Macbeth, B

von Heiner Müller nach William Shakespeare
Wiederaufnahme
Berliner Ensemble, Berlin 2022
Regie: Michael Thalheimer, Mühne Olaf Altmann, Kostüme Nehle Balkhausen, Musik Bert Wrede, Dramaturgie Bernd Stegemann, Licht

mit: Sascha Nathan als Macbeth, Constanze Becker als Lady Macbeth, Tilo Nester als Banquo,  Kathrin Wehlisch als Hexe, Malcom, Pförtner, Mörder, Seyton, Ingo Hülsmann als Hexe, Duncan, Macduff, Niklas Kohrt als Hexe, Mörder, Lenox, Soldat

Um die Macht der Kronen

Blut, Blut überall; sogar die Hexen sind nackt und blutverschmiert. Wer krimierfahren ist und den Terror der Games of Thrones nicht scheute, wird hier wiederfinden, was die Geschichte niemals verheimlichte und der Dichter in schwarze Tinte goß: dieJjahrhunderte andauernden mörderischen Herrschaftskämpfe der englischen und schottischen Dynastien.

Nur, in so wohlfeilen Worten, in solch grandiosen Sprachgemälden und erschütternden Seelen-Untiefen konnte nur einer diese Gewaltepoche in so bildhaften Szenen festhalten. Was der DDR-Dichter und von eigenem Regime zuletzt auch vergessene Schriftsteller und Theatermacher Heiner Müller daran faszinierte, was nicht die menschliche, psychologische Seite der sich in den eigenen Untergang hinein katapultierenden Könige, Königinnen, Lords und Geistlichkeiten, es war seine verzweifelte Ohnmacht angesichts einer unfähigen Menschheit, sich zur gewaltfreien, nutz- und gewinnbringeden (nicht im Sinne des Kapitalismus) Gesellschaft zu formieren mit dauerhaftem Bestand. Geschichte warmfür Müller als intellektuellem Edel-Kommunisten nach eigenen Worten ein böses Schlachtfest. Doch allem Nihilismus zum Trotz glaube er an den Kampf und möglicherweise auch den Sieg des Proletariats. Aber er glaube nicht daran, dass die Menschheit jemals ohne Gewalt leben und herrschen könnte.

Was an der jetzigen Wiederaufnahme in der Fassung Müller neu von ihm als Text in die Shakespeare- Version eingeflossen ist, läßt sich nachlesen. Aber man wird kaum eine intellektuelle Auseinandersetzung zwischen linkem und rechtem Gemetzel und Gemeuchel finden, es war immer , gleich welcher politischen coleur, stets nur ein einziges( historisches) Schlachtfeld um die Macht. Es ist entsetzlich anzuschauen, und man sollte eventuell lieber die Sprache, die eben jene Hintergründigkeit und menschlichen Tiefen entlarvt, die alle Königsdramen zu großer Literatur und nicht allein zu blutiger Geschichtsschreibung gemacht haben, bewundern.

Denn wem nutzen eigentlich alle kunstvollen Spiegelungen der Grausamkeiten, die nur mit Erschütterung zu ertragen sind und vergeblich die Absicht zu ergründen versuchen, die hinter den monströsen Taten und Werken steht. Werden die historischen Muster, die niemals langfristig zu einem endgültigem persönlichen Erfolg oder zu einer staatlichen Stabilierung führten, als Muster erkannt und in etwa bekämpft? Werden die Potentaten in allen Teilen der Welt, auf allen Kontinenten, die jeden Tag gegen alle Menschlichkeit verstoßen, die Hilferufe akzeptieren, auch wenn sie die Welt noch so laut herausschreit. Wir sehen es tagtäglich neben uns. Und müssen konstatieren, ob wir Christen sind oder nicht: das Böse ist da, ist gegenwärtig, taucht immer wieder auf, ist nur phasenweise verdeckt, tief vergraben, um jäh wieder wie ein Vulkan aufzulodern und seine grausame Fratze zu zeigen.

Die Wiederaufnahme von “Macbeth” bleibt somit ein unglaublich intensives Bühnen-Inferno, in dem Menschen einander verraten und töten, quälen, verführen, verachten, wo das Morden Lust und Pein zugleich ist, wo die Machtgier Blutrausch gebiert, wo die letzte menschliche Regung – nämlich die Angst vor der eigenen Ungeheuerlichkeit – im Wahnwunsch der absoluten Macht verloren gegangen ist. Und dieses Phänomen ist ewiglich; denn die klassische griechische Mythologie erzählt uns von Anbeginn der Welterschaffung ebendies: Macht, Mord, Kampf, Untergang und Neubeginn. Und das Rad der Geschichte dreht sich unaufhörlich. Denn die olympischen Götter hatten die Welt und die Menschen nach ihrer Vorstellung und nach ihrem Bilde geschaffen!

Sascha Nathan als Macbeth zeigt einen jämmerlichen, eigentlich erbarmungswürdigen Mann, der zwar ein bedeutender Kämpfer ist und seine Verdienste im gnadenlosen Kampf gegen den Feind ungeachtet jedweder Reflexion gehorsamst erwarb. Dafür wurde er vom König im hohen Grade ausgezeichnet. Nun bibbert und jammert er vor Gier und gleichzeitiger Angst am ganzen Körper, als ihm seine Lady die Krone vor Augen aufblitzen läßt; denn sein Feldherr König Duncan hat ihn nicht nur belobigt und belohnt, sondern auch seinen Besuch in Macbeth’ Hause angekündigt. Welche Ehre, welch eine Versuchung, welche Möglichkeit. Constanze Becker ist eine verführerische eisenharte, gnadenlose Lady, die weiß, dass ihr Gatte nicht eben der Klügste und Mutigste ist, sondern dass er bearbeitet, bedroht, beschämt, beleidigt werden muß, um sich zu wütender Größe aufzubauen. Die Königskrone, danach leckt er sich die Lippen, verbeißt er sich im eigenen Fleisch, fiebert und lechzt er, hin- und hergerissen zwischen Königstreue und der Verwirklichung dieses einen endgütligen Traums. Und er fürchtet nur eines mehr als den Tod: die herabsetzenden und verletzenden Szenen seiner Ehefrau.

Eine große Inszenierung: Schauspielerisch glänzend, faszinierend und sprachlich mit vollster HIngebung eindrucksvoll, zuweilen etwas zu schnell, aber in der gesamten Darstellung – und im blitzschnellen Rollenwechsel! excellent  in der wahnsinnigen Glut aller Eitelkeiten und Vorstellung aller Bösartigkeiten und allen Wahns. Die drei Erynnien sind nur Spiegelbild der Menschen, die sie zu verführen haben, deren böse Lust am Untergang sie kreischend begleiten; die gedungenen Mörder sind Halbschatten aus der Unterwelt, ohne Seele, ohne Geist, nur fleischgewordene Mordgier, die Macbeth’ alten treuen Gefährten Banquo, der ihn durch alle Schlachten und Schicksalsschläge begleitete und beschützte, erbarmungslos meucheln.
Und plötzlich steht da – der kleine Sohn König Duncans, Macduff, unbeweglich, angstvoll ob der eigenen Zukunft: wird er sterben oder herrschen, wird ein Verwandter oder Freund ihm nach dem Leben trachten oder wird er eines Tages selbst zum Mörder werden –  müssen? Wenn der Wald gefallen ist und die Lady sich entleibt, dann wird auch Macbeth fallen und Schottland sich befreien, und ein Kind wird in den Kampf der Kronen geschickt.

Ein schwieriges Stück, eine erschütternde Inszenierung. A.C.

 

 

 

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