Das letzte Feuer, DT

 von Dagmar Loher
Deutsches Theater

 Regie: Andreas Kriegenburg, Bühne: Anne Ehrlich, Kostüme: Andrea Schraad, Musik: Laurent Simonetti; Dramaturgie: Claus Caesar; Licht: Paulus Vogt

mit: Sandra Flubacher, Angelika Thomas ( als “Wir”), Natali Seelig als Susanne, Jörg Pose als Ludwig, Katharina Matz als Rosmarie; Lisa Hagmeister als Edna; Susanne Wolf als Karoline; Matthieu Svetchine als Olaf, Markwart Müller-Elmau als Peter, Hans Löw als Rabe

Die Unerträglichkeit der Schuld

Diese Inszenierung ist häßlich, häßlich, häßlich – und gewalttätig, grausam, hoffnungslos, phantasiearm, proletarisch, destruktiv. Wenn man das alles akzeptiert, sollte man hingehen. Aber was sich da in einem, offensichtlich absolut asozialen Milieu eines Hinterhofhauses am vernachlässigten Stadtrand abspielt, ist alles andere als belehrend, analysierend, erhellend und eigentlich überhaupt (noch) nicht bühnentauglich!
Diese lockere Haus- und Wohngemeinschaft, die sich auf der fortwährend rotierenden Drehbühne im Gegenzug von Zimmer zu Zimmer, von Tür zu Tür bewegt, um miteinander oder nebeneinander den Unfalltod des kleinen Edgar zu begreifen, zu erklären, zu betrauern und zu überwinden, ist psychisch und sozial völlig überfordert und dem Wahnsinn nahe. Hier gibt es kein Prinzip Hoffnung, dass sich immerhin durch das Angebot der Psychotherapie (von Seelsorge ganz zu schweigen) oder einer altruistischen Mitmenschlichkeit anbieten würde. Aber das passt nicht ins Konzept der Autorin und schon gar nicht in die Auslegung des Regisseurs, die beide in einer düsteren Einstellung zur schicksalsgegebenen und unabänderbaren Situation menschlicher Unzulänglichkeiten (und politischer Ignoranz und Unfähigkeit) verharren. Die Konsequenz daraus ist die beinahe vollständige Vernichtung aller Personen, die entweder in der Psychiatrie (Lisa Hagemeister als pimperliche Polizistin Edna, die ihre Schuld nicht begreifen kann), im Fege-Feuer der Selbsterlösung oder Selbstvernichtung (Rabe) oder im Knast (Olaf als unschuldiger Raser) enden. Der Vater des verunglückten Jungen, Ludwig, ertränkt im Wahn der Verzweiflung die demente Mutter in der Wanne und flüchtet ins Nirgendwo. Nur die rauhbeinige und liebeshungrige Kunsterzieherin (Susanne Wolf als Karoline) landet in einem Erotikladen, wo sie nach lesbischem coming-out nun die Kompensation zu ihrer Brustamputation ausleben kann. Abseits von all diesen unerquicklichen Figuren steht Markwart Müller-Elmau als Peter, Olafs Freund, zwar nicht schuldlos, aber erwärmend menschlich an der Rampe und verkündet mit schwarzem Humor, in der Einfachheit des schlicht denkenden Menschen, die glückliche Fügung, der zufolge sein sanfter Hund “Humboldt” eine Anstellung als Wachhund gefunden und er somit endlich wieder ein Einkommen habe…

Die Charaktere sind nicht passend geformt, und somit bleibt die Aufführung so farb- und geschmacklos wie die gesamte Bühnendekoration. Wie sollte sie auch, denn so wie Kriegenburg die Hilflosigkeit der Menschen, ihr Schicksal zu bewältigen, darstellen läßt, geht sie an unserem Mitgefühl vorbei. Und als am Ende gar noch der an Seele und Körper für immer durch den Krieg versehrte Mann namens Rabe seine geliebte, allerdings hoffnungslos hysterische Susanne beinahe zu Tode prügelt, um endlich seine vermeintliche Schuld vergessen zu können, zeigt sich die ganze Qual dieser verunglückten Inszenierung, die nicht nur die Rollen falsch besetzt, sondern auch vergeblich versucht, die Themenvielfalt der Autorin durchzumischen. Was auch meines Erachtens für die sehr viel bessere Potsdamer Aufführung gilt, ist auch hier der Mangel an einer überzeugenden dramaturgischen Aufarbeitung. So bleibt es nur eine Erzählung, ein grausames Gedanken- und Wortspiel mit einer Vielfalt an sprachlichen und bühnentechnischen Versatzstücken. A.C.

 

 

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