Ballett Impulsiv III,OL

Choreografische Uraufführungen von Antoine Jully, Repertoire-Highlights und Ausschnitte aus klassischen Balletten
Staatstheater Oldenburg, 2022
Ballettcompagnie Oldenburg
mit Elizabeth Cohren, Maelenn Le Dorze, Nicol Omezzolli, Teele Ude, Garance Vignes, Luicia You;
Lester René Gonzáles Álvarez, Oliver Jones, Antoine Jully, Seu Kim, Fran Kovacic´,Vincent Tapia, Diego Urdangarin
Choreografie Antoine Jully und nach Samuil Andrianov, Victor Gsovsky, Marius Pepita; Ballettmeisterinnen Carolina Francisco Sorg, Sophie Faudot-Abel, SofieThyssen, Antoine Jully; Dramaturgie: Telse Hahmann

Für Kenner und Könner

In funkelnder meeresblaugrün schimmernder zweiter Haut versprüht das Corps de Ballett endlich die ersehnte Lebenslust und Tanzfreude pur; am Ende des abwechslungsreichen Abends präsentiert der Choreograf Jully den Schlußakkord wie Perlen an der Zündschnur, explosiv, überbordend – beglückt geht man in den späten Pfingssonntag. Eine zweistündige Vorstellung zeigt in vielfältigen und ausgefeilten tänzerischen Episoden zum Themenbereich “sich aufeinander verlassen – getanzte Lebensfreude – zuweilen von dem Applaus eines begeisterten  Ballettpublikums für Momente unterbrochen – ein Kaleidoskop perfekter tänzerischer Vielfalt auf verschiedenen thematischen Ebenen.

Ob es Seu Kim ist, der in seinem disziplinierten Auftakt mit gewaltiger Sprungkraft für sein Solo aus dem 3. Akt von Paquita spontanen Beifall erhält, ob es Garance Vignes und Diego Urdangarin sind, die mit dem dramatischen Pas de Deux nach dem “Minotaurus” von Friedrich Dürrenmatt faszinieren oder Teele Ude und Fran Kovacic mit einem zauberhaften Hochzeit-Pas de Deux aus  Don Quixote, der im Jahr 1871 in St. Petersburg uraufgeführt wurde. Sehr schön, von hoher Ästhetik sind die Gruppierungen von drei Paargruppierungen anzuschauen, in schlicht-grauen Kostümen, die der Biegsamkeit und Führungskunst in den Formationen den visuellen Vortritt lassen. Das lustige Solo von Fran Kovacic läßt staunen über seine Fähigkeit, blitzschnell französisch gesprochene Begriffe der Alltags in die passende Bewegung umzusetzen, eine perfekt passende Antwort des Körpers auf das gesprochene Wort. Vielleicht ist die Gehörlosensprache hier Gedankengeber gewesen.

Die Kunst der Fuge ist eine beliebte Vorlage, um Bachs Variationen tänzerisch und technisch  verinnerlicht zu gestalten, von Teele Ude wieder mit Diego Urdangarin stark dargeboten.- Die Worte sind es, die diesmal Vincent Tapia auffordern, sich dem Thema des Abends zu stellen, und Elizabeth Cohen und Oliver Jones zeigen in reizenden Kostümen spitzenreife Leistung mit ihrem Pas de Deux aus Le Corsaire, 1915 in St. Petersburg uraufgeführt. Es geht so fort mit “The Dying Poet”, von Lester René Gonza´les Alvarez in verzweifeltem Bemühen, sich vogelfrei in die Lüfte der Poesie zu erheben, um dann doch am Ende mehr wie ein Fisch im Wasser davonzurudern. Der Mensch bleibt eben erdverbunden. Eine physisch anspruchsvoll getanzte Metapher.
Das Gewicht des Lebens lastet auf ihnen allen: wieder sind es sechs Tänzer, die artistisch schwerelos einander heben, sich verknäulen, verbinden, befreien und doch immer wieder gemeinsam das Gewicht tragen. Das Thema wird auch mit scheinbarer Leichtigkeit beinahe übermütig von den Tänzerinnen und Tänzern auf einfachen Holzbänken kunst-und phantasievoll präsentiert  – choreografierte Bankgymnastik für Fortgeschrittene … Auch das Thema Chaos und Kunst, Mit-Menschlichkeit in seinem Anfangsstadium wird in einem Tänzerquartett variationsreich, drastisch und deutlich sicht- und spürbar.
Dann wird es ein bißchen portugiesisch schwermütig, Garance Vignes verliert sich in dem berührenden traditionellen Fado, hinweisend bereits auf die von Joseph Haydn komponierte Sonata III grave der  “Sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze”; die 2 Tänzer und eine Tänzerin in ihrem Pas de Trois zu einem dem Leid Jesu Ausdruck gebenden Wechselspiel und Zuspiel der Protagonisten gestalten. Noch einmal kommt die unterschwellige Sehnsucht der portugischen Mentalität zum tänzerischen Ausdruck von Maelenn Le Dorze in “Com que voz”, um dann den 10 Tänzerinnen und Tänzern den quirligen Endspurt mit der Grand Tarantelle zu überlassen. Langer Beifall! A.C.

 

 

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