Cosí fan tutte oder Die Schule der Liebenden, OL

Wolfgang Amadeus Mozart
Dramma Giocoso in zwei Akten (1790)
Libretto von Lorenzo  da Ponte
Oldenburgisches Staatstheater (2014)

Musikalische Leitung: Roger Epple, Inszenierung: Nikolaus Heilbing, Dramaturgie: Lars Gebhardt; Bühne: Jürgen Höth, Kostüme: Katrin Krumbein, Licht: Ernst Engel, Video: Elke Auer, Chor: Thomas Bönisch

  Fiordiligi: Inga-Britt Andersson; Dorabella: Linda Sommerhage; Guglielmo: Johannes Held; Ferrando: Stefan Heibach/Ziad Nehme; Despina: Monika Reinhard; Don Alfonso: Derrick Ballard/Benjamin LeClair

Noten von Amor selbst diktiert

Man stelle sich einfach mal vor: Wolfgang Amadeus und Lorenzo albern beim nächtlichen Zechen in  ihrer Stammkneipe, früher sagte man vornehmer “Wirtshaus”, debattieren über Frauen und Liebe, welches ja bekanntlich ihr beliebtestesThema war, und phantasieren da eine Geschichte vor sich hin: wie wäre es, wenn man einmal die schönen Frauen, die immer so viel Liebe versprechen und ewige Treue schwören, auf die Probe stellen würde – wie beständig wären ihre Gefühle, wie verläßlich ihre schönen Worte? Doch wie dumm würden die Männer dastehen, wenn die Schönen das perfide Spiel durchchauten und sich von ihnen ab- und sich neuen Liebhabern zuwendeten? Das wäre auf der Bühne ein Heidenspaß. Darin sind sie sich wohl einig. Und für Mozart, den Schwärmer, der die Liebe ohnehin in seinen Visionen am schönsten erklingen läßt, beginnt die Arbeit. Ob sie ihm leicht und flüssig, wie gern kolportiert, aus der Feder fließt – man möchte es annehmen, denn die Musik, die er für dieses allerliebste und alle und jeden verwirrende “dramma giocoso” komponiert, ist von beinahe sphärischer, überirdischer Leichtigkeit und Schönheit, als ob Amor ihm die Noten selbst diktiert hätte. (Ob die Videoaufnahmen und der blanke Popo einer realen Aprodite zur Versinnbildlichung beitragen müssen, sei dahingestellt)

Und da Ponte? Er eirnnert sich seiner Liebsten und ihrer felsenfesten Treue und gibt ihr die moralisch stärkere Rolle der Fiordiligi. Francesca Gabrieli, genannt Adriana Ferraese del Bene und ihre Schwester Louise Villeneuve sangen zur Uraufführung die Rollen der beiden gefoppten Bräute. Es war ein Heidenspaß, es war eine Komödie der besten Art, ungeachtet der schwermütigen Abschieds- und Liebeszenen, der Verweigerung, der aufgesetzten Leidens- und Überraschungsmomente, in denen die Herzen und die Tonarten plötzlich jeweils für den anderen Partner pulsieren.

Die Geschichte ist nun weithin bekannt: der leicht zynische ältere Freund und Frauenfeind Alfonso rät den beiden jungen Männern Gugliemo und Ferrando, die Liebe ihrer Bräute auf die Probe zu stellen, indem sie sich scheinbar zur Einberufung verabschieden, doch nach dem jähen herzzerreißen Abschied incognito als Fremde und Freunde Alfonsos im Haus der Schwestern Gastfreundschaft suchen, um die beiden jungen Damen mit allen Mitteln ihrer Verführungskünste zu betören und zu erobern. Unterstützt  und dirigiert wird das bis zum vorgetäuschten Selbstmord inszenierte Liebeswerben nicht nur von  Alfonso, sondern auch vom kecken Hausmädchen Despina, die ihrer vornehmen Herrschaft endlich mal eine lange Nase zeigen und deren köstlichen Kakao trinken kann. Die Zeit der unterdrückten Domestiken ist ja – historisch gesehen- auch beinahe vorbei…

Diese Oper ist oft inszeniert, musiziert, gesungen und interpretiert worden: In wunderschönsten Tönen wurde und wird seit jeher geschwelgt, für Mozartfans geradezu ein himmliches Vergnügen, dem melodischen Zauberstück und dessen immer wieder von neuem betörender, feiner und vielfältig strukturierter Mixtur zu folgen. Aber es gelingt nun nicht immer, Schwermut von scheinbar nur gespielter Tragik zu unterscheiden, Liebe leicht und fließend zu fühlen, das Herz schmerzvoll-süßlich zu verlieren, die Treueschwüre spielerisch locker ad absurdum zu führen und das Ganze als feurige Farce nahezubringen.

In der Oldenburger Inszenierung ist der Auftakt von ganz feiner subitler Art: eine höfische Gesellschaft aus Mozarts Zeit steht steif und prachtvoll gewandet im Hintergrund der Bühne, während moderne Menschen mit der Kamera einfangen, was längst vorbei ist. Und so schient es folgerrichtig, dass die Darsteller des Stücks in geschmakvoller moderner Kleidung auftreten, um Zeitlosigkeit und Transparenz anzubieten. Wer das Libretto zeitlich umzusetzen vermag, wird den Herzenstausch der vier sich überkreuz Liebenden wohl als konstanten Konflikt des menschlichen Lebens verstehen. Die Liebesprobe, hier natürlich aufs Absurdeste durch ironische Verkleidung der Liebhaber gedacht –  hier in zu jener Zeit noch verachtete ärztliche Quacksalber –  ist ja in vielen Varianten vorstellbar. Der ganz sicher als grandioser Spaß gedachte Spot, dass die Frauen zwar auf die neuen Liebhaber hereinfallen, die Männer aber in Wirklichkeit die Dummen sind, gerät aber leider immer wieder zum Drama. Und auch in dieser Inszenierung sind die Paare am Ende gar nicht einmal so froh über das, was ihnen und mit ihnen geschehen ist; Sie zweifeln sichtbar an sich, an ihren Gefühlen – vielleicht auch an den gesellschaftlichen Formen und Konventionen, denen sie zwanghaft noch immer verhaftet sind.

Wir haben hier als Fiordiligi mit Inga Britt Andersson eine stimmlich dominante, energische Persönlichkeit, die sich leidenschaftlich dem Liebestausch bis zum letzten Atemzug zu widersetzen versucht. Wir haben mit Linda Sommerhage eine mädchenhafte Dorabella, die leicht kokett und schwankend der Werbung des Fremden wohl geneigt ist. Und der ist mit Johannes Held als handfester, selbstsicherer Eroberer auch wohl der geeignete Partner, während der Heldentenor von Stefan Heibach zwar schon in der ersten Szene alle Herzen im Puiblikum erobert, es aber mit Fiordilighi schon recht schwer hat. Monika Reinhards Despina ist ein keckes, quirlig- raffiniertes Weibchen, das nicht nur entzückend alle Rollen als Advokat, Arzt und Kammerkätzchen mit toller Spielfreude zu variieren versteht, sondern auch recht moderne, emanzipatorische Ansichten über die Rolle der selbstständigen Frau rüberbringt. Derrik Ballard hat einen so wunderbar warmtönenden Bariton und ist als Beobachter wie als Lenker der Liebesprobe wie ein allzu väterlicher Regisseur – so  dass man ihm eigentlich gar keine Böshaftigkeit unterstellen vermag, und auch mit seiner Frauenfeindlichkeit ist es so weit wohl nciht her, versteht es doch diese Despina, ihn am Ende in ihren Bann zu zeihen.

Roger Epple führt das Staatsorchester durch alle großen und kleinen Gemütsschwankungen und Anfälle von Leidenschaft und Reue, verteilt die Töne mal wie Tautropfen, dann wieder wie Sturmwellen über die hilflosen Menschlein da oben auf der Bühne, wo falsche Hoffnungen und schöner Schein einer neuen Wirklichkeit Platz machen – wenn dieser Prozess auch nicht ganz schmerzfrei ist. A.C.

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