Die Zauberflöte

Eine Ode an die Macht der Musik

Wer einen langen Bühnenabend im Smoking Haltung und Würde zeigen muss, der wird sich selten so locker geben können wie beispielsweise ein Tanzlehrer. Aber für Stefan Heibach als Tamino, der in dieser unfassbaren, stets sich mit neuen Tiefen offenbarende Mozart-Oper eine beinahe tragische, aber letztendlich heroische Rolle präsentieren muss, scheint das kein Problem inmitten all der märchenhaften und zauberverdichteten Welt der Töne zu sein. Er vollendet seine Aufgabe als neuer Anwärter in das große Universum des allmächtigen Sarastro, dem Herrscher über Moral, Sitte, Ethik in einem ägyptisch nachempfundenen Zeitgeist der allmächtigen Götterwelt, artig mit Hilfe der Zauberflöte, der Musik, der Kunst und der Liebe.

 Unter den Bildnissen von Isis und Osiris gibt sich Benjamin LeClair, auf die Bühne gerollt auf einem furchterregenden mobilen Monsterthron auf die Bühne, als strenger, gerechter und verzeihender Souverän; dessen tiefgrundiger Bass hat es allerdings nicht leicht, sich  -gemessen an der schlanken Zweimeter-Statur seines Besitzers –  den Weg zwischen Synapse, Zwerchfell und Stimmband zu bahnen. Und schon kommen wir zu einer der vielen Widersprüchlichkeiten, die Schikaneder und da Ponte so selbstverständlich in ihre Opern-Libretti einfließen ließen: Hier ficht es die von Sarastros Großherzigkeit überzeugten “Gefangenen” Tamino, Pamina und Papageno nämlich überhaupt nicht an, dass in diesem Hort der Harmonie so ein dunkler Bösewicht wie der gesellschaftliche Außenseiter Monostatos sein Unwesen treiben kann. Zweimal lässt dieser seiner ungezügelten Leidenschaft freien Lauf und stürzt sich auf die schöne Pamina, mit Shakespeare-Versen uns noch um Verständnis bittend, wenn er den Shylock adaptiert…” ist mir denn kein Herz gegeben…? Bin ich nicht wie Ihr, fühle und leide und liebe ich nicht ebenso?”  Wäre da nicht dieser schreckliche verfranste, doch gar zu sehr an fundamentale Islamisten erinnernde Bart, so wäre Uiad Nehme in dieser Rolle wirklich ein Regielob auszusprechen: denn neben dem köstlich plappernden, Ulk treibenden und Sprüche klopfenden Paul Brady als Vogelmensch Papageno( der allerdings mehr wie ein verwilderter Pirat a la Käptn Spirrow aussieht), versteht es Nehme, in seiner Rolle   überzeugend zu agieren, wenngleich auch nach wie vor als Bösewicht. 

Papageno als Gegenpart, fröhlich, unbeschwert, unbedarft, das Lebensziel äußerst pragmatisch vor Augen: ein schönes Weibchen, viele Kinderlein, allzeit zu essen und eine Flasche Wein. Er bedürfte keinerlei geistigen Überbaus bei Seinesgleichen, wie so hehre Lebensziele, die Sarastro und nun auch der vorbildlich parierende Tamino ihm einzubleuen versuchen: Freundschaft,  Treue, Edel- und Wagemut – Tugenden vielfältigster Art wie Verschwiegenheit, Ehrlichkeit, Wohltätigkeit, kurz, sinngebende Charakteristika, die ein   höheres Lebensziel beinhaltet. Dass diese letztlich nur und allein durch eisernen Willen, Selbstbeherrschung und den Antrieb der Liebe zu erreichen sind, scheint dann doch wieder mehr Wunschdenken als Realität. Und so erreichen beide Helden, Tamino wie auch Papageno, ihre unterschiedlichen Ziele durch dasselbe Medium. Die Weiblichkeit zieht sie hinan.

Bleiben  – neben den wunderbar silberhellen Stimmen der drei Jungen des Tölzer Knabenchors – die Damen zu betrachten: eine reizend unschuldige Pamina, die als kleines im engsten Radius gefangenes und unsicheres Mädchen mit fortschreitender Handlung – große Liebe, Verzicht, Vernachlässigung, schließlich gemeinsamer Gefahrenbewältigung auf dem Lebens- und Liebespfad – zur beinahe ebenbürtigen Partnerin heranreift. (Dass bisher noch kein Regisseur auf die diffamierenden statements gegen die Frauen in Mozarts Opern verzichten konnte, nimmt dann doch Wunder!) Mareke Freudenberg ist eine schön anzuhörende und zu schauende Pamina mit einem springbrunnenklaren lyrischen Sopran.
Für Dorothea Maria Marx als subversive Kraft der Dunkelheit bleibt nicht viel mehr als ihre großen Arien bitterböse den Männern entgegenzuschleudern. Noch hat ihr Mezzo nicht die entscheidende Kraft, um auch das Publikum vollends in den Bann einer furiosen Sternenkönigin zu ziehen. Aber Tamino kann sie immerhin umgarnen, und er glaubt ihr die Schmach, die ihr von Sarastro angetan wurde. Ihre drei schönen Dienerinnen, in opulenten schwarzen Roben der Jahrhundertwende mit vielen Blumen bekränzt, sind – wie bei Mozart-  üblich – rasch liebesentflammt zum schönen jungen Mann, den sie von der ihn unheilvoll umschlingenden Schlange – hier eine knochenmagere femme fatale- befreien und zur Ordnung rufen. Leider müssen sie ihm, damit die Geschichte ihren Lauf nehmen kann, Paminas Bildnis überreichen, und somit ist ihr Liebessehnen schnell ausgeträumt.

Auch Papagena, ganz schön schrill als alte Hexe, dann aber weiblich anmutig ihren Papageno umgarnend, findet mit Anja Rabsilber eine reizende Präsenz, wenngleich diese allerliebste Szene viel zu kurz und profan gerät. Hier müssten tausend Glöckchen klingen…

Das scheint überhaupt das Kennzeichen dieser Inszenierung, die zwar über eine phantasievolle, nicht immer ganz verständliche Bühnenbildersprache und eine prächtige Kleiderkammer verfügt, aber die Darsteller nicht mit-spielen läßt, sondern sich überwiegend auf   stimmliche Ausformung denn auf Aktion verläßt. Dadurch fehlt diesem Abend der große Glanz, die Beschwingtheit, die Kraft der schönen Melodien, die Leidenschaft der Geschichte(n), die uns noch immer in eine andere Welt versetzen können. In eine Welt, in der sich alles zur Harmonie fügt, das Böse verjagt, das Große erreicht werden kann, wo sich in genialer kompositorischer Weise Ernsthaftigkeit, Schalk und  tragische Liebeslyrik in der Sprache der Opernwelt miteinander verbinden. A.C.

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