Bezahlt wird nicht

von Dario Fo
Tribüne
eine satirische Komödie
Regie: Jan Bodinus
mit: Iris Radunz, Thomas Kienast, Elisabeth Degen, Hannes Ducke, Nicola Holdebaum

 

Moderne Comedia – Aufstand der Hausfrauen

Wer sich entschließt, einen eigentlich erfolgreichen Text (bis hin zum Gerichtsverfahren!) zu überarbeiten, muss schon gute Gründe und ebenso gute Kenntnisse für die Verhältnisse der Gegenwart haben. Sonst läuft er Gefahr, sein Werk zu verflachen. Und genau das ist leider geschehen mit Dario Fo’s einst spritziger Komödie, in der sich die Hausfrauen eines italienischen Wohnghettos gegen die Teuerung in ihrem Supermarkt recht energisch auflehnen. Sie meutern, streiken lauthals und temperamentvoll nach italienischer Art und schleppen schließlich soviel Waren fort, wie sie tragen können, natürlich ohne zu bezahlen. Doch zuhause – da herrscht der italienische Macho-Ehemann, Arbeiter, arm, wütend und ziemlich unwissend, was und womit sich seine liebe Frau den ganzen Tag neben ihrer beruflichen Arbeit auch noch herumplagen muss: nämlich mit Rechnungen, die sie nicht mehr bezahlen kann, mit Kündigungen von Strom, Gas und Wasser und schließlich sogar dem Mietverhältnis.

Giovanni und Luigi sind somit wahre Prachtexemplare! Doch von den illegalen Einkäufen seiner Ehefrau darf der korrekte Gewerkschaftler nichts wissen – und so findet die phantasievolle und redegewandte Antonia in immer bedrängenderen Situationen bis zum guten, schlimmen Schluss in rasanter Szenenabfolge köstliche Finten, um den Gatten auf die falsche Fährte zu führen und von der heißen Ware unter dem Sofa abzulenken. Was wäre ihr dabei behilflicher als die liebe, etwas einfältige Freundin Margherita, die sich die entwendeten Lebensmittel – jede Menge Nudeln und Oliven und Tomanten – unter das Kleid stopfen lässt und somit jäh zur unerwarteten Schwangerschaft kommt, wie Maria zu Jesus. Denn gläubig sind sie natürlich allemal, beherzigen das Kreuz und die Worte des Papstes , wenn es sein muss, aber sie fluchen gleichermaßen auf die geldgierigen Banken und skrupellosen Geschäftsleute, auf die hartherzigen Arbeitgeber und Lügen der Politiker.

Das wird im Italien 1979, als das Stück entstand und den Autor wegen seines angeblichen Aufrufs zum Aufruhr vor Gericht brachte, nicht anders gewesen sein als heute – und doch: wer Italien heute durchreist, sich mit der Pfiffigkeit und Findigkeit, dem Fleiß der Menschen und der Stärke der gewerkschaftlichen Einflüsse beschäftigt, wird andere Verhältnisse vorfinden als vor dreißig Jahren. Und damit haben wir die Problematik.

Die politischen Klischees, wohl gut und heftig vorgetragen, stimmen in dieser Form nicht mehr, und was der Regisseur sich obendrein  bemüßigt fühlte, an politischen Statements noch draufzusetzen, klingt eher klischeehaft als kritisch oder gar satirisch. Denn so nennt sich das Stück im Untertitel: eine satirische Komödie!  Doch Spaß ist scheinbar eine ernste Sache, und Satire erst recht. Aber immer dann, wenn sie mitten ins italienische Mark trifft, sozusagen den Alltag, und die Lebendigkeit und die Gemütslage unserer Nachbarn aufs Korn nimmt, entsteht tolles und typisches Volkstheater: komisch, absurd, heiter, faszinierend! Iris Radunz als überschäumende, wahrlich nicht auf den Mund gefallene kleine Hausfrau überlistet alle und natürlich erst recht die schmucken Carabinieri, die sich von ihrer Eloquenz und köstlichen Logik absolut überzeugen lassen! Und wo eben noch dessen scharfes Auge über den Lebensmittelklau wachte, schlägt jetzt das Herz eines mitfühlenden Mannes und Kumpels, dem es letztendlich auch nicht viel besser geht als dem Arbeiter. Das ist vergnüglich und fintenreich ausgedacht – wobei die mit Nudeln und Kohlköpfen ausgestopften Schwangerschaftsbäuche der beiden Frauen ein köstlicher Einfall sind, aber vielleicht etwas überstrapaziert werden, um die Naivität der ohnehin nur mit Fußball, Bier und eigenen Interessen beschäftigten Männerwelt zu demonstrieren…

Also, alles in allem, eine hinreißende Aufführung mit magerem Sujet. Eine Comedia dell’arte specialita – a la italiano. Bene! A.C.

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