Don Quixote, HB

Frei nach Kathy Acker und Miguel de Cervantes
Auf der Suche nach Liebe
Theater am Goetheplatz, Bremen, 2024
Regie: Caroline Anne Kapp ,Dramaturgie: Theresa Schlesinger, Bühne Amina Nouns, Kostüme Carla Loose, Grafik Desiree Kabis, Sounddesign Florian Wulff, Licht: Katrin Langner, Daniel Thaden

Mit: Shirin Eissa, Jan Grosfeld, Jorid Lukaczik

Don Quichote recycelt.

Ein Plädoyer für die Liebe, für die Selbstbestimmung der Frau, für das Ritterliche in beiderlei Geschlecht, deren Sehnsüchte und Körperlichkeit dann aber doch wohl einige Unterschiede besitzen, die zu bekämpfen so sinnlos ist wie Don Quichotes Kampf gegen die Flügel der Windmühle oder die imaginären 200 feindlichen Männer, deren Schatten visionär im Morgengrauen erscheinen.

Die drei Darsteller, zwei junge Frauen, ein junger Mann, in Plastikplanen und Lappen gehüllt, verkünden lachend und blitzenden Auges, deren Schalk unverkennbar zum Stück gehört, dass sie nach Liebe suchen, bei sich,  bei uns, bei anderen. Egal, irgendwo und vor allem ständig. Weil sie diese selbstlose Liebe, die sie weder orten noch definieren können, wohl niemals finden werden, fühlen sie sich jenem Ritter von der traurigen Gestalt verbunden, der einer Wahnvorstellung, einer geliebten Schimäre nachjagt und der Menschheit verständlich zu machen versucht, dass nur ein Narr das Übel der Welt bekämpfen kann, aber auch ebenso wenig die Liebe für sich beanspruchen und festhalten kann.

So irren diese drei jungen Menschen tapfer durch das Dickicht ihrer locker gewebten Gefühlswelt, galoppieren mal als Gaul Rosinante über die Bühne, winseln und schmusen als Hunde ergeben an den Beinkleidern der Menschen, verbeißen sich in intellektuellle Höhenflüge, während die Menschenrasse ihnen nur wenig Beachtung schenkt. Auch Tiere also, ist wohl die Botschaft, betteln um fortdauernde, herrschaftsfreie beständige Liebeszuwendung.

Warum eine Frau nicht auch ritterliche Gefühle haben sollte, ist die berechtigte Frage. Wenn Ritterlichkeit Sorge, Fürsorge, immerwährende treue Liebe bedeutet, scheint sie doch keinem Geschlecht spezifisch zugeordnet zu sein; Mensch wie Tier, Intellektuelle wie Narren, einfache Gemüter wie verschwurbelte Existenzphilosophen drehen sich miteinander und auch einzeln im Kreis, suchen nach körperlicher Erfüllung und geistiger Verbundenheit und ergehen sich immer wieder gern in der sinnlosen Suche nach den Schuldigen. Wer verhindert die wahre Verwirklichung einer romantischen Liebe, wer durchschneidet das Band der Sehnsucht, unterwirft und verwechselt Liebe mit Macht, lässt  Verzicht und Verweigerung nicht gelten, bestimmt, wer wen und wann zu lieben hat, fordert Besitz anstelle von Güte und Gleichheit? Da die Autorin die Geschichte in den 90ern – dem posttheatralischen Aufbruch des Feminismus in Amerika schrieb, liegt die Antwort nahe: es ist immer wieder der besitzergreifende Mann, der Kapitalismus und damit verbunden die alten Rollenklischees, gegen die eben ein Don oder eine Donna Quixote nicht ankämpfen können.
Entblößt und erschöpft, vom Regen ins nüchternde irdische Dasein zurückgespült, lassen sich die lebhaft engagierten Darsteller und mit ihnen das das große Team der Mitarbeiter vom Publikum herzlich feiern. A.C.

 

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