend der Bevölkerung mit dem Bau von Atomwaffen ausgeglichen werden. Es gibt keine Hoffnung, wenn auch noch die Gedanken überwacht und getötet werden. Veränderung könnte nur wirklich von außen mit Hilfe der starken, noch auf ihre Demokratie gestützten Länder gedacht und verwirklicht werden. Ein auf die totale Vernichtung des freien Individuums bedachtes Regime kann sich sonst nur noch selbst auslöschen, wenn es keinen Menschen mehr hat, den es beherrschen kann.

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The Silence, B

Das Bühnenbild zeigt eine kleine Schneelandschaft inmitten der Lüneburger Heide, denn in Buchholz ist Falk Richter als Kind und junger Heranwachsender zuhause. Der Ort ist beschaulich und übersichtlich, jeder kennt jeden, und für Teens geradezu ein Albtraum. Idylle ist das Allerletzte, was der junge Falk wünscht, er will gehört, gesehen, akzeptiert werden in seinem Sosein und vor allem in seinem Anderssein. Die Eltern haben mit ihrer Vergangenheit seit langem abgeschlossen und sind nicht in der Lage, ihr Leben, ihre Verantwortung, ihre Einstellung zu den immerwährenden bohrenden Fragen ihres Sohnes nach ihrer Lebensgeschichte Antwort zu geben. Das treibt ihn um bis er, längst erfolgreich und angesehen in seinem Theatermetier, eine autofiiktives Stück schreibt und einen großartigen Darsteller für sich selbst findet: Dimitrij Schaad.

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Die Reise der Verlorenen, OL

Die Geschichte, um die sich hier ein gut aufgebautes erzählendes Theater rankt, ist bekannt und lehnt sich leider an die bittere Wahrheit: Im Programmheft wird das Schicksal der von der Deutschen Regierung auf die St. Louis der Hapag Reederei in Hamburg gebrachten 937 Passagiere, Frauen, Kinder und Männer, die nach Kuba abgschoben werden sollen, gut erläutert. In der Absprache zwischen Deutschland und Havanna sollten die Flüchtlinge auf der Insel zwischenstationiert werden, bis sie Visa für die Weiterfahrt nach Amerika erhalten. Unsummen Geldes waren bezahlt und – wie sich erst auf der Überfahrt herausstellt – mit ungültigen Einreise- Zertifikaten beglichen worden.

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Die verlorene Ehre der Katharina Blum, B

oder: wie Gewalt entstehen und wohin sie führen kann nach Heinrich Böll (1917-1985 Uraufführung 1976, Theater der Stadt Bonn Vaganten Bühne Berlin, 2025 (Premiere 2023) Regie: Kathrin Mayr, Fassung: Clemens Mädge, Bühne: Katrhrin Mayr, Amelie Müller, Kostüm: Melie Müller, Dramaturgie: Fabienne Dür, Sound: Clemens Mädge, Licht: Henry Mampe mit Magdalene Artelt: Katharina Blum; Nilse Malte: Interviewer 1/Dr. Blorna; Daniel-Frantisêk Kamen: Interviewer 2, Hauptkommiasa Beizmenne. Sag mir, wie hältst du’s mit der Wahrheit? Ist es mit Aufrichtigkeit, der Wahrheit in den

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