Unter der Treppe

von Charles Dyer
Schlosspark Theater
Regie: Alfred Kirchner, Bühne/Kostüme: Prof. Karl Kneidl


Warum das Leben so schwer ist

Ungewöhnliches Theaterspiel auf der überwiegend heiter verspielten Schlossparkbühne ist ein Zeichen dafür, das hier nicht nur die leichte Boulevardkomödie zuhause ist, sondern dass man sich im Gesamtkonzept um verschiedene Genres bemüht und damit dem Publikum auch hin und wieder eine etwas härtere Nuss zu knacken gibt. Schon die speziell für das Theater aufbereiteten Erzählungen von Victor Emanuel Schmitt (Monsieur Ibrahim…” sowie “Oscar und die Dame in Rosa”, sowie auch der von Richy Müller bestens adaptierte “Cyrano...” ) lassen sich ja auf eine ernsthafte Auseinandersetzung mit zeitloser Thematik ein.

Zeitgebunden allerdings ist in dem Zwei-Personen-Spiel von Charles Dyer die diffamierende und erniedrigende Situation gleichgeschlechtlicher Partner im England der 70er Jahre. Doch als der vielseitige Autor “Staircase” 1966 von der Royal Shakespeare Company erstmals aufführten läßt, offenbart sich nicht nur das schwere Schicksal vieler Homosexueller, die im Abseits, also “unter der Treppe” versteckt leben müssen, sondern es veranlasst zugleich große Schauspieler wie Will Quadflieg und Leonard Steckel unter der Regie von Harry Meyen am Renaissance Theater in die ergreifenden Rollen der beiden Außenseiter Charlie und Harry zu schlüpfen und damit die Öffentlichkeit für dieses Thema zu sensibilisieren; Zwei Jahre später übernehmen Rex Harrison und Richard Burton diese Aufgabe in der Verfilmung.

Es ist ein langes Stück, das mit hohem Einsatz gespielt werden muss, denn es bleibt zwei Stunden lang in der Einsamkeit und Banalität eines kleinen, schäbigen Friseursalons stecken; Es gibt kein Außen, es gibt keine Besucher, es gibt nur Schritte, die hin und wieder von Menschen verkünden, die zu Harrys alter Mutter ins obere Stockwerk emporsteigen. Die beiden Männer bleiben so allein, wie sie es seit 20 Jahren sind, aufeinander fixiert, einander hassend und liebend, vielleicht eher aneinander gewöhnt mit ihren Sticheleien, Streitereien, ihren Eifersüchteleien. Das Zimmer ist kärglich   eingerichtet: ein Vorhang im Hintergrund, zwei rollende Frisierstühle, ein versteckter Tisch und ebenso verborgener Spiegel. Handtücher und eine Ginflasche sind einzige Requisiten.
Aber mehr bedarf es auch nicht, denn was diese beiden Männer miteinander verbindet, ist – natürlich – ihre Homosexualität, aber auch ihr Wissen um das Leid, um die Minderwertigkeitsgefühle des anderen, die fatale Sucht von Charles, dem erfolglosen Schauspieler, gefallen zu wollen, sich in Frauenkleider zu hüllen und Kabarett zu spielen, um junge Männer aufzureißen und den armen, dicken Harry permanent grundlos und unflätig zu beschimpfen. Lutz Blochberger spielt einen lauten Wüterich, dessen grober Zynismus und   Unflätigkeiten jeden anderen aus dem Raum jagen würden – nicht aber Harry, der mit Oliver Stern eine gemütvolle Charakterrolle auf die blanken Bühnenbretter legt, mit Mimik und Gestik ein riesiges Kaleidoskop an Gefühlen aufzeigt, der mit einem Mundwinkelzucken, einem Augenkneifen, einer Kopfdrehung allein schon eine beeindruckende Skala an darstellerischen Variationen aufzeigt. Sein Harry scheint, trotz massiger Gestalt und kahlem Schädel, den er schamhaft mit Tüchern verdeckt, um seinem Ansehen als Friseur nicht zu schaden, der Unterlegene in dieser intellektuell so unterschiedlichen Beziehung zu sein; er nimmt alle verbalen Schläge seines Freundes scheinbar gelassen hin, doch sein Kummer ob dieser Nichtachtung sitzt tief. So ist es nur allzu natürlich, dass er versessen ist auf Süßigkeiten, auf Schokolade, Kuchen, aber auch dem Gin nicht abgeneigt ist, der ihm in dem hässlichen Duell mit Charles jäh Kraft und eine bislang ungeahnte Wehrhaftigkeit verleiht.

Doch immer wieder brechen sie ein, nacheinander und am Ende miteinander, rollen Tränen der Reue, der Verzweiflung, werden jahrlange gehütete düstere Geheimnisse ans Licht befördert, mit aller Brutalität und Schonungslosigkeit, die sich zwei Menschen nur antun können. Und doch, man vermutet es sehr bald, stecken hinter den feindlichen Attacken auf den harmlosen Harry in Charles tiefe, furchtbare Ängste, die ihn unfähig machen, der Wirklichkeit und der eigenen Schwäche ins Gesicht zu sehen. Und der Harry-Koloss ist ein Kind, ein mädchenhafter anhänglicher, liebevoller Partner, dessen Warmherzigkeit und Menschlichkeit ihn mit seinem Leben versöhnen könnten, wenn die Angriffe Charles für ihn letztlich nicht unerträglich würden… Seine Waffe ist das Wissen um Charles nebulöses Verschwinden vor zwei Jahren, ist sein Wissen um dessen Schwächen, mit denen er seine Frucht vor einer möglicherweise drohenden Haftstrafe und – noch schlimmer – der ersten Begegnung mit seiner 20jährigen Tochter zu kompensieren versucht.

Wie die beiden sich mit der bitteren Wahrheit und Wirklichkeit   arrangieren, mit ihrem Los und Schicksal, mit ihrer Zweisamkeit im Abseits, das ist bewegend. Aber nicht immer spannend. Man sollte also schon Geduld haben, um dies mit vielerlei zusätzlichen Themen leicht verkomplizierte Stück auszuhalten. A.C.

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