Cosí fan tutte, HB

 Theater am Goetheplatz, Bremen, 2013

Einführung im Rahmen eines Seminars für den Verband “Frau und Kultur” in Delmenhorst

Ein Vorbild für cosi fan’ tutte war das Renaissance-Epos: “Orlando furioso“ von Ludovico Ariosto (1474-1533). Bei Ariost stirbt Fiordiligi als Vorbild und Symbol der Gattentreue. Auch bei Salieri (Antonio) “La grotta di Trofonio” entsteht eine ähnliche Partnerverwirrung und eine neue (alte) Zuordnung der Paare. Bei ihm heißt es „La scuola de gelosi“ – Die Schule der Eifersüchtigen oder „So machen sie es oder Die Schule der Frauen (zuerst wurde da Ponte mit der Vertonung beauftragt. Dann landete der Auftrag unbekannten Gründen bei Mozart).

Bei Mozart (1790 im Wiener Burgtheater uraufgeführt), vereinen sich die Stile der italienischen opera seria mit der opera buffa und dem französischen Singspiel. Es gibt mittlerweile mehr als 300 Fassungen dieses nicht zu fassenden dramma giocoso, des dramatischen Spiels, einem Kammerstück für 6 Personen ohne greifbaren Inhalt. Erst am Ende wird der Sinn deutlich, nämlich als die Paare sich überkreuz finden – der primo uomo findet musikalisch, stimmlich, zu der prima donna! Ein Labyrinth der Gefühle, aber in den strengen Formen der barocken opera seria; Die Paare werden symmetrisch angeordnet und neu zugeordnet. Zwei der Personen treffen sich charakterlich im spielerischen Flirt und einer leichter Lebensauffassung, die beiden anderen in tiefen Gefühlen.

 Es gibt wohl ebenso viele Fassungen wie Interpretationen – so urteilt z.B. der Schauspieler Friedrich Ludwig Schröder 1791 über das Stück, es sei „ein elendes Ding, das alle Weiber herabsetzt, Zuschauerinnen unmöglich gefallen kann und daher kein Glück machen wird…“ Diesem bürgerlichen Urteil steht das des Adeligen gegenüber: Graf Zinzendorf fand die Musik „charmant“ und das Sujet „assez amüsant“.

 Zum Stück und seiner Historie

 Die beiden Schwestern waren auch in der ersten Aufführungen echte Schwestern und stammten aus Ferrara (ein moderner Dirigent nach seiner Besetzung dieser Rollen befragt, legitimierte seine Auffassung der Inszenierung damit, dass die Frauen aus Ferrara einzigartig!“ seien u.ä.)
Adriana Gabrieli del Bene – ihr Künstlername war „La Ferranese“ sang damals die Fiordiligi und war die Geliebte da Pontes. Er gab ihr daher auch, so wird kolportiert, die Rolle der keuscheren Schwester! Aber sie soll eine „himmlische Stimme“ und einen reizenden Mund gehabt haben! Mozart formte die Rolle dementsprechend: er zeichnet Fiordiligi als ” … nicht so beweglich und geschmeidig“, eben, wie der Felsen, der nicht schwankt (1. Arie!) mit enormen Sprüngen in der Gesangsmelodie – für jede Sängerin eine große Herausforderung!

 Zur Bremer Inszenierung:

 Aus vielerlei Gründen kommt diese Inszenierung vielleicht der musikalischen Intention   unserer Zeit am nächsten: jedes Bühnenbild, jede Ausstaffierung mit Dekor, Möbeln, übermäßiger Kostümierung, tieferer räumlicher Ausrichtung lenkt nur allzu leicht vom Wesentlichen ab: und das Wesentliche ist in dieser Oper der Liebes- und Gefühlswandel der beiden Paare; ihre charakterliche Zeichnung und ihre absolute Übereinstimmung mit der Musik, die ihnen vorgibt, wie und wen sie zu lieben und wie sie zu leiden haben. (Ob es sich um eine arrangierte Verbindung handelt, bleibt offen, zumal der Abschied sehr poetisch ist und nicht wie eine Farce wirkt).

 Hier stehen und bewegen sich die Protagonisten zunächst vis á vis an der Barriere, die das emporgehobene Orchester umgibt. Die eigentliche Bühne hinter ihnen bleibt unbespielt. Die Mädchen sehen sich – überraschenderweise – zuweilen mit blitzenden Augen und bösen Blicken an,  während die beiden Männer eher unbeteiligt am Gitter lehnen. Vorne hockt Don Alfonso, der hier kein nachdenklicher Philosoph, auch kein wahrer Freund ist, sondern ein diabolischer, leicht vergammelter Feind der Frauen, ein Misanthrop, ein Zyniker, der glücklichen Paaren offensichtlich ihr Glück neidet und daher die beiden Männer zu einer bösen Wette herausfordert, die die beiden in leichtfertiger Art annehmen, weil ihre Eitelkeit gekränkt und ihre Ehre angezweifelt wird. Es ist ein schlimmes Spiel, und der Ausgang betrifft vor allem die Männer, leider nicht Don Alfonso, der hier gut besetzt ist, mit einem spielerischen Bass und einer zornigen Mimik, wenn nicht alles so in der Entwicklung läuft, wie er sich das vorgestellt hat. Er zieht die von den Männern und der Liebe enttäuschte und nun genießerisch an ihrer Herrschaft Rache übende Dienerin Despina auf seine Seite. Gegen ein paar Silberlinge verrät sie ihre Brotgeberinnen – auch leuchten hier bereits der Gedanke der Aufklärung und die französische Revolution am Horizont! Die endgültige Emanzipierung und Aufmüpfigkeit des Personals wird Mozart später in Figaros Hochzeit verarbeiten!

 Noch einmal zum Anfang zurück: während die beiden Frauen jetzt Seite an Seite die ersten Liebesbeteuerungen ihren Verlobten entgegenbringen, kreuzen sich bereits die Zuwendungen: der jeweilige Partner steht an der gegenüberliegenden Seitenschranke, so dass sich die Körper und Blicke der Mädchen überschneiden. Und: kokett flirtet bereits Dorabella mit Guglielmo!

 Das sich nun eröffnende Spiel ist ein reines Wechselbad der Gefühle: zunächst schmerzlicher Abschied der unerwartet einberufenen Marineoffiziere. Begleitet von einem erschütternden wuchtigen Hohnlied des Chors auf die Soldatenehre! Dann endlose Trauer und eine durchaus stolze Haltung gegenüber den zwei „hässlichen Gästen“, die sich höchst aufdringlich und eindringlich den Damen zu Füßen werfen und eigentlich um nichts anderes bitten als um eine schöne Nacht! Die Damen widerstehen und dann – aufgestachelt von der spottbeißenden Despina – willigen sie in ein spielerisches Entgegenkommen ein; doch der Abstand bleibt, ihre Würde ist vorerst noch unangetastet. Dann der fiese Trick mit dem Gift – der jetzt den üblen Charakter von Don Alfonso und das ebenso charakterlose Spiel der beiden Liebhaber offenbart. Mitleid durch scheinbaren Tod zu erwecken ist in diesem Spiel der wirklich unfaire Part! Und die Mädchen können – ihrer weiblichen Natur entsprechend – nun nicht mehr hart bleiben. Zumal ihnen von den jäh Wiederauferstandenen noch ein Kuß abgepresst wird. Man kann sich den Kuss wohl vorstellen…

 Intensiv spürbar, hörbar und fühlbar ausgespielt wird in dieser wohl überwiegend konzertanten Aufführung der innere Widerstreit von Fiordiligi und Ferrando, dessen wunderbar melodiöser Bariton gut zu seinem Äußeren passt und die zierliche dunkelhaarige Fiordiligi, die ihrem jugendlich dramatischen Sopran Sinnlichkeit und Wärme verleiht – sind ein wunderbar harmonisierendes Paar. Aber auch die hochschwangere Dorabella und ihr leichtfertiger Galan passen blendend zusammen. Ein lyrischer lebenslustiger Sopran korrespondiert blendend mit Guglielmos lyrischem Tenor (Hat man hier die Partien vertauscht!?)

Dass am Ende nicht nur die Männer, sondern auch die Zuschauer verwirrt erschienen, passte dem Regisseur sicher gut ins Konzept. Denn es gibt ja kein wirkliches endgültiges Happy End. Selbst Fiordiligi und Ferrando werden, ihrer Aufrichtigkeit entsprechend, letztendlich nicht glücklich, weil sie ihren Liebsten Unglück zugefügt haben, und Guglielmo sieht seine bisher ungetrübte Eigenliebe so schmählich ins Wanken und um ihren Absolutheitsanspruch gebracht. Gleichwohl er sich trotzig der Viererharmonie widersetzt und zur Seite wendet, hat er bereits einen Blick auf Despina geworfen…

Zu Recht großer Beifall auch und gerade für Clemens Heil, der sein Orchester feinfühlig mozartgemäß durch die musikalischen Tiefen und Untiefen menschlicher Gefühle führte. A.C.

 

 

 

 

 

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