Traumfrau Mutter reloaded
von: Linda A.Carson, Jull Daum, Aloson Kelly, Robon Nichol, Barbara Pollard, Deborah Williams
Deutsche Fassung von Thomas Lienennlücke. Eine Produktion von BRIX
Theater am Kurfürstendamm
Regie: Ingolf Lück, Bühne: Matthias Maedebach, Sarah Vogt; Kiostüm: Susanne Bender, Antje Meerwein; Choreographie: Andrea Heil
… Mutter sein dagegen sehr
Sieben Frauen im besten Alter – sagen wir mal, so um 40 herum – ihre Kinder sind mittlerweile flügge, das Leben in der Mutterphase vorerst mehr oder minder glücklich beendet, und nun stehen sie da und halten Rückblick. Zumeist sehr temperamentvoll, nicht unbedingt klagend, aber schon: beklagend, was sich da so nach der ersten Euphorie des Mutterwerdens eingestellt hat: Kinder, Küche, …vielleicht auch noch Kirche, jedenfalls immer im Stress, im Konkurrenzkampf mit anderen Müttern, deren Kinder klüger, früher stubenrein, besser angepasst oder wie auch immer zu sein schienen. Wie halt Konkurrenzkampf unter modernen Frauen manches mal so aussieht. In Kanada jedenfalls , wo sich im Frühjahr 1993 sechs Freundinnen zum Theater-Festval “Women in View” trafen und ihr gemeinsames Schicksal aufarbeiteten, stellte sich vor allem eine Gemeinsamkeit erhaus: alle waren in ihrer intensiven Muttersein-Phase permanent erschöpft und überfordert. Tag und Nacht Bereitschaftsdienst, stets bereit, alles, aber alles für ihre Lieblinge zu tun, den eigenen schwachen Nerven trotzend, der Überforderung kaum noch Herrin! Die Frauen, die sich hier an ihre schöne schreckliche Mutterzeit erinnern, sind im Original wirklich Schauspielerinnen, und als sie da so in der modernen Team-Analyse reden und reden, da merken sie, dass sie eigentlich aus ihrem bisherigen Leben auch gut ein kleines Theaterstück kreieren könnten. Kanadierinnen sind Frauen der Tat. Und so wurde ihr Erstling ein toller Erfolg.
Auf der deutschen Bühne klingt manches nicht ganz so leicht und lustig; viel Schwermut, viel Wut, viel Alltagskampf tritt da ans Tagslicht, wenngleich auch viel gelacht werden kann. Der Widererkennungseffekt ist doch erstaunlich groß. Oder auch nicht erstaunlich; denn so, wie die modernen Mütter der neuen Generationen sich um optimale Erziehung ihrer Kinder abrackern, das geht fraglos an die Grenze allgemeiner Leistungsfähigkeit. Und so nimmt es nicht Wunder, dass die Mütter im Publikum sich auf der Bühne gespiegelt sehen, die Großmütter allerdings resigniert feststellen, dass da wohl irgendetwas aus dem Ruder gelaufen oder einem neuen Ehrgeiz geopfert worden ist; denn solch eine totale Hingabe an das Wohl des Kindes und damit eine einhergehende, physische und psychische Überanstrengung der jungen Mütter, die in einer Flut von Erziehungsliteratur ertrinken, um nur noch mehr in Hilflosigkeit zu verzagen, sollte dann nicht nur auf der Bühne, sondern auch im Alltagsleben überdacht werden!
Dazu könnten Theaterstücke anregen, denn ob denn das Kind nun wirklich immer und in jeder Lebensphase König ist, ob es das Recht hat, die Mütter bis zum Nervenzusammenbruch zu bringen, ob sich ihr Leben wirklich nur in Aufopferung der elterlichen Interessen entwickeln kann – die Frage bleibt. Gleichwohl soll das Stück auch wohl mehr ein Spaß sein, ein munterer Abend zwischen bunter Bauklotzidylle und beeindruckender Beichte. Das ist hübsch anzuhören und zu sehen; die Schauspielerinnen schlüpfen mit Verve gänzlich überzeugend in ihre Rollen. Ob allerdings im zweiten Teil das Hauptaugenmerk auf die Selbstdarstellung einer Mutter liegen muss, die hauptsächlich ihre fülligen Reize in und ohne Hülle und Fülle darbieten muss, scheint wohl Stil des Hauses. Insgesamt bietet das Thema durchaus genügend Stoff, um es abendfüllend -wenn nötig auch mit vielfach vorhandener bester Literatur – etwas anspruchsvoller anzureichern. A.C.