Schöne Bescherungen

von Alan Ayckbourn
Renaissance Theater

Regie: Tina Engel, Bühne: Momme Röhrbein
Kostüme: Petra Kray; Deutsch von Max Faber


Familientreffen – scharf gewürzt

Es könnte so lustig sein, wenn es nicht so traurig wäre. Was der britische Satiriker Ayckbourn da mit spitzer Feder, schwarzem Humor und sehr viel Menschenkenntnis zu einer dunklen Komödie (1980) verarbeitet hat, ist eigentlich gar nicht auf die Weihnachtszeit fixiert – es könnte bei jedem Zusammentreffen naher und ferner Verwandter geschehen, wenn  Individualisten, Eigenbrötler und Neurotiker Jahr für Jahr aufeinander stoßen. Dass irgendeinmal Enttäuschungen, Desinteresse, eheliche Langeweile und Lebensangst, die jahrelang unter dem Mantel höflicher Etikette und des Wohlwollens gehalten wurden, aufbrechen und zum unerwarteten Eklat führen, dazu bedarf es schon eines besonderen Ereignisses…    

Die Familie trifft sich also wie in jedem Jahr während der Weihnachtstage bei Belinda und Neville. Julia Stembergers Belinda ist eine freundliche und liebenswürdige Frau, die scheinbar das ganze Tohuwabohu im Griff hat, unbeirrt den Baum schmückt und alle Aggressionen kompensiert, die sich ihrem Harmoniebedürfnis in den Weg stellen. Dass ihr Mann Neville (Markus Gertken als kühler Geschäftsmann) sich nach achtjähriger Ehe zum bastelnden Eigenbrötler entwickelt hat, fällt ihr erst auf, als der neue Freund ihrer blaustrümpfigen Schwester Rachel (von Ulrike Jackwerth erschreckend einsam gezeichnet!) ) buchstäblich in die Familie hineinschneit. Dramaturgisch hat Ayckbourn die Katastrophe damit bereits gut vorbereitet. Auch der skurrile Waffenfanatiker Onkel Harvey, der rücksichtslos jeden Funkchen Festtagsfrohsinn im Keim seiner Bösartigkeit erstickt, droht von Anfang an wie ein fernes Gewitter aus dem Lehnstuhl heraus. Nevilles Schwester Phyllis (Katharina Lange als muntere Alkoholikerin) kämpft unerschrocken um ihr Image als Köchin, was von etlichen Kleinkatastrophen in der Küche begleitet ist, und ihr ebenso gutmütiger wie tolpatschiger Ehemann Bernard begreift erst zum makabren Ende der Familientragödie seine Lebensuntüchtigkeit. Dann umkreist da noch Nevilles ehemaliger Kompagnon Eddie (David Bennent als gehorsamer Zechbruder und liebloser Ehemann), dem seine hochschwangere Frau Patsie (Anna Böttcher als rastloses energisches Muttertier) mächtig auf die Nerven geht, die scheinbar harmlose Weihnachtstanne.

Dass sich das ganze Arrangement eigentlich um die Kinder dieser disharmonischen Erwachsenenrunde dreht, um ihre Geschenke, um ihr Vergnügen beim desaströsen Puppenspiel von Bernard (Guntbert Warns als bemitleidenswerter loser), ist ein guter Gag: denn sie erscheinen nicht einmal wirklich auf der Bühne. So bleibt das Schlachtfeld der Familie und einem Fremden überlassen überlassen, der ohne wirkliche Initiative die mühsam aufrecht erhaltene Contenance der Familie zerstört. Der hilflose Clive (Thomas Limpinsel), dem mit größtmöglicher Taktlosigkeit ein jeder in der Familie bescheinigt, sein – einziges Buch – nicht zu kennen, geschweige denn gelesen zu haben, bringt unabsichtlich Gefühle durcheinander, Nervenstränge zum Reißen und schließlich den verrückten Onkel Harvey, den Jürgen Heinrich mit soldatischer Härte als Haustyrannen mimt, in die Anstalt. Hoffentlich.

Wenn man das Stück in jungen Jahren zum ersten Mal sieht, möchte man Tränen lachen. Wenn man es wiederholt in verschiedenen Inszenierungen erlebt, erscheinen die Späße härter, die Konturen schärfer, die Charaktere wahrhaftiger. Es ist in der zuweilen dem krassen Humor abträglich gedehnten Inszenierung von Tina Engel aber letztlich doch das, was eine gute Komödie ausmacht: eine Karikatur des wirklichen Lebens, ein scheinbar munteres Spiel, hinter dem sich die Wünsche und Hoffnungen der Menschen, ihre unerfüllten Sehnsüchte und Träume offenbaren. Bei manchen berühmten Szenen amüsiert man sich noch immer köstlich! A.C

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