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von Olivia Wenzel (Text) und Michael E. Bauer (Musik)
Neuköllner Oper
Inszenierung: Esther Muschol, musik.Leitung/Co-Arrangements: Hossein Yacery Manesh, Bühne/Kostüme: Fabian Lücecke, Dramaturgie: Bernhard Glocksin
Es spielen: Gabriele Schwabe als Gerlinde, Philipp Leinenbach als Cem und Manuel Mairhofer als Niki
Zu hoch gepokert
In ihrem Bemühen, stets neue Talente, Nachwuchsautoren und vielseitig begabte Schauspieler zu entdecken, zu fördern und zu präsentieren, hat die Neuköllner Oper seit November ein hübsches kleines Spiel um das Thema (Problem?) entdeckt, wie ältere Leute lernen könnten, mit einem handy sachgerecht umzugehen. Mehr und mehr wünschen sich Kinder und Enkelkinder flexible Großeltern, möchten ihre Mail oder SMS fix beantwortet haben oder überhaupt ihre Familie auf dem neuesten technischen Kommunikationsniveau wissen (damit vielleicht auch ihre eigenen Wünsche besser verstanden und erfüllt werden?). Das klappt nicht immer, aber immer öfter.
Und wenn, wie hier, sich zwei überaus patente, wenn auch recht ausgeflippte 15jährige Jungen auf der Suche nach dringend benötigter Barschaft als Handy-Lehrer anpreisen, dann hat das schon Pfiff. Wenn sie dazu noch auf solch eine reizende und skurrile alte Dame wie Gabriele treffen, die nicht nur ein Herz für junge Leute hat, sondern dazu noch überaus pädagogisch begabt ist – und glücklicherweise auch noch ein bisschen betucht – , dann sollte das eigentlich ein rundum guter Plot sein.
Im kleinen studio sind an diesem Abend nur wenige Zuschauer, doch sie werden für ihr Interesse reichlich belohnt; einen wahren Wirbel veranstalten Cem und Niki um dem reichlich gefährlichen Druck zu entkommen, der dank Nikis Pokerleidenschaft auf ihm und seinem Freund gleichsam mitlastet. Und Frau Gerlinde, die in zeitweiser Verwirrung und Verirrung die Vergangenheit noch immer nicht abschütteln kann, wie das ja gar nicht so ungewöhnlich ist – nicht nur bei vielen älteren Menschen, die also zeigt sich als kluge Helferin und gewiefte Partnerin im Pokerspiel, nervt die beiden Jungen wohl auch gern mit vegetarischer Kost und anderen Eigenarten, lehrt sie aber en passent Höflichkeit und Geduld und zeigt ihnen zum Schluß, was “eine Harke ist”, bzw. warum es wirklich von Vorteil ist, wenn man sich mit den neuen Techniken auskennt! Temperamentvoll, musikalisch flott und stimmig, überzeugt dies kleine Kammerspiel einmal mehr von den Kapazitäten des Hauses. A.C.