La Traviata HB

Theater am Goetheplatz,Bremen, 2013
Melodramma in drei Akten von Giuseppe Verdi

Libretto von Francesco Maria Piave nach dem Drama
La Dame aux camélias von Alexandre Dumas d. J.
nach einer Inszenierung der Staatsoper Hannover,

Musikalische Leitung Clemens Heil, Regie Benedikt von Peter, Bühne Katrin Wittig, Kostüme Geraldine Arnold, Licht Christian Kemmetmüller, Chor Daniel Mayr, Dramaturgie Sylvia Roth
mit: Violetta Valéry:
Patricia Andres, Alfredo Germont: Hyojong Kim, Luis Olivares Sandoval: Giorgio Germont, Loren Lang, Martin Kronthaler, Annina Neele Kramer, Irina Ostrovskaja, Flora: Bervoix Maria Theresa Ullrich, Tamara Klivadenko, Ulrike Mayer, Geseke Schwedt, Marchese d’Obigny Daniel Ratchev, Daniel Wynarski, Gastone Christian-Andreas Engelhardt, Can Tufan, Barone Douphol: Christoph Heinrich, Jörg Sändig, Dottore Grenvil Patrick Zielke, Franz Becker-Urban:Giuseppe,: Violettas Diener: Sangmin Jeon, Can Tufan, Commissionario: Daniel Wynarski, Daniel Ratchev

Das Hohelied der Liebe

La “Traviata” ist die Ausgestoßene der Gesellschaft, “die Verirrte”, als deren willige, schöne Dienerin sie gebraucht und benutzt, aber weder geachtet noch geliebt wird. Eine Kurtisane zu einer Zeit als die Moral nicht hätte verlogener sein können, unmenschlicher, brutaler, unchristlicher. Es gäbe noch viele Attribute, um die moralischen Lügen vergangener Zeiten und Generationen zu beschreiben. Verdi hat unter diesen nicht minder gelitten als seine großen Opernfiguren, deren Leid er zu Allgemeingütlgikeit führt, Mitleid, Mitmenschlichkeit aufrüttelt, um Gerechtigkeit, Anerkennung, Fairness mit seiner Kunst kämpft und doch gegen Wände stieß, gegen Unbarmherzigkeit, ja er mußte oft sogar ums ein Leben fürchten. All seine Dramen zeugen bei seinen Helden udn Heldinnen von Größe und Leidenschaft, bei den Widersachernund Gegnern von armseliger geistiger und seelioscher Leere .

Das Schicksal der Kurtisane Violetta Valéry (alias Marie Duplessis als reale Geliebte des Schirftstellers Alexandre Dumasd.J. und Marguérite Gautier als “Kameliendame” in dessen Roman)  ist bis zur Erschöpfung in unseren Opernhäusern und Theatern gespielt worden und dermaßen trivialisiert, das oft nur ein lustverzerrter Schmachtfetzen übrig blieb, einfache Volksmelodien wie grobes Tuch das feinmaschige zarte musikalische Netz verdrängten, grobschlächtige Inszenierungen das ewigkeitsgültige Liebesleid zerstörten.

Und so ist der Inszenierung dem Regissuer Benedikt von Peter und dem Dirigenten Clemens Heil eine linniengrade, von allem Kitsch abgespeckte Neuinterpretation geglückt, die sowohl in Kontrasten als auch in feingliedrigen Strukturen verläuft. Violetta, die Verachtete, die Liebende, die Verzichtende, die Märtyrerin, die Eigenliebe in wahre Nächstenliebe verwandelt und beinahe – wie eine Heilige – ihr Leben opfert, beherrscht die Bühne. Ganz allein zwar, doch eingebetttet in die musikalische Obhut des großartigen Orchesters. Und wie sie das meistert: Patricia Andres ist eine warmherzige, vollblütige, sinnliche junge blonde Frau, die sich in scheußliche Kostüme zwängen muß, um die Häßlichkeit ihrer Umwelt zu porträtieren, die ihre Kulissen (ZiImmertüren) selber hin- und herschiebt, die ihr Schicksal auch im prakitschen Sinn selbstbestimmt seitdem sie ihre große Liebe Alfredo Germont und mit ihm ihre Erlösung aus dem scheinfreudigen amourösen Festivitäten der gierigen Männerwelt gefunden hat –  ein junger Verehrer, der von seinem Vater Giorgio in dies außergesellscahftliche Freudenleben eingeführt worden ist, und der sich nun in die schöne junge Frau unpassend verliebt hat.

Violetta selbst erzählt uns erzählt uns ihre Geschichte, zeigt ihr Erstaunen, ihre Abwehr, ihre Angst, verhöhnt und in einer Farce der Freier gedemütigt zu werden, doch dann, als sie erkennt, dass Alfredo sie wirklich und wahrhaftig liebt, verwandelt sich ihre Ungläubigkeit in jähes Entzücken, und die Glückseligkeit des Gefühls, schwelgt in weit flutender Freude, schwingt die Stimmleiter strahlend empor, offenbart sich gleichsam in dem Strahlen ihrer Augen, in ihrer MImik, wo sich bislang, nur kaum verborgen,,noch Schwermut, Krankheit und Verzweiflung abzeichneten, leuchtet nun ein neuer Lebenswille  – bis der Besuch von Alfredos Vater Vaters das Ende bringt.

Nur in zwei die Spaltung der Person kennzeichnenden Kostümen ist die Zwiespältigkeit, der innere Widerstreit, sich der Order Giorgios Germonts zu beugen und den geliebten Alfredo mit einer Lüge zu verlassen, angedeutet. Und das ist wohl der schmerzlichste Moment in diesem Drama. Was die Gesellschaft in der Person des alten Germont von der Frau erzwingt, ist so unmenschlich, so brutal, dass die Musik sich zusammenballt, einen wahren Orchestersturm hervorruft, im Furioso die Seelenwelt zusammenbrechen läßt und so die Orkanboen, die an diesem Tag die wahre Außenwelt erschüttern, zu überbieten vermag.

Natürlich hat der Regisseur nicht auf die großartigen Männerpartien verzichtet – doch kommen sie gleichsam aus weiter Ferne, nicht wirklich vorhanden und doch so klar und verführerisch, zärtlich schmeicheln, seelenvoll und dann – um die Liebe betrogen, vernichtet, gebrochen –  Alfredo, ein Tenor zum verlieben! Fordern, kräftig, beinahe drohend der feste und doch auch melodiös geführte Bariton des Giorgio sowie der kühl und höhnisch sich aufschneidende verschmähte Liebhaber Douphol und endlich der leidgewohnte dunkel gegründete Bariton des Doktors. Der Chor in wunderbarer Farbnuancierung wird auch vom hohen Rang aus dem Komponisten gerecht, und besorgt führen Zofe und Freundin ihre Überredungskünste unheilvoll ausklingend in den Raum.

Es gibt viele, kleine Momente mit überzeugender Deutungsmöglichkeit; und es gibt großartige Szenen, in denen Patricia Andres den Raum und das Publikum vereinnahmt und in einen unwiderstehlichen Bann zieht. Es hätte keiner Kletterkünste über die Stuhlreihen hinweg bedurft, um uns ihre sehnsuchtsvolle, vergebliche Hoffnung mitzuteilen, es hätte auch durchaus einen Schnitt geben können, bevor Violetta endgültig dieses Leben verläßt. Sie hatte es schon lange Zeit vorher aufgegeben. Aber dies Zugeständnis an ein altes treues Publikum, dass die Versöhnung angesichts des Todes erleben, hören muß und will, war dann doch wohl nötig. Und wer möchte schon eine einzige Note missen! Die   Aufführung führte ungebrochen von Anfang an und immer wieder neu zu einer glanzvollen, bisher in dieser Form noch nicht erlebten Darbietung voller Kraft und Intensität, aber sie zeigt gleichermaßen in ergreifender lyrischer Zartheit, wie zerbrechlich Glück und Liebe sind.  A.C.

 

 

 

 

 

 

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