Der Preis der Habgier, B
Regie: Stephan Kimmig, Bühne: Katja Haß; Kostüme: Katharina Kownatzki; Dramaturgie: Sonja Anders; Musik: Michael Verhovec
mit: Margit Bendokat, Felix Grosser, Nina Hoss, Ingo Hülsmann, Susanne Wolff
Der Preis der Habgier
Nach dem Saisonauftakt “Herz der Finsternis” folgt jetzt ein zweites Stück, mit dem man am Deutschen Theater die Fremdherrschaft der Europäer über Völker, Länder und Ressourcen geißelt. Nach der Bearbeitung von Joseph Conrads Kolonialnovelle jetzt also die eng zusammengestrichene Fassung von Lukas Bärfuss’ Öl-Sucher Drama, das irgendwo in der sibirischen Taiga in einem gottverlassenen Nest mit dem Namen Beryok spielt – einem Ort irgendwo und nirgendwo. Die Menschen, die dort Geld und Glück suchen, sind heruntergekommen, psychisch und moralisch. Da liegt Eva Kahmer in einem kahlen Betonkerker auf einer Pritsche, in Decken eingehüllt, fröstelnd solange die innere Temperatur nicht mit Alkohol aufgeheizt wird. Eva wartet seit drei Jahren in dieser Abgeschiedenheit auf das Ergebnis einer schier aussichtslos erscheinenden Glücksritterjagd nach Öl: Ihr Mann Herbert, ein “petrogeologisches Jahrhunderttalent”, und sein Freund Edgar, Ingenieur, sind “draußen” und bohren seither Loch um Loch, bislang ergebnislos.
Eva versucht als neurotische Selbsterhaltungstherapie, ihrer Haushilfe, der wortkargen, aber sprachlich versierten Gumoa so taktlos wie möglich einzutrichtern, warum sie und ihr Volk so arm, zurückgeblieben, hilflos, verunsichert, unterrangig seien. Man lacht im Publikum ob dieser unverschämten, dummen Hochnäsigkeit; eine Art Arroganz, die den Eroberern jederzeit wohl zu Eigen war, und die Bärfuss mit blendender Schärfe hier spiegelt. Die Einheimische (warum in so schmutziger Landvolktracht?) bleibt stoisch unbeteiligt, absorbiert die fremde Sprache von ihrer Person, intoniert jeden Satz abgehackt, unmelodiös, ohne irgendein Zeichen der Erregung. Und während Nina Hoss als Eva zwischen Nüchternheit und Trunkenheit schwankend alle Register ihrer Hilflosigkeit und beinahe schon verlorenen Hoffnung auf ein besseres Leben mit faszinierender Hysterie zieht, bleibt Margit Bendokat als Gumoa hinreißend unberührt ob aller Beleidigungen, die sie sehr wohl versteht; sie duldet diese verbalen Erniedrigungen, weil sie die Stelle bei Eva braucht, um ihre Familie zu ernähren, gibt statt einer Antwort der “Herrin” Flasche und Glas und läßt das schwerste (und nutzloseste) Lernprogramm aller Deutschschüler über sich ergehen, kontert mit Perfektion und Unantastbarkeit ihrer Würde. Jahrhunderte haben ihr gezeigt, dass diese Menschenverächter, die ihr Land, ihre Dienste, ihre Erfahrung und ihre Bodenschätze ausbeuten wollen, sich nicht geändert haben und lediglich mit Verachtung bezahlen.
Zwei ausgezeichnete Darstellerinnen beherrschen vorerst, wenn auch ein bisschen zu lange, die armselig dekorierte Bühne mit hässlich zerkratzen Tapeten und wenigen Sitzmöbeln. Von der Außenwelt erfährt man nur so viel, dass sie gefährlich sei, unbekannte Tiere Vorsicht gebieten, bis eine seltsame Frau im schwarzen Anzug mit weißem Hemd und Pilzkopf-Frisur, marionettenhaft gesteuert, behutsam an den Bühnenrand tritt, um uralte chinesische Weisheiten über “Die Kunst des Krieges” aus dem Schatz des chinesischen Militärstrategen Sunzi zu rezitieren. Die Verse klingen eher poetisch als kriegerisch. Weit aus der Ferne scheint diese Figur zu kommen, die mit Susanne Wolff, die als neuer Shootingstar am deutschen Theater mit Vorschußlorbeer gefeiert wird, mystisch fremd besetzt ist. Sie wird noch einmal wiederkommen, wie ein dunkler Geist aus einer anderen Zeit, der der trunkenen Eva im Ernüchterungstaumel wie eine Rachegöttin erscheint, die ihr harte Worte und zugleich körperliche Zärtlichkeit gönnt, als wolle sie diese endlich aus ihrem jahrelangen Trott der Selbstvernichtung befreien. Der Boden wird sich am Ende unter Eva auftun, sie in der Versenkung zur Besinnung über ihre wahre, entwürdigende Situation bringen und ihr eine Antwort einflüstern, die alle erschrecken wird.
Als die Männer wütend über den Angriff einer Nomadin auf das Zelt ihres dadurch tödlich verletzten Fahrers in die Zimmergruft stürmen, zutiefst deprimiert und halb wahnsinnig von der erfolglosen Suche nach dem sich verweigernden Glück, zudem gebeutelt von hohen Schulden, da kommt endlich Leben ins Spiel, und man hält den Atem an angesichts der zynischen Grobheit des massiven Ehemannes, dem Felix Goesser eine Aura gefährlicher Unberechenbarkeit verleiht. Ein innerlich zerrissener, brutaler Macho, der seine Frau in einem Atemzug liebt und schikaniert. Er verteufelt alles und jeden: das Land, die erfolgreichen Schatzsucher aus anderen Ländern, die vor ihm im Süden Öl fanden, die rückständige Bevölkerung, die feindlichen Nomaden, die sich gegen die Ausbeutung ihres Landes wehren, er hasst sie alle mit abgrundtiefer Verzweiflung.
Nun, das moderne Goldgräberdrama in einer angeblich zivilisierten Welt endet natürlich nicht gut; Ingo Hülsmann verleiht Edgar die Überlegenheit des Schweigsamen, doch seine Gedanken liegen offen und klar in seinem Minenspiel: Er möchte Eva und die Hälfte des Gewinns für sich haben, falls er noch ein letztes Mal mit Herbert in die Wälder zieht. Man kann dem Programmheft und den Texten von Bärfuss entnehmen, dass hier die politische, gesellschaftliche und private Un-Moral angeprangert werden soll, dass die Story wie ein Aufschrei über die Zersetzung und Ausbeutung unserer Erde hinweggellt, dass die Geldgier der Menschen, ihre Lieblosigkeit, ja Brutalität gegen alle, die sich ihr dabei in den Weg stellen, auf sie selbst zurückschlägt und vernichtet.
Ein Alptraum, der sich ziemlich kaugummiartig über zwei Stunden hinzieht, die letztlich doch der dramaturgischen Struktur entbehren und den Spannungsbogen vermissen lassen, wie man es noch von den alten amerikanischen realistischen Psycho- und Gesellschaftsdramen eines Miller, O’Neills oder Williams gewohnt ist, in denen die Menschen einander ebenso hartnäckig zerstörten, wie bei den neuen Dramatikern, abeer ihre Motive waren vielschichtiger. A.C.
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